Neue Schweizer Bildung (E-Book). Andreas Pfister
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Название: Neue Schweizer Bildung (E-Book)

Автор: Andreas Pfister

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783035520118

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СКАЧАТЬ Schritt weitergehen und das zusätzliche Schuljahr der Sekundarstufe I zuordnen. Der Unterricht kann an der Sekundarschule stattfinden. Diese würde dann vier Jahre dauern statt drei. Gestaltet man die Sekundarstufe als Einheitsschule mit Binnendifferenzierung, so findet die Aufteilung der Schüler*innen nach Gymnasium oder Lehre erst nach zwölf gemeinsamen Schuljahren und im Alter von 16 Jahren statt. Entscheidend in diesem Modell wäre die Ausgestaltung der Binnendifferenzierung beziehungsweise der Durchlässigkeit. Es müsste möglich werden, vom zwölften Schuljahr aus sowohl in eine Lehre als auch in den gymnasialen Zug zu wechseln.

      Vieles spricht für eine solches System, aber einiges auch dagegen. Das frühe Aufteilen der Kinder in unterschiedliche Schultypen ist in der Schweiz breit abgestützt, einer Aufweichung der Grenze zwischen Sekundarstufe I und II begegnet man skeptisch. Oft ins Feld geführt wird die Schulmüdigkeit. Dieses Argument ist jedoch problematisch. Keinem käme es ernsthaft in den Sinn, Kinder nicht zur Schule zu schicken, weil sie keine Lust dazu haben. Trotzdem sei das Argument hier ein Stück weit berücksichtigt. Viele Jugendliche freuen sich auf die Lehre, auf die Arbeit im Betrieb. Ihnen diese Möglichkeit ein Jahr länger vorzuenthalten, kann kontraproduktiv sein. Mit zunehmendem Groll gegen die Schule, empfunden als Gefängnis, als Ort von Misserfolg, sind die Voraussetzungen für effizientes Lernen nicht gegeben. Vielleicht wird das Lernen als sinnvoller empfunden, wenn man in der Arbeit erfährt, wofür man es braucht. Allerdings kann zum Nachteil werden, was zunächst als Vorteil erscheinen mag: Nach zwölf Jahren Schule könnte man fälschlicherweise meinen, dass die schulische Bildung erledigt sei. Das ist kontraproduktiv im Hinblick auf die Tertiarisierung. Wenn die Schule in der Lehre nur noch an einem Tag pro Woche stattfindet und einzelne Fächer jahrelang nicht unterrichtet werden, tut sich ein ziemliches Loch auf bis zur Fachhochschule. Vieles wird vergessen. Auch die Haltung wird dadurch beeinflusst. Wird die Schule während der Lehre als erledigt abgehakt, begreift man sie nicht als Zwischenschritt im Hinblick auf die tertiäre Stufe und auf das lebenslange Lernen.

      Der Vorschlag einer «Matura für alle», also die flächendeckende Einführung der Berufsmaturität, verleiht dem Modell BM3 eine ganz neue Bedeutung. Wenn alle das neue Schuljahr besuchen, kann daraus ein neues Scharnier werden zwischen Sekundarstufe I und II. Das ist eine Variante, die man unbedingt im Blick behalten muss. Die Bildungsreform, die hier skizziert wird, ist offen dafür. Sie setzt aber eine Vereinheitlichung der Sekundarstufe I nicht voraus.

      Das Modell BMX bringt mehr Flexibilität.

      Ein Modell, das immer mehr Verbreitung findet, ist der Blockunterricht. In mehrwöchigen Blöcken, die über die ganze Lehre verteilt werden, kann konzentriert und vertieft schulische Bildung stattfinden. Viele Betriebe begrüssen diese Bildungsform. Es kann die Arbeitsplanung vereinfachen, wenn der*die Lernende blockweise fehlt statt tageweise. In anderen Betrieben ist es gerade umgekehrt. Im Blocksystem wird schulische Bildung immer wieder aufgegriffen und wiederholt. Es entsteht kein mehrjähriges Loch im Hinblick auf die tertiäre Stufe. Meist lässt sich der Blockunterricht mit anderen Formen kombinieren, etwa dem weiterhin üblichen Tag Berufsschule pro Woche.

      Es gibt kein einzig richtiges Modell der Berufsmaturität. Was es braucht, ist ein flexibles Modell. Hier soll ein Modell mit dem Namen BMX vorgeschlagen werden. X steht für Flexibilität. Wenn man die Abkürzung noch mit anderem assoziiert als mit Bildung, ist das auch gut. Um Verwechslungen vorzubeugen: Das vorgeschlagene Modell BMX ist nicht dasselbe wie die bereits existierenden Modelle «BM1 Flex»[9] und «BM2 Flex»[10]. Diese stellen eine Art Verbindung aus BM1 und BM2 dar. Wie das Modell BMX aussehen kann, ist noch offen. Sinnvollerweise knüpft es an bei Modellen, wie sie im SBFI derzeit diskutiert und in den Kantonen erprobt werden.[11] Das Modell BMX gibt lediglich den Umfang des schulischen Anteils vor sowie das obligatorische Ziel der Berufsmaturität. Wie die schulische Bildung und die betriebliche Arbeit kombiniert werden, wissen die jeweiligen Branchen am besten, entsprechend soll die Entscheidung zur genauen Ausgestaltung verbundspartnerschaftlich erfolgen. Derzeit wird von Expert*innen der Berufslehre grosse Arbeit in diesem Gebiet geleistet. Ihre Erfahrungen kann man nutzen, um das System flächendeckend einzuführen. Flächendeckend muss nicht einheitlich heissen. Es sollen Innovation und Flexibilität möglich bleiben.

      Ausbilden ist ein Dienst an der Gesellschaft.

      Der ökonomische Nutzen ist ein wichtiger, doch nicht der alleinige Grund, weshalb Betriebe Lernende ausbilden. Es geht den meisten Betrieben darum, den Nachwuchs zu fördern für Beruf und Branche. Das entspricht der Tradition der Berufsbildung. Aus dem Zunftwesen entwickelt, dient sie der Pflege und Tradierung des Berufs. Daran kann man anknüpfen, wenn es gegenwärtig darum geht, Betriebe für die Berufsmaturität zu gewinnen.

      Zunächst zur Bildungsrendite aus betrieblicher Sicht: 3100 Franken pro Jahr. So viel verdiente ein Betrieb im Schnitt an einem*einer Lernenden im Ausbildungsjahr 2016/17.[12] 60 Prozent der Betriebe erreichen einen Nettonutzen, 40 Prozent legen drauf. Die Unterschiede in der Rendite sind gross. Am höchsten ist der Nettonutzen in der Baubranche. Auch im Gewerbe und in den persönlichen Dienstleistungen ist er überdurchschnittlich. Angehende Maler*innen, Sanitärinstallateur*innen, Elektriker*innen, Coiffeusen und Coiffeure sind rentabel, sie bringen dem Betrieb während der Lehre über 20000 Franken ein. Auch die vielen Lernenden im KV-Bereich werfen eine gewisse Rendite ab. Am teuersten hingegen kommt einen Betrieb die Ausbildung einer IT-Fachkraft zu stehen. Dort betragen die Kosten über 20000 Franken. Auch die Ausbildung von Polymechanikerinnen und Automobil-Mechatronikern geht richtig ins Geld.

      Fast ein Drittel der Betriebe (29 Prozent) bildet Lernende aus. Die Pflege des Nachwuchses und der ökonomische Nutzen gehen Hand in Hand. Die Betriebe geben eine Reihe von Gründen an, weshalb sie Lernende ausbilden. Sie sehen es als Gemeinschaftsaufgabe der Wirtschaft und damit als Dienst an der Gesellschaft. Oft gehört die Lehre zur Firmentradition. Zudem ist sie ein Instrument, um künftige Fachkräfte zu rekrutieren. Und warum bilden zwei Drittel der Firmen keine Lehrlinge aus? Als Gründe nennen die Firmen die fehlende Zeit, eine zu hohe Spezialisierung oder einen zu geringen Nutzen.

      Gegenwärtig ist die Berufsmaturität ins Stocken geraten, obwohl sie ein strategisches Ziel des Bundes darstellt und obwohl viel zu ihrer Förderung getan wird.[13] Hauptgrund für die Stagnation sind die Betriebe. Es muss sich lohnen, Berufslernende auszubilden. Wenn diese zu oft im Betrieb fehlen, geht die Rechnung nicht mehr auf. Es sind vor allem Branchen mit anspruchsvollen Lehrstellen, etwa die Maschinen-, Elektro- und Metallbau-Branche, welche die Berufsmaturität fördern. Zudem sind es oft grosse Firmen, die entsprechende Kosten tragen können. Andere, kleinere Betriebe sind oft stärker auf den ökonomischen Nutzen der Lernenden angewiesen. Genaue Zahlen dazu liefert der vierte Trendbericht zur Berufsmaturität des Eidgenössischen Hochschulinstituts für Berufsbildung EHB.[14] Umfragen unter Firmen zeigen: Wenn sie keine Berufslernenden ausbilden, liegt dies weniger an der erschwerten Arbeitsorganisation als vielmehr am ökonomischen Faktor.

      Es fällt auf, dass sich die BM-Absolvierenden nur auf wenige Berufe konzentrieren. Es sind vor allem Berufe mit schulisch anspruchsvoller Grundbildung. Drei Viertel aller BM-Lernenden verteilen sich auf nur acht EFZ-Berufe. Besonders hoch ist der BM-Anteil in den Berufen Elektroniker*in, Laborant*in, Konstrukteur*in, Mediamatiker*in, Zeichner*in, Informatiker*in, Automatiker*in und bei den Kaufleuten. Diese Berufe setzen eine hohe schulische Leistungsfähigkeit voraus. Zudem sind es typische Mangelberufe, die mit der Berufsmaturität attraktiver werden für motivierte Jugendliche mit guten Leistungen. Viele der BM-Lernenden haben tertiär gebildete Eltern, eher wenige – aber mehr als am Gymnasium – kommen aus sozial benachteiligten Familien.

      An der Berufsmaturität verdienen die Betriebe nicht.

      Derzeit bilden nur neun Prozent der Betriebe BM1-Lernende aus. Selbst die Branchenorganisationen versuchen, die Betriebe zu überzeugen. Teilweise zahlen sie ihnen Beiträge. Im Unterschied zur EZF-Ausbildung ergibt sich aus der BM1-Ausbildung kein Nettonutzen für die Betriebe. Ein*e BM1-Lernende*r kostet sie pro Jahr 800 СКАЧАТЬ