Название: Beweisantragsrecht
Автор: Winfried Hassemer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811448209
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Der Verteidiger wird die Antwort auf diese Fragen dann nicht gleich im Schriftsatz mitteilen, wenn das Wissen des Zeugen um die Tatsache seiner Benennung durch den Beschuldigten (oder „seinen“ Anwalt) dessen Wahrheitsliebe beeinträchtigen könnte. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass jener Nachbar Fritz Schulze derjenige ist, der in einer Wirtshausschlägerei den ersten Schlag geführt hat, dass jedoch der Mandant befürchtet, jede auch nur andeutungsweise von ihm in den Prozess eingebrachte Beschuldigung gegen diesen Nachbarn werde ihn aus Rache dazu bringen, mit einer wahrheitswidrigen Aussage alles auf den Angeklagten zu schieben, während eine von Erwartungen freie Vernehmung des sensiblen Herrn Schulze dazu führen kann, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch macht. Daraus dürfen dann für den Angeklagten günstige Schlüsse gezogen werden.[11]
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Die informatorische Aktualisierung der richterlichen Aufklärungspflicht ohne formelles Petitum kann mit informellen Erklärungen und Erläuterungen verbunden werden. Bewährt hat sich in solchen Fällen das Gespräch mit dem Gerichtsvorsitzenden und dem Staatsanwalt mit der „internen Offenlegung“ der Gründe für dieses Vorgehen.
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Beispiel:
„Herr/Frau … (Mandant(-in)) befürchtet, dass der Zeuge … ihm übel nehmen wird, wenn er erfährt, dass wir ihn benannt haben. Möglicherweise kommt man ja auch ohne ihn aus. Aber das möchte ich gerne dem Gericht überlassen…“
In Fällen, in denen es dem Verteidiger nicht darum geht, schon in der ersten Instanz nur Revisionsgründe zu sammeln, hat diese Verfahrensweise den Vorzug, dass er als ein Verhandlungspartner akzeptiert wird, der auf „Fallenstellerei“ verzichtet und gleichwohl stets die Interessen seines Mandanten im Auge hat.
Anmerkungen
So in BGHSt 3, 169, 175; 10, 116; 23, 176, 187; 46, 73, 79 = NJW 2000, 2517; s. auch Alsberg/Dallmeyer Rn. 42 m.z.w.N.; Maul Festschrift für Karl Peters II, 1980, S. 47 ff.
Mit Recht kritisch insoweit KK-Herdegen 5. Aufl., § 244 Rn. 21; anders nunmehr: KK-Krehl § 244 Rn. 33.
Vgl. BGH NStZ 1991, 399; BGH NStZ, 1990, 384; BGH StV 1989, 518, 519. Einschränkend: Widmaier NStZ 1994, 248; vgl. zum Diskussionsstand auch Schulenburg Das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Strafprozess, S. 56 ff.
KK-Krehl § 244 Rn. 33 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1994, 1294, 1295.
BGH Urt. v. 21.7.2016 – 2 StR 383/15 = StV 2017, 502; BGH Urt. v. 9.10.2014 – 4 StR 208/14 = NStZ 2015, 36; BGH Urt. v. 9.12.2008 – 5 StR 412/08 = NStZ 2009, 468, BGH 1 StR 175/96 = NStZ-RR 1996, 299. Vgl. ergänzend ferner BGH Urt. v. 23.6.2004 – 2 StR 491/03 = NStZ 2005, 44 und BGH Beschl. v. 18.1.2011 – 1 StR 663/10 = BGHSt 56, 138, 144.
BGH Urt. v. 21.7.2016 – 2 StR 383/15 = StV 2017, 502; BGH Urt. v. 9.10.2014 – 4 StR 208/14 = NStZ 2015, 36; BGH Beschl. v. 19.3.2013 – 5 StR 79/13 = NStZ 2013, 725; BGH Beschl. v. 25.2.2003 – 4 StR 499/02 = NStZ-RR 2003, 205 = StV 2003, 429.
Vgl. KK-Krehl § 244 Rn. 32 m.w.N.; Alsberg/Dallmeyer Rn. 43; LR-Becker § 244 Rn. 50; vgl. auch BGHSt 34, 209, 210 = NJW 1987, 660.
BGH Urt. v. 29.10.2010 – 1 StR 266/10 = BGHSt 56, 6, 10 = NJW 2011, 547 = StraFo 2011, 96; BGH StV 1981, 164 = MDR 1981, 455 (bei Holtz); Alsberg/Dallmeyer Rn. 43; MüKo-StPO/Trüg/Habetha § 244 Rn. 58 f.
Vgl. BGH Urt. v. 25.3.2010 – 4 StR 522/09 = NStZ-RR 2010, 236, 237; BGH Urt. v. 21.4.2005 – 3 StR 68/05 = NStZ 2006, 55 (Verpflichtung zur Vernehmung einer Zeugin nach Rücknahme des Beweisantrages durch die StA); BGH 4 StR 70/93 = BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 5; BGH StV 1983, 495.
Alsberg/Dallmeyer Rn. 44; Weber GA 1975, 289, 293; vgl. auch BGHSt 50, 40, 48.
BGH StV 1984, 233; Meyer-Goßner/Schmitt § 261 Rn. 20; vgl. auch MüKo-StPO/Maier § 55 Rn. 84.
Teil 2 Die Stufen der petitativen Einflussnahme auf den Umfang der Beweisaufnahme › II. Beweisanregung
II. Beweisanregung
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Eine Beweisanregung im weiteren Sinne besteht in der – gesetzlich nicht formulierten, aber zulässigen – Möglichkeit des Verteidigers, die Aufklärungspflicht des Gerichts dadurch zu beeinflussen, dass er eine Information aktenkundig macht.
Die Beweisanregung ist kein prozessualer Antrag, sie enthält nicht das formalisierte Begehren einer bestimmten Beweiserhebung[1]. Teilt der Verteidiger dem Gericht lediglich mit, es gebe für einen bestimmten Vorfall noch einen bestimmten Zeugen, oder legt er mit dem Hinweis auf eine bestimmte beweisrelevante Passage eine Urkunde vor, so enthält dies regelmäßig nicht die Aussage, die Erhebung des Beweises sei notwendig und das förmliche Petitum an das Gericht, das benannte Beweismittel auch zu nutzen. Wo eine solche Aufforderung fehlt, etwa weil die Beweiserhebung „anheim gestellt“ wird, fehlt es an dem für den eigentlichen Beweisantrag charakteristischen Ansinnen an das Gericht, eine bestimmte Beweiserhebung auch durchzuführen.
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Beweisanregungen bringen im Gegensatz zur schlichten Informationsweitergabe durchaus schon zum Ausdruck, dass der Verteidiger die Beweiserhebung unter gewissen Voraussetzungen für erforderlich hält. Der „Wunsch“, den Beweis zu erheben, wird aber sozusagen halbherzig vorgebracht. Dafür kann es aus der Verfahrenssituation heraus Gründe geben, die der Verteidiger offen legen kann, um zu erreichen, dass die rechtlichen oder tatsächlichen СКАЧАТЬ