Название: Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz
Автор: Eva-Maria Kremer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406292
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Bei der Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand durch den Vorsitzenden des Gerichts des ersten Rechtszuges gemäß § 169 VwGO findet § 2 keine Anwendung. Denn nur die Ausführung der Vollstreckung durch den Gerichtsvorsitzenden richtet sich nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz. Die materielle Voraussetzung dafür, wer also hier Vollstreckungsschuldner ist, bestimmt ausschließlich der nach § 168 Abs. 1 VwGO zu vollstreckende Titel (Bader § 169 Rn. 2; Redeker/von Oertzen, § 169 Rn. 7). Dort ist der Schuldner speziell bezeichnet.
1. Der Selbstschuldner
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Vollstreckungsschuldner ist nach Absatz 1 Buchst. a zunächst der Selbstschuldner. Er schuldet eine Leistung als persönliche Schuld. Das gilt auch für den Fall einer Pfändungsverfügung nach § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 309 Abs. 1 S. 1 AO (vgl. VG Mainz B 21.4.2010 – 3 L 233/10, juris = NVwZ-RR 2010, 631). Selbstschuldner kann auch eine Personenmehrheit, etwa eine Wohnungseigentümergemeinschaft, sein (OVG Lüneburg B 1.7.2010 – 9 ME 15/10, juris = ZWE 2010, 426, DVBl. 2010, 1060 L). Außer dem ursprünglichen Schuldner ist auch der Gesamtrechtsnachfolger Selbstschuldner, zum Beispiel bei Verschmelzung von Gesellschaften und bei Erbfolge (vgl. § 45 AO).
Nach § 45 Abs. 1 S. 2 AO gilt das jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder. Denn diese sind höchstpersönlicher Natur. Hier besteht die gleiche Rechtslage wie bei Geldbußen (§ 101 OWiG).
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Der Erbe ist gemäß § 1922 BGB Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Er ist Selbstschuldner und nicht Haftungsschuldner nach Absatz 1 Buchst. b. Eine Nachlassverbindlichkeit gemäß § 1967 BGB ist eine persönliche Schuld des Erben. Infolgedessen kann er nicht für die Leistung, die ein anderer schuldet, haften: Der verstorbene Rechtsvorgänger schuldet nichts mehr.
Beispiele für Nachlassverbindlichkeiten:
– | BVerwG U 18.9.1981 – 8 C 72/80, juris = BVerwGE 64, 105. |
– | BVerwG U 9.1.1963 – 5 C 74/62, juris = BVerwGE 15, 234. |
– | BSG U 17.12.1965 – 8 RV 749/64, juris = BSGE 24, 190. |
– | Zahlungsverpflichtung des Erben gemäß § 12 Abs. 4 des Bundesbesoldungsgesetzes. |
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Ebenfalls Selbstschuldner ist der Sicherungseigentümer (vgl. BVerwG U 16.7.1968 – 1 C 5/68, juris L, DÖV 1969, 471).
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Selbstschuldner können auch Gesamtschuldner sein. Das Wesen der Gesamtschuld ergibt sich aus § 421 BGB: Mehrere schulden eine Leistung in der Weise, dass jeder verpflichtet ist, die ganze Leistung zu bewirken. Aber der Gläubiger darf die Leistung nur einmal fordern (BVerwG B 4.10.2010 – 3 B 17/10, juris, NVwZ-RR 2011, 45). Der Gläubiger kann die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder teilweise fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet. Für die Gesamtschuld im Steuerrecht gilt § 44 AO.
§ 421 BGB ist eine allgemein gültige Rechtsgrundlage der selbstschuldnerischen Haftung. Hierbei haben in der Verwaltungsvollstreckung an die Stelle der Worte „nach seinem Belieben“ sinngemäß die Worte „nach seinem Ermessen“ zu treten. Maßstab der Ermessensbildung haben die Zweckmäßigkeit und die Billigkeit zu sein (BVerfG U 29.9.1982 – 8 C 138/81, juris Rn. 21 = NVwZ 1983, 222 (223)).
Beispiele:
– | Mehrere Wohnungsinhaber für Fehlbelegungsabgabe (BVerwG U 22.1.1993 – 8 C 57/91, juris = NJW 1993, 1667. |
– | Erben gemäß § 2058 BGB (VGH München U 19.7.1976 – 219 VI 74, juris L, BayVBl. 1976, 756). |
– | Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft für Ausgleichsbetrag nach § 154 BauGB (VG Koblenz B 16.12.1993 – 8 L 4832/93, juris = NVwZ-RR 1994, 637). |
– | Mehrere Gesellschafter für die offene Handelsgesellschaft (OVG Münster U 18.9.1974 – 2 B 508/74, juris = OVGE Münster 50, 54 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW). |
– | Mehrere Grundstückseigentümer für Schornsteinfegergebühren (BVerwG U 21.10.1994 – 8 C 11/93, juris = NVwZ-RR 1995, 305). |
– | Wohnungseigentümergemeinschaft für Grundbesitzabgaben (BVerwG B 11.11.2005 – 10 B 65/05, juris = NJW 2006, 791; VGH Mannheim U 26.9.2008 – 2 S 1500/06, juris = NJW 2009, 1017; BGH U 18.6.2009 – VII ZR 196/08, juris = BGHZ 181, 304; BGH U 11.5.2010 – IX ZR 127/09, juris = NZM 2010, 672). |
– | Ehegatten für Straßenreinigungsgebühren (BVerwG B 25.3.1996 – 8 B 48/96, juris = NVwZ-RR 1997, 248). |
– | Mehrere Veranlasser der Gefahr für das Grundwasser auf einem ehemaligen Tankstellengrundstück (VGH München U 15.3.1999 – 22 B 95.2164, juris = NVwZ 2000, 450). |
– | Miteigentümer für Grundbesitzabgaben (OVG Münster B 27.2.2001 – 9 B 157/01 –, juris = NVwZ-RR 2001, 596; OVG Münster U 15.12.1995 – 9 A 3413/95, juris = NVwZ-RR 1997, 121). |
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Selbstschuldner, die als Gesamtschuldner haften, werden nach öffentlichem Recht in Anspruch genommen. Denn das Verwaltungsvollstreckungsverfahren ist von hoheitlicher Natur. Vollstreckungsgrundlage kann zum Beispiel ein Leistungsbescheid sein, der auf Grund einer Gemeindesatzung über die gesamtschuldnerische Haftung von Eltern für Gebühren erlassen wird, die wegen der Benutzung einer Kindertagesstätte durch ihr Kind fällig werden. Dieser Anspruch der Behörde ist vom bürgerlichen Recht unabhängig. Daher ist ein Elternteil auch dann Schuldner der Behörde, wenn er gleichzeitig Unterhalt für sein Kind zahlt (VG Braunschweig U 21.2.2005 – 5 A 319/04, juris Rn. 13 = NJW 2005, 2170 (2171)).
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