Название: Achtsamkeitscoaching
Автор: Günther Mohr
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
Серия: EHP-Praxis
isbn: 9783897975743
isbn:
Transgenerationale Aufmerksamkeit
Aus der eigenen Sippe, der Kultur, der Familie übernommene Aufträge im Leben, Archetypen, Bezug zu früheren Generationen und nachfolgenden, Kindern, Enkeln, …
Die nächste Aufmerksamkeitsebene geht über das eigene Ich hinaus, ich nenne sie die transgenerationale Ebene. Sie enthüllt sich einem Menschen erst bewusst, wenn er sich aktiv mit ihr beschäftigt. Das Interesse, die Achtsamkeit für diese Ebene kommt den meisten erst in der zweiten Lebenshälfte. Natürlich ist sie von Anfang an virulent, weil die Eltern und andere Familienangehörige sie verkörpern und vermitteln. Sie ist aber meist unterschwellig von Beginn an wirksam. Sie besteht aus Impulsen und tieferen Prägungselementen aus der eigenen Familie, der Sippe (Weber 1993), dem Milieu (Schmid 2011) und der Kultur, wie die indische Wissenschaftlerin Pearl Drego und der italienische Arzt Marco Mazzetti belegen (Drego 2005; Mazzetti 2010). Selbst wenn Menschen sich von ihrer Familie abwenden und deren Werte ablehnen, ist diese mehrgenerationale Ebene vorhanden. Die Ergebnisse der modernen Familienforschung zeigen dies. Die Therapeuten Iván Boszormenyi-Nagy und Geraldine Spark (1973) nehmen eine Art »Hauptbuch der Familie« an, in dem durch Unrecht und Nichtbeachtung immer wieder buchhalterisch offene Posten entstehen, die von späteren Generationen ausgeglichen werden. Der Psychiater Helm Stierlin (1978) prägte die Vorstellung der »Delegate« in den Familien, der emotionalen Vermächtnisse, die über die Generationen weitergegeben werden. Der wegen seiner wenig einfühlsamen Ansprachen umstrittene Familientherapeut Bert Hellinger (2003) und seine Schüler konnten eindrucksvoll die Kraft des Mehrgenerationalen zeigen. Jeder Mensch besitzt ein tiefes Bewusstsein über Familiensysteme, das sich in der teilhabenden Beobachtung in den Familienaufstellungen beweist. Die Mexikanerin Gloria Noriega (2004) belegte die psychische Wirksamkeit der Themen der vorvorgehenden Generation in ihren Studien. In asiatischen Ländern wird dieses Bewusstsein noch um ein weiteres Element ergänzt, das über Familie, Sippe und Kultur hinausgeht, den Glauben an die Reinkarnation (Lama Govinda 2007; Ricard 2007). Reinkarnation ist etwa in Indien ein ganz selbstverständlicher Bestandteil des kollektiven und individuellen Bewusstseins. Konfrontiert mit den Zweifeln der westlichen Welt findet Tendzin Gyatsho, der 14. Dalai Lama, allerdings genauso viele Belege für die Reinkarnation wie er Argumente gegen die Existenz dieses Phänomens sieht (Tendzin Gyatsho, 14. Dalai Lama, 2009).
Nonduale Aufmerksamkeit
Erfahren der Verbindung von Allem, Erfahren der Einheit von Allem, Erfahren der »Leerheit« aller Formen, …
Die oberste Treppenstufe ist die nonduale Aufmerksamkeit. Nondual heißt »nicht zwei« und ist die Aufmerksamkeitsstufe, in der man die Welt stimmig, integriert, nicht mehr in irgendwelche Kategorien getrennt erlebt. Sie zeigt sich den Menschen auf sehr unterschiedlichen Wegen, manchmal in der Meditation, aber auch in der Tiefenentspannung, nach intensiver körperlicher Betätigung, durch Musik, durch die Wirkung einer Landschaft oder eines Gebäudes, aber auch in mancher Alltagsversunkenheit in einem Tagtraum oder im Gebet. Normalerweise führen die Menschen die nonduale Aufmerksamkeit auf das Äußere zurück. Es ist aber nicht das Äußere, sondern das, was in dem Moment innen zur Resonanz kommt. Der Begriff »nondual« vermeidet das Wort »spirituell«, das explizit oder implizit mit bestimmten Religionsvorstellungen assoziiert wird. Denn es geht um eine erfahrbare Ebene und nicht um die Glaubens- (= Denk-) Konstrukte von Religionen. Sicher bemühen sich die mystischen Richtungen aller Religionen, genau diese Ebene zu trainieren. Der Weisheitslehrer Willigis Jäger sieht im Nondualen den übergreifenden, essenziellen Bezug zum großen Ganzen, den alle Weisheitslehren und Religionen auch enthalten. Er unterscheidet dies aber deutlich von den beiden anderen Ebenen der Religion, der um Emotion bemühten Volksreligion sowie der im Denken verwurzelten Theologie und Theodizee (Jäger 2005). So zeigt die nonduale Erfahrungsebene das, worum sich alle Weisheitslehren bemüht haben: diejenigen, die auf einem Gott aufbauen, die, die ohne ihn auskommen und sogar die, für die er tot ist (z. B. Nietzsche), was aber hieße, dass er schon mal gelebt haben müsste. Pragmatisch kann man im erfahrbaren Teil des Nondualen auch die Verbindung zum Strom des Lebens insgesamt sehen, wie ich es in »Coaching und Selbstcoaching« (Mohr 2008) beschrieben habe. Ohne die Einbeziehung der nondualen Aufmerksamkeit gibt es keine Achtsamkeit und keine innere Ruhe. Diese Ebene ist aber zugegebenermaßen nicht so leicht zu beschreiben, weil sie jenseits der Formenwahrnehmung liegt und eher durch längere Übung – etwa in der Meditation – zum Vorschein kommt. Jede Beschreibung stellt bereits eine Form dar, lässt ein inneres Bild entstehen. Sie zeigt sich auch im Alltagsleben, wenn auch nicht laut, sondern eher als zarte Regung und wird dadurch oft nicht bemerkt.
2. Achtsamkeit – Was sie ist und was sie nicht ist
Achtsamkeit ist keine bloße Verlängerung oder Vertiefung der Sinneswahrnehmung, wie sie in zahlreichen Übungen trainiert werden kann. Sie umfasst mehr. »Mindfulness«, wie Achtsamkeit im Englischen heißt, bedeutet, mit dem ganzen Geist (»Mind«) etwas zu erfassen. Dies betrifft das Wesen einer Person, ihre Eigenart, ihren Genius, die oft überhaupt nicht auf der Hand liegen. Insofern ist Achtsam-Werden eine sehr individuelle und für jeden Einzelnen spezifische Aufgabe.
Achtsamkeit
Für Achtsamkeit findet man verschiedene Definitionen. Der Erfinder des MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction), John Kabat Zinn, nennt sie
»offenes, nichturteilendes Gewahrsein von Augenblick zu Augenblick« (Kabat-Zinn 2006, S.35, zit. nach Weiss et al. 2010)
Die »rechte Achtsamkeit« im buddhistischen »edlen achtfachen Pfad« lässt sich nach Auffassung von Weiss et al. (2010) sehen als
»das aufmerksame und unvoreingenommene Beobachten aller Phänomene, um sie wahrzunehmen und zu erfahren, wie sie in Wirklichkeit sind, ohne sie emotional oder intellektuell zu verzerren« (Sole-Leris 1994, S. 26, zit. nach Weis et al. 2010)
Weiss et al. unterscheiden einige Komponenten von Achtsamkeit:
1. Verbunden mit einem bestimmten Modus des Seins
– | Rezeptives Beobachten und Gewahrsein. Innere und äußere Reize werden bewusst bemerkt und wahrgenommen |
– | Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment |
– | Automatische Reaktionen auf innere und äußere Erfahrungen werden unterlassen, im Gegensatz zum »Autopilotenmodus« (Kabat-Zinn 2006) |
2. Eine bestimmte Haltung Erfahrungen gegenüber
– | Akzeptanz: Erfahrungen so akzeptieren, wie sie sind |
– | Nicht-Bewertung: kein gut oder schlecht |
– | Kein konzeptionelles Denken: keine Einordnung der aktuellen Erfahrungen in bestehende Konzepte, auch nicht in vergangene Erfahrungen |
– | Anfängergeist:
СКАЧАТЬ
|