Einführung Somatoforme Störungen, Somatische Belastungsstörungen. Annabel Herzog
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СКАЧАТЬ gelitten zu haben. Diese sind dann aber irgendwann zum Glück von selbst wieder verschwunden. In ihrer Familie gibt es keine bekannten schwerwiegenden Erkrankungen. Darüber ist sie sehr froh, vor allem, da die Mutter ihres Mannes vor einigen Monaten an Darmkrebs verstorben ist. Das war für die ganze Familie eine sehr belastende Zeit, die viel Kraft gekostet hat.

      Frau L. wurde von ihrer Hausärztin gründlich körperlich untersucht, um ihren allgemeinen Gesundheitszustand zu überprüfen und mögliche Ursachen für die Bauchschmerzen zu finden. Sie hat einige Labortests angeordnet (insbesondere auch Schilddrüsenwerte, Rheumafaktoren und Entzündungswerte) und Frau L. auch zu weiteren Fachärztinnen und Fachärzten überwiesen. Frau L. war in den letzten Wochen sowohl bei einem Gastroenterologen, als auch bei einem Orthopäden, einem Rheumatologen, einer Neurologin und einer Gynäkologin. Eine Ultraschalluntersuchung des Bauches blieb genau wie die Darmspiegelung und das MRT von Bauch, Halswirbelsäule und Kopf ohne auffällige Befunde. Frau K. hat ihr alle Untersuchungsergebnisse sorgfältig erklärt, sodass Frau L. sich beruhigt fühlt. Zum Glück ist es keine gefährliche oder lebensbedrohliche Krankheit.

      Die Hausärztin hat Frau L. schließlich gebeten, ein Protokoll ihrer Bauschmerzen zu führen und auch alles zu notieren, was damit zusammenhängen könnte. Einen Zusammenhang mit dem Essen konnte Frau L. nicht feststellen und auch keine anderen Hinweise für mögliche Auslöser. Bei Fencheltee hat sie manchmal das Gefühl, dass er helfen kann. Frau L. hat beim Protokollschreiben gemerkt, dass sie insgesamt sehr mit ihren Symptomen beschäftigt ist. Sie hat eigentlich ständig Angst, dass es bald wieder damit losgehen könnte und sie ihre Pläne für den Tag dann wieder mal vergessen kann. Mittlerweile fühlt sie sich deutlich belastet. Sie hat das Gefühl, gar nicht mehr die Alte zu sein. Und auch ihr Mann kann bestätigen, dass sie sich sehr verändert hat. Er findet, sie sei nicht mehr so gut drauf wie früher. Auch zu ihrem gemeinsamen Hobby, dem Rennradfahren, lässt sie sich selbst bei gutem Wetter kaum noch überreden. Frau L. merkt, dass sich ihre Stimmung in den letzten Monaten deutlich verschlechtert hat; sie fühlt sich irgendwie oft traurig und manchmal fast schon verzweifelt.

      Zu ihrer Hausärztin geht Frau L. weiterhin regelmäßig, um den Verlauf der Symptome weiter zu beobachten. Frau K. möchte aber auch mit ihr nach möglichen anderen Ursachen für ihre Schmerzen suchen. Sie hat sie zum Beispiel auch nach Belastungen in ihrem Alltag gefragt. Frau L. findet ihren Beruf als Lehrerin durchaus oft anstrengend, vor allem, seit sie diese neue schwierige Klasse übernehmen musste, in der sie sich irgendwie nicht richtig als Respektsperson akzeptiert fühlt. Außerdem macht sie natürlich viele Überstunden. Es finden ja ständig Elterngespräche statt, und sie möchte sich auch immer gut auf ihren Unterricht vorbereiten. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit für das Privatleben. Dabei wollte sie ja eigentlich auch selbst mal gerne Kinder haben. Frau L. glaubt eigentlich nicht, dass ihre Bauchschmerzen von diesem ganzen Stress kommen, denn auch bei anderen Menschen ist ja viel los und die haben ja auch nicht immer Bauchschmerzen. Frau K. nimmt diese möglichen Hintergründe der Bauchschmerzen aber ernst und rät Frau L. dazu, sich Unterstützung in einer ambulanten Psychotherapie zu suchen, die bei der Bewältigung von unklaren Körperbeschwerden sehr hilfreich sein kann. Frau L. ist etwas skeptisch, aber sie möchte eigentlich nichts unversucht lassen. Bis sich grundlegend etwas an den Schmerzen geändert hat, möchte sie auf jeden Fall lernen, mit den Beschwerden im Alltag besser umzugehen. Sie möchte den Schmerzen nicht mehr so viel Raum geben. Frau K. sagt, man könne auch zusätzlich über ein Antidepressivum nachdenken, Frau L. möchte es aber erstmal ohne versuchen.

      Drei Monate später hat Frau L. bereits mehrere Sitzungen Psychotherapie absolviert. Frau L. hat festgestellt, dass ihre Stimmung sich bereits deutlich gebessert hat und sogar auch die Häufigkeit und Schwere ihrer Bauchschmerzen etwas zurückgegangen sind. Obwohl die Schmerzen nicht weg sind, scheinen sie besser zu bewältigen zu sein. Frau L. unternimmt auch schon wieder mehr mit Freunden und ihrem Mann. Ihre Hausärztin sieht sie regelmäßig, alle vier Wochen, um Fortschritte zu besprechen und zu überprüfen, ob neue Beschwerden oder Veränderungen im Charakter ihrer Bauchschmerzen auftreten. Frau L. hat allmählich das Gefühl, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren.

      1.1.2 Klinische Relevanz

Anhaltende Körperbeschwerden sind häufig. Der Begriff bezeichnet subjektiv belastende körperliche Symptome, die unabhängig von ihrer Verursachung mindestens über einen Zeitraum von mehreren Monaten bestehen und dabei an den meisten Tagen vorhanden sind (WHO 2018).images

      Anhaltende Körperbeschwerden

      ■Oberbegriff für subjektiv belastende somatische Symptome

      ■unabhängig von Ätiologie (≠ Psychogenese)

      ■über längeren Zeitraum anhaltend (mehrere Monate)

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      Abb. 1.1: Häufige Beschwerden in der Hausarztpraxis

      Lebensqualität, Funktionalität deutlich beeinträchtigt

      Unabhängig von ihrer Verursachung beeinträchtigt diese Art von Symptomen die Lebensqualität und Funktionalität vieler Patientinnen und Patienten erheblich (Klaus et al. 2013; Joustra et al. 2015). In der Hausarztpraxis häufig berichtete Beschwerden finden sich in Abb. 1.1.

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      Beispiele für typische Beschwerden in spezialisierten Facharztpraxen

      Gastroenterologie:

      Schluckbeschwerden, Erbrechen, Sodbrennen, Husten, Schmerzen hinter dem Brustbein, Druckgefühl im Oberbauch, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Druckschmerz im Magenbereich, Stuhlunregelmäßigkeiten wie Durchfall oder Verstopfung, Schmerzen bzw. Krämpfe im Bauchbereich, Blähungen

      Kardiologie:

      Schlafstörungen, Ohrensausen, Ohrgeräusche (Tinnitus), Kopfschmerzen, Schwindel, Hitzewallungen, Atemnot, Brustschmerzen, Engegefühl in der Brust

      Urologie:

      Schmerzen bei der Blasenentleerung, Harnzwang, Harndrang, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr

      Neurologie:

      Schwindel, Zittern, Taubheitsgefühle, Lähmungen, Sehstörungen, einschlafende Gliedmaßen, Erschöpfung

      häufige körperliche Beschwerden

      Umfragen in der deutschen Allgemeinbevölkerung bestätigen, dass bis zu 80 % der Menschen im vergangenen Monat zumindest leicht durch Körperbeschwerden beeinträchtigt waren (Hinz et al. 2017; Abb. 1.2). Die Beschwerden stehen dabei manchmal im Zusammenhang mit einem psychischen Faktor (wie z. B. Kopfschmerzen bei Ärger) oder einem körperlichen Faktor (wie z. B. Rückenschmerzen nach langem Stehen), häufig bleibt der Zusammenhang auch vollkommen unklar (Känel et al. 2016).

      Während СКАЧАТЬ