Der Bienenleser. José Luis de Juan
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Название: Der Bienenleser

Автор: José Luis de Juan

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Alltagshelden

isbn: 9783949558023

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СКАЧАТЬ die Stöcke verlassen, begierig, ihre Aufgabe zu erfüllen, und nur ganz wenige, obendrein kraft- und saftlose Blüten vorfinden, in die sie ihre langen Rüssel tauchen können? Eine Rebellion mit schwerwiegenden Folgen würde ausbrechen. Larven, Puppen, Drohnen, Arbeiterinnen und Königinnen würden zu Tausenden, ja Hunderttausenden sterben. Dezimiert wie seine Truppen zwischen Smolensk und der Moskwa. Wie nur hatte er nicht voraussehen können, dass das Gras der russischen Steppen zu grün für die Pferde aus Schlesien war und es in Kowno nicht genug Mühlen gab, um das Korn für die Truppe zu mahlen?

      — Es gibt selten Unruhen auf Elba. Von Zeit zu Zeit geringfügige Diebstähle. Hühner, Arbeitsgerät, Mandeln. Der Polizeipräfekt hat eine Handbewegung des Kaisers als Aufforderung zum Weitersprechen gedeutet. Erleichtert atmen die übrigen auf, das Schweigen lastet schon unangenehm.

      — Manchmal suchen betrunkene Seeleute, meist Engländer, am Kai von Porto Ferraio Streit, aber meine Agenten reichen aus, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.

      Bonaparte war aufgestanden, um aus dem Fenster zu schauen, und macht jetzt abrupt kehrt, mit drei großen Schritten ist er bei seinem Sessel. Er stützt sich auf dem Tisch ab, und sein strenger Blick schweift über die Gesichter der eingeschüchterten Runde, als wolle er jeden einzeln durchleuchten und erfassen.

      — Sorgen Sie dafür, dass wir in diesem Jahr Honig im Überfluss haben.

       6

      Pasolini ringt mit sich. Er sehnt Bonapartes Besuch herbei und zugleich fürchtet er ihn. Er weiß, dass sich des Kaisers Begeisterung für administrative Belange in den drei Monaten seit seiner Ankunft erschöpft hat. Jetzt hat er mehr als genug Zeit, um sich anspruchsvolleren Fragen zu widmen, wie zum Beispiel den Nachrichten aus Paris, St. Petersburg oder Wien, Zeit, um seine daraus folgende Situation einzuschätzen, Strategien zu entwerfen, Pläne zu schmieden, Briefe zu schreiben und zu beantworten.

      Auch wenn der Kaiser das nicht weiß, ihm bleiben noch sechs Monate bis zum neuerlichen Aufbruch von Elba. Wenn es jemals in seinem Leben eine Phase gegeben hat, in der es ihm möglich war zu entspannen, ein paar Stunden des Tages mit Tätigkeiten zu vergeuden, die nichts mit seiner erstaunlichen Berufung zum Staatsmann zu tun hatten, dann in jenem Sommer auf Elba.

      Aber entfernt der Besuch bei den Bienenstöcken ihn tatsächlich von seiner Arbeit als Stratege?

      Andrea Pasolini erinnert sich an die Bienentraube von Marengo. Er stellt sich die Tausenden kampfeslustiger Soldaten vor, wie sie auf das Startsignal für die endgültige Offensive warteten, und Bonaparte zu Pferde, ungerührt vom angehaltenen Atem seiner Armee, vertieft in das Hin und Her der Bienen, ihren beunruhigenden Flügelschlag, während der Schwarm sich rund um die Königin sammelte, die bald den Marschbefehl geben würde. Seit jenem Tag, an dem er von der Verbindung zwischen Bonaparte und den Bienen erfahren hat, gab es für Andrea Pasolini eine neue Ausflucht aus seinem Imkeralltag. Er durchstöberte die Hinterzimmer der Buchhändler von Pisa, Lucca und Florenz, ergatterte auch noch das unbedeutendste Opuskulum, das irgendein spezifisches Detail über den Ersten Konsul, vor allem über die privaten, verschwiegenen Dinge zu berichten wusste. Für das Allgemeine, die politischen und militärischen Heldentaten, gab es die offiziellen Verlautbarungen, und die waren ihm nur allzu bekannt. Pasolini studierte die Fachleute für Napoleon, ermüdete seine Augen mit faden Memoiren und Echos vom Hof, schrieb an Imker in Versailles und Paris. Einige wenige hatten von N.s Faszination für die Bienen gehört, doch konnten sie nichts weiter beisteuern außer ein paar Anekdoten zweifelhaften Wahrheitsgehalts.

      Eines Tages wagte Pasolini es, an Napoleon selbst zu schreiben, der damals gerade in Wien weilte. Natürlich bekam er keine Antwort. Monate später jedoch erreichte ihn ein mit dem kaiserlichen Siegel verschlossenes Paket. Darin ein Gefäß aus feinem böhmischem Glas mit bernsteinfarbenem, flüssigem Honig. Auf dem Etikett stand Ajaccio, 1800.

      Ob Bonaparte sich wohl noch an jene einzelne Geste von vor über vierzehn Jahren erinnerte, wie er sie damals in dem dichten Gewebe von Gefälligkeiten und Pfründen an jedem erschöpfenden Palasttag mit schneller Hand erledigte?

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