Klingen, um in sich zu wohnen 1. Udo Baer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Klingen, um in sich zu wohnen 1 - Udo Baer страница 10

Название: Klingen, um in sich zu wohnen 1

Автор: Udo Baer

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783934933453

isbn:

СКАЧАТЬ Stelle beschrieben haben (s. Kap. 12).

      Dann bitten wir:

      „Nehmt euch einige Minuten Zeit und probiert, eure eigene, ganz persönliche Stimme erklingen zu lassen. Ganz gleich, ob ihr eine Liedzeile singt oder Lalala – sucht den Klang, der jetzt eurer Persönlichkeit und eurem aktuellen Empfinden entspricht.“ Wenn KlientInnen die eigene Stimme ertönen lassen, fragen wir fast immer: „Wie hört sich deine eigene Stimme für dich an?“ Fast nie haben wir erlebt, dass die eigene Stimme selbstverständlich war, auch nicht bei geübten oder ausgebildeten SängerInnen. Immer war es aufregend, die eigene Stimme zu hören. Immer waren damit Wünsche verbunden, dass diese freier, lauter, leiser, kräftiger, verbundener oder sonst irgendwie anders werden solle. Immer, wenn KlientInnen aufmerksam ihrer eigenen Stimme lauschten, fanden sie darüber Zugänge zu wichtigen Aspekten des eigenen Erlebens. Da die Stimme klingender Atem ist und der Atem ein wunderbarer Zugang zum Wesentlichen des Erlebens eines Menschen, führt die Beschäftigung mit der eigenen Stimme immer auch zum Zentrum des aktuellen Erlebens.

      Als zweiten Schritt bieten wir, wenn dies gewünscht wird, Hilfestellungen und Unterstützung an, die eigene Stimme mehr zur Entfaltung zu bringen. Für die KlientIn kann die Vorstellung verbunden sein, lauter oder leiser, kraftvoller oder zarter zu werden – wie auch immer, es gibt kein Richtig und Falsch, kein Gut und Schlecht, nur ein mehr oder weniger „Eigen“.

      In diese Interventionen beziehen wir mehrere Komponenten ein, je nachdem, wie der Klient oder die Klientin das Erleben der eigenen Stimme beschreibt, welche Wünsche er oder sie äußert und welche Ideen sich aus unserer Wahrnehmung und Resonanz ergeben:

       Eine wichtige Komponente ist Bewegung. Manche KlientInnen sind es gewohnt, beim Ertönen der eigenen Stimme starr und steif zu werden. Für andere ist es so aufregend, die eigene Stimme hörbar zu machen, dass sie sich und ihre Stimme in der Aufregung festhalten und damit einzwängen. Wir schlagen dann z. B. vor: „Singe bitte die eigene Stimme noch einmal, aber remple dabei jemand anderen mit der Hüfte an.“ Oder: „Singe bitte noch einmal und geh’ währenddessen durch den Raum.“

       Manchmal wirken KlientInnen, wenn sie die eigene Stimme ertönen lassen, einsam oder strahlen aus, dass sie eine andere Umgebung oder einen sozialen Kontakt brauchen. Wir sprechen dies an und fragen danach. Wenn diese Vermutung bestätigt wird, schlagen wir vor, die soziale Komponente der eigenen Stimme zu ändern bzw. mehr zum Ausdruck zu bringen. Wir fordern zum Beispiel die Klientin oder den Klienten auf, den Therapeuten oder die Therapeutin oder ein Gruppenmitglied anzusingen. Manchmal gewinnt die Stimme dabei an Eigenheit, wenn sie von einem oder einer anderen stimmliche Resonanz erfährt und in einen stimmlichen Dialog geht. Einer Klientin schlugen wir vor, sich vier Personen aus einer Gruppe auszusuchen, die sich mit den Armen verschränkt hinter sie stellten und sich so als „Sofa“ anboten, in das sich die Klientin singend legen konnte. Andere wurden gebeten, die eigene Stimme zu singen und aus dem Singen heraus klangliche und/oder Bewegungs-Impulse zur Gruppe hin entstehen zu lassen. Manchmal reichte dann schon der bewusste Augenkontakt, ein Augenblinzeln oder Fingerschnippen, damit sich die Stimme entsprechend veränderte.

       Häufig arbeiten wir mit den Leibbewegungen (s. Kap. 3 und Kap. 20). Ein Klient veränderte seine eigene Stimme, indem er beim Ausatmen und Ertönenlassen des Atems kräftig auf den Boden auftrat und damit der Leibbewegung nach unten folgte. Eine anderen Klientin schickte ihre Stimme himmelwärts. Wieder andere brauchten rechts und links Unterstützung oder bedurften der Rückendeckung, indem sie sich an die Therapeutin anlehnten. Eine Klientin empfand z. B. eine Enge im Hals, die Therapeutin bot sich als ihr Katzenkratzbaum an, an dem sich die Klientin singend rieb. Es entstand ein Rücken-an-Rücken-Tanz, der Hals- und Schulterbereich lockerte und der eigenen Stimme zu freierer Entfaltung verhalf. Zu den Leibbewegungen gehört auch das Gerichtetsein. Ein Klient stand dem Therapeuten gegenüber, schickte die Stimme in seine Richtung. Diese verhallte aber im Umkreis von einem Meter um den Klienten herum. Sie war für den Therapeuten hörbar, erreichte ihn aber nicht in seinem Erleben. Als der Therapeut ihm dies sagte, konnte der Klient versuchen, die Stimme gezielter in Richtung des Therapeuten zu senden. Die Stimme wurde von ihm immer weiter geschickt, bis sie den Therapeuten erreichte, was dieser zurück meldete. In diesem Prozess wurde die Stimme voller und deutlicher, der Klient war hör- und erlebbar. Viele Menschen, deren Töne für die Umgebung früher nicht interessant waren, haben es sich angewöhnt, wenn sie schon ihre eigene Stimme ertönen lassen, dies nur für sich zu tun, ohne andere erreichen zu wollen oder zu können.

       Auch die Arbeit mit den primären Leibbewegungen Schauen, Tönen, Drücken, Lehnen und Greifen (s. Kap. 20.5) ist häufig sinnvoll. Die eigene Stimme kann sich verändern, kann z. B. voller oder herzhafter werden, wenn Menschen einen Gegenstand in die Hand nehmen oder nach einer anderen Person greifen. Das Sich-Anlehnen an andere haben wir schon erwähnt, auch den Blickkontakt, die Leibbewegung des Schauens.

       Das Erleben der eigenen Stimme hat immer auch räumliche Aspekte, greift in den Raum hinein, schafft Bedeutungen für Räume bzw. nutzt deren Bedeutungen. Wenn die eigene Stimme unsicher, irritiert oder verloren erklingt, kann es sinnvoll sein, mit der Klientin oder dem Klienten einen geschützten Raum zu schaffen, den sie zum Beispiel mit Decken, Kissen oder Seilen gestaltet. Anschließend kann der Therapeut oder die Therapeutin die Klientin oder den Klienten bitten, dort hinzugehen und noch einmal ihre eigene Stimme erklingen zu lassen. Sie wird sich verändern.

       Häufig werden in der Arbeit mit der eigenen Stimme Szenen lebendig. Wird z. B. eine Klientin gefragt, wo denn diese Stimme ertönen könnte, die sie gerade singt und hört, mag sie sagen „im Wohnzimmer“ oder „in der Disco“ oder „auf dem Wochenmarkt“ oder „im Konzert“ … Vielleicht auch: „hinter dem Vorhang in der Ecke“, wenn sie sich vor Menschen versteckt, die ihr Böses wollen. Häufig entstehen solche Szenen. Wenn sie bewusst werden, kann man sie aufgreifen und gegebenenfalls verändern. Manchmal schlagen wir als Therapeut oder Therapeutin auch Szenen vor: „Stell dir vor, du gehst mit deiner eigenen Stimme singend in einen Raum hinein, in dem du freudig erwartet wirst. Du kommst hinein und die Leute begrüßen dich, lächeln dir zu und beklatschen dich …“ Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

       Die Szenen, die beim Singen der eigenen Stimme im Erleben der KlientInnen lebendig werden, stehen häufig im Bezug zu ihrer eigenen Geschichte. Bei Menschen, die im Ausland leben oder ihre eigenen Dialekte verloren haben, ist es häufig einen Versuch wert, die eigene Stimme in der Muttersprache, in der Sprache der Zeit, als ihre eigene Stimme zum ersten Mal als Säugling und Kleinkind erklang, singen zu lassen. Manchmal fühlen sich KlientInnen wie ein kleiner Junge oder wie ein junges Mädchen. Wenn sie ihre eigene Stimme singen, ist es hilfreich zu fragen: „Was hast du in dieser Zeit gern getan?“ oder „Was haben Sie damals beim Spielen gesungen?“, um dann im Sinne der Biografiearbeit diese Szene wieder auferstehen zu lassen. Der eigenen Stimme kann so eine Chance gegeben werden, wieder an das Alter der Jugend oder der Kindheit anzuknüpfen, nachdem sie verstummt ist oder zum Verstummen gebracht wurde.

       Auch eine örtliche Veränderung kann Teil eines Szenenwechsels sein. Wir schlagen z. B. vor: „Bitte lassen Sie Ihre eigene Stimme noch einmal ertönen, aber diesmal, indem Sie auf einem Stuhl stehen.“ Und schon ändern sich die Szene und das Erleben der Klientin oder des Klienten. Solche Vorschläge brauchen, wie die Stimmarbeit überhaupt, einen vertrauensvollen Boden.

       Auch körperliche Veränderungen können die eigene Stimme prägnanter, „eigener“ werden lassen. Wir schlagen z. B. vor, die Beine etwas weiter auseinander zu stellen oder die Schultern mehr zurückzunehmen. Wir fragen, ob wir beim nächsten Durchgang eine Hand auf den Nacken legen dürfen oder schlagen ähnliche Berührungen bzw. körperliche Veränderungen vor.

      Da die Arbeit an der eigenen Stimme so nachhaltig wirkt, möchten wir Ihnen noch drei Situationen aus einer Gruppenarbeit mit therapeutischen Interventionen, die mehrere der genannten Aspekte beinhalten, СКАЧАТЬ