Название: BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil
Автор: Harm Peter Westermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schwerpunkte Pflichtfach
isbn: 9783811453562
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1. Schuldverhältnis im engeren und im weiteren Sinn
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Wenn § 241 Abs. 1 S. 1 von der Berechtigung des Gläubigers spricht, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern, so nimmt die Norm ebenso wie § 194 Abs. 1 eine spezifische Rechtsposition in den Blick, nämlich den Anspruch des Gläubigers. Mit ihm korreliert die Pflicht des Schuldners, die jeweilige Leistung zu erbringen. Dieser Anspruch und die mit ihm korrelierende Pflicht werden auch als Schuldverhältnis im engeren Sinn bezeichnet.[6]
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Der Begriff des Schuldverhältnisses kann jedoch auch in einem weitergehenden Sinn verwendet werden, der über Anspruch und Pflicht iSd §§ 241 Abs. 1 S. 1 und 194 Abs. 1 hinausgeht: Weder § 241 Abs. 1 S. 1 noch § 194 Abs. 1 bezeichnen weitere Rechte und Pflichten, die sich aus der engen Beziehung von Schuldner und Gläubiger ergeben können. Auf sie weist aber schon § 241 Abs. 2 hin, wonach das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann (Schutzpflichten). Wer einen Maler damit beauftragt, die Wand eines Zimmers zu streichen, hat einen Anspruch gegen den Maler, dass er ebendies tut. Aber er hat gem. § 241 Abs. 2 auch ein ganzes Bündel weiterer Rechte: Darauf, dass der Maler die Einrichtungsgegenstände des Zimmers nicht beschädigt oder dass er keine Wertgegenstände klaut und so fort. Der Maler kann auch zur Aufklärung bzgl etwaiger Gesundheitsgefahren verpflichtet sein, die beispielsweise aus dem Einsatz bestimmter Lacke resultieren können.
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Mit dem Schuldverhältnis im weiteren Sinn ist das gesamte komplexe Bündel rechtlicher Relationen gemeint, das aus der konkreten engeren Beziehung zwischen (paradigmatisch) zwei Personen resultiert.
Dazu gehören die von § 241 Abs. 1 S. 1 in den Blick genommenen Forderungsrechte (und die mit ihnen korrelierenden Pflichten), aber dazu gehören vor allem auch die in § 241 Abs. 2 beschriebenen Schutzpflichten. Letztere können auch schon im Vorfeld eines Schuldverhältnisses bestehen (vgl § 311 Abs. 2) und sie enden nicht, wenn die Leistungspflicht iSd § 241 Abs. 1 S. 1 erloschen ist. Beispielsweise kann der Verkäufer eines Backofens gem. § 241 Abs. 2 verpflichtet sein, für eine gewisse Zeit Ersatzteile vorrätig zu halten. Die konkrete Zeitspanne, für die der Verkäufer verpflichtet ist, hängt vom jeweiligen Produkt und seiner üblichen Lebensdauer ab.[7] Er kann auch zur Warnung oder zum Rückruf verpflichtet sein,[8] etwa, wenn er nach der Erfüllung Kenntnis davon erlangt, dass ein Dauerbetrieb des Backofens für mehrere Stunden mit einer erheblichen Explosionsgefahr einhergeht. Relevant ist das vor allem bei technischen oder auch chemischen Produkten.[9] Typische Anwendungsfälle sind etwa Produktbeobachtungspflichten von KFZ-Herstellern.[10]
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Das BGB verwendet den Begriff „Schuldverhältnis“ je nach Regelungskontext sowohl mit der Bedeutung „Schuldverhältnis im weiteren Sinn“ als auch in der Bedeutung von „Schuldverhältnis im engeren Sinn“. Welche Bedeutung vorliegt, ergibt sich im Wege der Auslegung, wobei der jeweilige Regelungsgegenstand und -kontext meist problemlos weiterhelfen. So meint § 362 Abs. 1 nicht das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, sondern bloß das Schuldverhältnis im engeren Sinne, wenn er davon spricht, dass das „Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.“ Andernfalls ließe sich nicht begründen, weshalb es nachwirkende Nebenpflichten und Schutzpflichten (wie etwa zum Produktrückruf oder zur Bereithaltung von Ersatzteilen) auch noch nach Erfüllung gibt. Demgegenüber ist beispielsweise in § 311 Abs. 1 vom Schuldverhältnis im weiteren Sinne die Rede, wenn der Vertrag als regelmäßiges Erfordernis für die Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft bezeichnet wird.
a) Überblick
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Schuldverhältnisse können nach ihrem Entstehungsgrund in rechtsgeschäftliche und gesetzliche Schuldverhältnisse eingeteilt werden. Die Regeln des Allgemeinen Schuldrechts gelten grundsätzlich sowohl für rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse als auch für gesetzliche Schuldverhältnisse. Das ergibt sich aus dem Klammerprinzip, das im BGB auch im Schuldrecht eingesetzt ist, um den Rechtsstoff zu ordnen.[11] Allerdings gibt es Teile des Allgemeinen Schuldrechts, die sich nur auf rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse beziehen (etwa §§ 305-310) oder auch nur auf Verträge (§§ 311-361) oder auf gegenseitige Verträge (§§ 320-326).
b) Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse
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Die im Schuldrecht fokussierte enge Beziehung zwischen zwei Personen kann insbesondere auf Rechtsgeschäften beruhen.
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Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen, wenn und weil ein Rechtsgeschäft zwischen mindestens zwei Personen vorliegt. Fast immer ist damit ein Vertrag gemeint. Verträge spielen für unser Leben eine wichtige Rolle: Viele Menschen haben als Mieter einer Wohnung ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis mit einem Vermieter (§ 535). Oft schließen wir Kaufverträge (§ 433) ab. Wenn jemand eine Malerin engagiert, damit sie sein Haus tapeziert, liegt ein Werkvertrag (§ 631) vor.
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In ökonomischer Perspektive sind Verträge unverzichtbar, um die Verteilung knapper Ressourcen zu steuern. Verträge bilden eine zentrale Grundlage für Märkte, auf denen Güter und Dienstleistungen ausgetauscht werden. Natürlich sind funktionsfähige Märkte auch etwa auf kartellrechtliche- und wettbewerbsrechtliche Regeln angewiesen. Die schuldrechtlichen Regelungen bilden aber jedenfalls eine wichtige Grundlage für jede Form der Marktwirtschaft. Verträge können die Gesamtwohlfahrt einer Volkswirtschaft erhöhen. Sie verteilen auch Chancen, Risiken und Vermögen. Die Regeln des Schuldrechts tragen zu dieser Verteilung erheblich bei.[12] Dabei werden sie natürlich von einer Reihe anderer Regeln unterstützt – etwa von steuerrechtlichen oder sozialrechtlichen Bestimmungen.
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Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen grundsätzlich aus einem zweiseitigen, also beide Seiten verpflichtenden Rechtsverhältnis. In seltenen Fällen entsteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis aber auch aus einem einseitigen Rechtsverhältnis. Das wichtigste Beispiel ist die Auslobung (§ 657). Eine Auslobung liegt etwa dann vor, wenn ich per Zettelausschlag in der Nachbarschaft dem Finder meiner Katze 50 Euro verspreche, wenn er sie mir bringt. Allein darin liegt jedoch noch kein Schuldverhältnis: Die Aussetzung der Belohnung hat noch keine enge Beziehung zwischen zwei konkreten Personen geschaffen – jeder, der die Katze findet und mir bringt, kommt in Betracht. Das ändert sich erst, wenn der Erfolg eingetreten oder die Handlung ausgeführt ist: Dann ist zwischen der ausführenden Person und der die Belohnung aussetzenden Person ein Schuldverhältnis entstanden. СКАЧАТЬ