Название: Compliance
Автор: Markus Böttcher
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447059
isbn:
Abrufbar im Internet unter www.fma.gv.at/cms/site/DE/einzel.html?channel=CH0387.
2. Kapitel Grundlagen für Compliance › C. Schweiz
Anmerkungen
Herrn Michele Vitali, MLAW, BSc in BWL, sowie Frau Marianne Müller, M.A. HSG, sei für ihre Unterstützung bei Literatur- und Rechtsprechungsrecherchen im Zusammenhang mit der Aktualisierung des Texts herzlich gedankt.
2. Kapitel Grundlagen für Compliance › C. Schweiz › I. Einführung
I. Einführung
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Unter dem Begriff Compliance wird im schweizerischen Recht die Gesamtheit der Regeln und organisatorischen Maßnahmen verstanden, die darauf gerichtet sind, die Einhaltung aller für eine Organisation einschlägigen Gesetzesvorschriften, regulatorischen Standards und Selbstregulierungsnormen sicherzustellen, kritische Vorfälle frühzeitig aufzudecken und im Fall von relevanten Regelverstößen geeignete Maßnahmen zur Herstellung eines regelkonformen Zustands und zur Vermeidung von Wiederholungen zu treffen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es sich bei den relevanten Vorschriften in Abhängigkeit von der Branche, dem geografischen Tätigkeitsgebiet und der Struktur des Unternehmens um ganz unterschiedliche Regeln handeln kann. Gewisse Branchen, insbesondere der Finanz- und Pharmasektor, unterliegen einer engmaschigen staatlichen Regulierung und Aufsicht. In nicht-regulierten Industrien ergeben sich die gesetzlichen Anforderungen an die Geschäftstätigkeit des Unternehmens demgegenüber aus allgemeinen Regeln und Standards, z.B. hinsichtlich der Vermeidung strafrechtlich relevanten Verhaltens. Unternehmen in nicht regulierten Wirtschaftsbereichen verfügen folglich über einen erheblich größeren Spielraum in der Ausgestaltung ihrer Compliance-Organisation; gleichzeitig kann es das Fehlen verbindlicher gesetzlicher Vorgaben aber auch schwieriger machen, die adäquaten Maßnahmen und Vorkehrungen zu bestimmen.
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Im schweizerischen Recht haben sich die Anforderungen an die unternehmensinterne Compliance im Wesentlichen aus der Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Organhaftung sowie zur strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung entwickelt. Aufbau und Durchsetzung adäquater Strukturen und Maßnahmen zur Einhaltung aller Rechtsvorschriften gehören zu den nicht-delegierbaren Aufgaben des Verwaltungsrats von Aktiengesellschaften (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1, 2 und 5 OR) bzw. der Geschäftsführung einer GmbH (vgl. Art. 810 Abs. 2 Ziff. 1, 2 und 4 OR).
Außerdem hat das Bundesgericht schon früh festgehalten, dass die obersten Leitungsorgane für Gesetzesverletzungen im Machtbereich des Unternehmens einzustehen haben, wenn ihnen eine Garantenstellung zukommt. Der „Tone from the top“ (BGE 96 IV 155); die Notwendigkeit einer unternehmensspezifischen Risikoerfassung, risikoadäquater interner Kontrollen (BGE 122 IV 103; 125 IV 9; 6, S.447/2003) und klarer Verhaltensweisungen (BGE 96 IV 155, 125 IV 9); einer klaren und straffen Organisation mit Verantwortlichkeits- und Vertretungsregelungen (BGE 125 IV 9); das Erfordernis eines ausreichenden Informationsmanagements und der Dokumentation des betrieblich wichtigen Knowhows (BGE 125 IV 9) gehören damit bereits seit Langem zum Kanon der richterlichen Anforderungen an ein adäquates Compliance-Management. Im Licht der heutigen Unternehmenspraxis und der Erwartungen in- und ausländischer Behörden sind darüber hinaus, jedenfalls für große, international tätige Unternehmen, weiter der Betrieb einer Whistleblower-Hotline und, im Fall vermuteter Regelverstöße, die Durchführung von internen Untersuchungen dazu zu rechnen.
Auf Gesetzesebene wurde die Notwendigkeit risikoadäquater Compliancemaßnahmen sodann vor allem für den Finanzsektor durch das Geldwäschereigesetz (GwG) und eine Reihe von Ausführungsverordnungen sowie Rundschreiben der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FINMA) konkretisiert. Es folgte 2003 die Bestimmung zur Unternehmensstrafbarkeit im Strafgesetzbuch (Art. 102 StGB). Danach kann das Fehlen adäquater Maßnahmen zur Verhinderung von Verbrechen oder Vergehen im Rahmen des Unternehmenszwecks dazu führen, dass sich das Unternehmen selbst – ggf. neben einzelnen Mitarbeitern oder Leitungsorganen – strafbar macht. Neben einer bloß subsidiären Strafbarkeit für allgemeine Delikte besteht dabei eine generelle Strafbarkeit des Unternehmens für das Unterlassen adäquater organisatorischer Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäscherei, aktiver Bestechung, Terrorismusfinanzierung sowie der Beteiligung an (bzw. Unterstützung von) kriminellen Organisationen.
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Rechtstatsächlich wurde die Bedeutung der Compliance zunächst vor allem von größeren und international tätigen Gesellschaften erkannt; inzwischen hat sich aber die Überzeugung durchgesetzt, dass risikoadäquate Compliance-Maßnahmen in Unternehmen jeglicher Größe erforderlich sind. Die Unternehmensorganisationen werden durch entsprechende Abteilungen ergänzt, entweder separat oder – seltener – als Teil der Rechtsabteilung, wobei große Unterschiede hinsichtlich der verfügbaren Ressourcen bestehen. Fachverbände wie Ethics and Compliance Switzerland (ECS) oder die Swiss Association of Compliance Officers (SACO) fördern den Erfahrungsaustausch, insbesondere auch hinsichtlich der Strukturierung und laufenden Überprüfung adäquater Compliance-Management-Systeme.
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Im Sinne des für dieses Handbuch geltenden Compliance-Begriffs soll nicht auf die gesamte Gesetzgebung eingegangen werden – denn grundsätzlich verpflichtet jeder Gesetzesartikel des zwingenden Rechts zur Compliance –, viel mehr soll spezifisch im Hinblick auf die regulatorische Entwicklung der letzten Jahre und der diesbezüglichen Praxis von Behörden und behördenähnlichen Institutionen berichtet werden. Dies geschieht immer unter dem Blickwinkel, dass sich eine ausländische Gesellschaft in der Schweiz ansiedeln will, sei es mit ihrem Headquarter oder aber – was häufiger der Fall ist – durch ihre Tochtergesellschaft.
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Auf zwei Besonderheiten des Schweizer Rechts ist dabei vorweg noch einzugehen:
– | In der Schweiz hat sich das föderalistische Prinzip bis heute bewährt, so dass viele Behörden nicht auf Bundesebene, sondern auf Kantonsebene, manchmal sogar auch auf Gemeindeebene angesiedelt sind. Dabei kann es sich bei den Kantonsbehörden sowohl um Behörden mit selbstständigen Kompetenzen als auch um Ausführungsorgane von Bundesbehörden handeln. |
– |
Die Schweiz hat in einem beachtlichen Ausmaß staatliche Compliance-Regelungen durch Selbstregulierung ersetzt. Es sind in diesen Fällen nicht staatliche Behörden, sondern private Institutionen, wie die Börse oder die Selbstregulierungsorganisationen im Bereich der Geldwäscherei, welche die Regeln setzen. Dies bedeutet aber nicht, dass sie deswegen einen minderen Durchsetzungsgrad hätten. Wer sich nicht an die Regeln der Selbstregulierungsorganisation hält, verletzt ebenso staatliches Recht wie derjenige, der eine staatliche Weisung missachtet.
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