Aus meinem Leben - 2. Teil. August Bebel
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Название: Aus meinem Leben - 2. Teil

Автор: August Bebel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783966511681

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СКАЧАТЬ Später bekam er noch vier Monate dazu, auch wurden ihm jetzt die Ehrenrechte aberkannt. Seine Verhaftung erfolgte kurz nach seiner ersten Verurteilung. Schweitzers journalistische Tätigkeit wurde aber durch die Haft in keiner Weise unterbrochen, wie er denn im Gefängnis ein Maß von Freiheiten genoß, das weder bis dahin noch später einem in Berlin zu Gefängnis verurteilten politischen Gefangenen zuteil wurde. Er traf alle Anordnungen sowohl als Redakteur wie später als Präsident des Vereins aus dem Gefängnis. Seine Korrespondenz war unbeschränkt, Besuche empfing er häufig. Als er 1869 eine mehrmonatige Gefängnisstrafe in Rummelsburg verbüßte, konnte er sich sogar dem Vergnügen des Kahnfahrens auf dem Rummelsburger See widmen. Selbstbeköstigung war ihm ebenfalls gestattet, die in den Berliner Gefängnissen für politische Gefangene erst in sehr viel späterer Zeit, zu Ende des vorigen Jahrhunderts, erlangt wurde.

      Man hat geltend gemacht, daß die verschiedenen Gefängnisstrafen ein Beweis gegen die Anklage seien, Schweitzer wäre Bismarckscher Agent gewesen. Diese Auffassung ist durchaus falsch. Die Beziehungen, die eine Regierung zu ihren politischen Agenten zu haben pflegt, bindet sie nicht den Staatsanwälten und Richtern auf die Nase. Eine zeitweilige Verurteilung eines politischen Agenten wegen oppositioneller Handlungen ist auch sehr geeignet, Mißtrauen gegen den Betreffenden zu beseitigen und das Vertrauen in ihn zu stärken. Bekanntlich haben auch die Berliner Gerichte zu derselben Zeit, in der Lassalle mit Bismarck seine stundenlangen politischen Unterhaltungen als »angenehmer Gutsnachbar« hatte, sich nicht gescheut, ihn zu einer Reihe harter Gefängnisstrafen zu verurteilen, obgleich man damals in weiten Kreisen wußte, wie Bismarck und Lassalle zueinander standen. Lastete doch der Gedanke schwer auf Lassalle, wie er bei seinem Gesundheitszustand die langen Haftstrafen überstehen werde.

      In den Monaten, welche der Kriegsentscheidung im Juni 1866 vorausgingen, arbeitete der »Sozialdemokrat« weiter zugunsten der Bismarckschen Politik, und zwar wie auch früher mit raffiniertem Geschick. Es mußten schon geübte Augen und ein scharfer Verstand sein, um aus all den Verklausulierungen und Widersprüchen herauszuschälen, daß er eine unehrliche Politik betrieb.

      Gegen Ende März 1866, also während er im Gefängnis sitzt, wird er im »Sozialdemokrat« deutlicher: »Die Zerstörung der Bundesleiche zu Frankfurt sollte die Auflösung der Nation bedeuten. Die Geburt der Nation würde von diesem Tage an datieren.« Einer seiner Hamburger Anhänger, Schallmeier, erklärte im »Sozialdemokrat«, die Arbeiter würden für den Krieg sein, gebe man denselben das allgemeine Wahlrecht. Gleichzeitig erhebt der »Sozialdemokrat« unausgesetzt heftige Angriffe gegen die Fortschrittspartei, den Nationalverein, den Sechsunddreißiger-Ausschuß. Daneben erschienen wieder einige Artikel, worin ein Buch Rüstows über das Milizsystem günstig besprochen und das Milizheer als eine Einrichtung gepriesen wird, die am billigten die meisten Streiter liefere.

      Im März noch hatte der »Sozialdemokrat« den preußischen Bundesreformentwurf mit Geringschätzung behandelt, er werde »schätzbares Material« bleiben. In der zweiten Hälfte April tritt er entschieden für die preußische Bundesreform ein. Jetzt war keine Rede mehr von den früheren Versicherungen, dem neuen Deutschen Reiche dürfe kein Dorf, nicht der letzte Weiler fehlen. Er hatte auch vergessen, daß er noch in der zweiten Hälfte September 1865 geschrieben: Unser köstliches Kleinod ist, daß wir kein Oesterreich und kein Preußen, kein Bayern und kein Hessen-Homburg, daß wir nur ein Deutschland kennen, ein deutsches Volk und eine deutsche Sprache.

      In einer Artikelserie: Habsburg, Hohenzollern und die deutsche Demokratie, die Ende April erschien, spricht er sich schließlich für die Vernichtung Oesterreichs aus; es müsse reduziert werden auf die 12900000 Einwohner, die zum Bunde gehörten. Dann sei Deutschland konstituiert, das heißt dann hat Preußen das Feld.

      Auf ein wiederholtes Gesuch wurde Schweitzer am 9. Mai 1866 angeblich wegen gefährdeter Gesundheit aus dem Gefängnis beurlaubt. Dagegen wäre nichts einzuwenden gewesen, entsprach der Grund des Urlaubs der Wahrheit. Dieser Grund erwies sich aber als eine Lüge. Kaum aus dem Gefängnis beurlaubt, entwickelte Schweitzer eine umfassende politische Tätigkeit, die nicht nur bewies, daß die Ruhe des Gefängnisses ihm wieder eine gute Gesundheit verschafft hatte, sondern daß auch die maßgebenden Behörden gegen seine politische Tätigkeit nichts einzuwenden hatten, obgleich sonst die Behörden bei Beurlaubungen politischer Gefangener die selbstverständliche Forderung stellen, daß der Beurlaubte nicht eine Tätigkeit betreibe, wegen der er in Strafe genommen worden ist.

      Am 21. Mai erscheint Schweitzer in Hamburg, um dort »Ordnung zu schaffen«, am 11. Juni in Erfurt und am 18. Juni in Leipzig, woselbst er in einer Rede für die Bismarcksche Bundesreform eintritt. Dieses Eintreten hatte aber nicht verhindert, daß am 18. Mai der »Sozialdemokrat« in einem Leitartikel sagte: Von einem liberalen Preußen sprechen die Gothaer, das an die Spitze Deutschlands zu treten habe, aber das hieße in Wahrheit sprechen: von einem Preußen, das nicht existiert und nicht existieren kann.

      Und dieser positiven durchaus richtigen Auffassung über das Wesen Preußens gegenüber sagt Schweitzer am 16. Juni in Leipzig in einem Vortrag »Ueber die gegenwärtigen Aufgaben der sozialdemokratischen Partei Deutschlands« am Schlusse:

      »Wenn es aber gelingt, die preußische Regierung weiterzutreiben auf dem Wege der Konzessionen an uns (sic! A.B.)..., dann werden wir soviel wir können das Unsere tun, daß der Sieg nicht bei den Fahnen Oesterreichs, sondern bei den Fahnen Preußens, nicht bei den Fahnen Benedeks, sondern bei den Fahnen Bismarcks und Garibaldis sei.«

      Kann man widerspruchsvoller handeln?

      Diese Auslassungen sind als Programmsätze Schweitzers sehr bemerkenswert, und sie fanden wohl an hoher Stelle in Berlin ihr Echo. Was aber das Antreiben der preußischen Regierung zu Konzessionen an uns (also an den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein) betraf, so war, ganz abgesehen von dem Utopismus, auf Bismarcksche Konzessionen zu hoffen – woran Schweitzer auch selbstverständlich nicht glaubte – das ganze Gerede eine Aufschneiderei, denn Schweitzer selbst hatte zuletzt noch am 3. Juni, vierzehn Tage vor seiner Leipziger Rede, im »Sozialdemokrat« geschrieben: daß die Wirren im Verein bis auf weiteres denselben unfähig machten, in sozialpolitischen Dingen irgend etwas zu leisten.

      Diesem Gedanken hatte er auch schon wiederholt vor dem 3. Juni im »Sozialdemokrat« Ausdruck gegeben, wie denn in der Tat die Wirren im Verein, an denen Schweitzer sein vollgerüttelt Maß der Schuld trug, bis in das Jahr 1867 hinein denselben in Zerrüttung hielten.

      In seltsamem Widerspruch zu diesen wiederholten Erklärungen Schweitzers steht es, wenn noch in unseren Tagen die Behauptung aufgestellt wurde, der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein habe zu jener Zeit einen merkbaren Einfluß auf die Neugestaltung der Dinge ausgeübt, zum Beispiel bei Erlangung des allgemeinen Wahlrechts. Bei dem Widerstand, den das Bismarcksche Reformprojekt in den weitesten Kreisen fand, mußte Bismarck allerdings jede Unterstützung, war sie auch noch so unbedeutend, für sein Projekt willkommen sein. Daß er das allgemeine Wahlrecht gewährte, geschah, weil er es gewähren mußte. Das war so selbstverständlich, daß es dazu keiner Einflüsterungen und Anfeuerungen bedurfte. Hatte er doch bereits Sommer 1863, also zu einer Zeit, in der der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein eben erst gegründet worden war, gegenüber dem österreichischen Reformentwurf, der das deutsche Parlament aus Delegationen der einzelstaatlichen Landtage zusammensetzen wollte, ein Parlament gefordert, das auf Grund des in der Paulskirche 1849 beschlossenen allgemeinen Wahlrechtes gewählt werden sollte. Bismarck hat die Gründe, weshalb er zu demselben griff und greifen mußte, nicht bloß später im norddeutschen Reichstag auseinandergesetzt; er schrieb auch in einer Zirkulardepesche am 24. März 1866, also drei Monate vor dem Krieg:

      »Direkte Wahlen und allgemeines Stimmrecht halte ich für größere Bürgschaften einer konservativen Haltung als irgend ein künstliches, auf Erzielung gemachter Majoritäten berechnetes Wahlgesetz. Nach unseren Erfahrungen sind die Massen ehrlicher bei der Erhaltung staatlicher Ordnung interessiert als die Führer derjenigen Massen, die man durch die Einführung irgendeines Zensus in der aktiven Wahlberechtigung privilegieren möchte.«

      Und СКАЧАТЬ