Dürnsteiner Himmelfahrt. Bernhard Görg
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Название: Dürnsteiner Himmelfahrt

Автор: Bernhard Görg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783990014493

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СКАЧАТЬ Dichter, von dem sie sonst nur scheußliche Stücke kannte. In denen wimmelte es nur so von armen Leuten und Trunkenbolden. Natürlich keiner selbst schuld an seinem Elend. Ja, selbst in ihrem Lieblingsstück war der Vater der jungen Hannele ein gewalttätiger Taugenichts, aber dafür war die Figur des jungen Mädchens einmalig gezeichnet. Ein Geniestreich. Eindeutig ihre Lieblingsfigur in der weiten Welt des Theaters, seit sie selbst die große Ehre und Freude gehabt hatte, bei einer Schulaufführung der vierten Klasse der Hauptschule Stein diese Rolle zu spielen. Vor fünfzig Jahren. Das Publikum war damals hingerissen von ihrer keuschen Schwärmerei für den jungen Lehrer – einen keuschen Ausdruck hatte der Autor ausdrücklich vorgeschrieben. Begeistert war das Publikum auch von der wunderbaren Darstellung ihrer Bereitschaft, das Kreuz des Herrn in Gestalt ihres brutalen Vaters geduldigst auf sich zu nehmen; und von ihrer Fähigkeit, die Sehnsucht nach den ewigen Freuden des Himmelreichs glaubhaft zu machen. Die Himmelfahrt selbst war dann zu einem Triumphzug für sie geworden. Wie in Trance war sie damals gewesen. Toll, wie sie ihren Klassenkameraden aus der letzten Reihe, der schon im Stimmbruch war und den jungen Lehrer spielte, dazu animieren konnte, ganz zärtlich über die beiden Warzen unter ihrem Kinn zu streichen. Große Schauspielkunst. Die Warzen zeichneten sich damals schon als Erhebungen auf ihrer sonst so makellosen Haut ab, waren aber viel kleiner als heute. Außerdem wuchsen aus ihnen damals noch keine Haare.

      Jedenfalls hatte sie seit vielen Jahren davon geträumt, dieses Stück in Dürnstein auf die Bühne zu bringen. Als Gegenentwurf zu dem seichten oder gar ordinären Sommertheater, das man landauf, landab zum Besten gab. Man musste einfach etwas tun. Das Himmelreich kam ja nicht von allein.

      Daher war sie seit ihrer Pensionierung dem Pfarrer in den Ohren gelegen, bei seinen Ordensoberen in Herzogenburg oder noch höheren Orts Geld für eine solche Aufführung lockerzumachen. Ohnehin nur ein paar lumpige Tausend Euro für Beleuchtung, Plakate und dergleichen. Die Schauspieler sollten natürlich alle junge Amateure sein, die nichts kosteten; und sie als Regisseurin würde selbstverständlich auch um Gottes Lohn arbeiten. Aber da hätte sie gleich gegen eine Wand reden können. Sie musste froh sein, dass ihr überhaupt gestattet wurde, im Hof des Stifts zu spielen. Also hatte sie sich an die Kulturabteilung des Landes gewandt, einer Sekretärin ihr Anliegen erklärt und um Rückruf des Chefs gebeten. Der hatte sich aber bis heute nicht gemeldet. Sicher ein Schwarzer, der Herr Hofrat, weil es ja im Amt der Landesregierung nur Schwarze gab, wie sie wusste. Aber wohl einer von der sogenannten liberalen Sorte oder gar schon ein Türkiser, der Gott den Herrn einfach einen guten Mann sein ließ.

      So war ihr nichts anderes übriggeblieben, als in der ganzen Wachau um Geld zu betteln. Bei den Hotels und Gasthäusern, denen sie für eine kleine Spende große Werbung auf Plakaten und in Broschüren versprach. Aber nur ausgelacht hatte man sie. Sie, die ehemalige Dürnsteiner Gemeindesekretärin und heimliche Bürgermeisterin, der sich die Leute früher nur unter Bezeugungen von Respekt und Hochachtung näherten.

      Selbst sie hatte da schon ans Aufgeben gedacht. Aber dann war ihr ausgerechnet vor ihrem Haus in Oberloiben eine Frau über den Weg gelaufen, die auch im Ort wohnte. Eine an sich unsympathische und nichtsnutzige Person, die schon zweimal verheiratet und wieder geschieden war. Diese Frau hatte sich spontan bereit erklärt, ihr Projekt mit dreitausend Euro zu unterstützen. Allerdings mit einem Haken an der Sache. Das Geld würde nur fließen, wenn die Tochter der edlen Spenderin die Hauptrolle spielte. Josefa Machherndl kannte das junge Ding. Wie man sich eben unter Nachbarn kennt. Schon mit vierzehn genau so hinter den Männern her wie ihre Mutter. Der Dürnsteiner Pfarrer bestätigte zu allem Überfluss auch noch, was die pensionierte Gemeindesekretärin ohnehin geahnt hatte. Julia Schremser war zwar in der Stiftskirche getauft worden, hatte aber danach die Kirche nie mehr von innen gesehen.

      Aber was hätte sie machen sollen? Ohne das in Aussicht gestellte Geld hätte sie ihr Projekt aufgeben müssen. So akzeptierte sie den Tauschhandel, nicht ohne ihren Pakt mit dem Teufel bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit zu beichten.

      Wenigstens stellte sich die junge Dame als schauspielerisch durchaus talentiert dar, wie Josefa Machherndl fast widerwillig zugeben musste. Natürlich hatte sie selbst seinerzeit der Figur der kleinen Hannele deutlich mehr psychologischen Tiefgang verliehen, aber Julia war auch nicht schlecht. Sagten zumindest die Eltern der anderen jungen Schauspieler, von denen viele bei den Proben anwesend waren.

      Aber den keuschen Blick, der ihr selbst schon als Vierzehnjährige zur zweiten Natur geworden war, den brachte die junge Schremser halt nicht zusammen.

      Der Pfarrer hatte der Truppe einen kleinen Raum im Stift als Probebühne zur Verfügung gestellt. Mit zwei Sitzreihen und knapp zwanzig Sitzplätzen, die fast alle mit Eltern, Großeltern, Tanten und Onkeln besetzt waren.

      Letzthin bei der Probe wollte sie der jungen Schauspielerin den gewünschten Gesichtsausdruck vorzeigen. Dazu war sie vor all den Angehörigen auf die behelfsmäßige Bühne gestiegen. »Pass auf, Julia. Wenn du zu Clemens aufschaust, musst du genau so schauen. Da muss dein Gesicht einen ganz reinen Ausdruck haben. So wie meines. Schau her.«

      Da hatte sie es gehört. Sie irrte sich bestimmt nicht. Es war nicht nur ein vereinzeltes Kichern aus den Zuschauerreihen gewesen. Gleich mehrere Leute hatten gekichert. Was für eine Frechheit. Die Leute sahen offensichtlich alle nur mehr Pornos. Wenn das so weiterging, würde sie die Proben für Zuschauer sperren müssen. An ein seriöses Arbeiten wäre ja sonst gar nicht mehr zu denken.

      Sonntag, 19. Juni 16 Uhr 11

      Felix Frisch saß am Beifahrersitz und fuhr mit seiner jungen Kollegin Kathi am Steuer ganz gemächlich über die Mauterner Brücke. Dabei warf er einen sehnsüchtigen Blick hinunter auf den Strom. Am meisten liebte er dienstliche Einsätze im Polizeiboot. Vor allem stromaufwärts. Einfach herrlich, den Druck der Strömung auf das Boot zu spüren und mit Vollgas von Welle zu Welle zu springen. Einsätze per Funkstreife rangierten auf seiner Beliebtheitsskala deutlich dahinter, sofern sie ohne Blaulicht und Folgetonhorn erfolgen mussten. Er war jetzt schon weit mehr als zwanzig Jahre bei der Polizei, aber diese beiden Insignien seiner Amtsgewalt bedeuteten ihm noch immer viel. Fast so viel wie seine drei Sterne. Er konnte sich daran weder satthören noch sattsehen. Wenn dann auch noch das faszinierende Geräusch von quietschenden Reifen kombiniert mit einem sichtbar ausbrechenden Heck dazu kam, dann war sein Glück perfekt.

      Hingegen hasste er alle Einsätze, die einen längeren Fußmarsch erforderten. Nicht so sehr, weil ihm da seine zwanzig Kilo Übergewicht etwas im Weg waren. Das behauptete nur seine Frau mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit, an die er sich in 22 Ehejahren noch immer nicht gewöhnt hatte. Sondern, weil ein zu Fuß auf der Bildfläche auftauchender Polizist halt keine besondere Autorität ausstrahlte und nicht den Respekt einflößte, der einer Amtsperson in Uniform und in offizieller Mission zustand. Da halfen ihm auch die drei Sterne am Kragen nicht, wie er immer wieder betrübt zur Kenntnis nehmen musste. Er hatte noch nie erlebt, dass ihn ein an einem Unfall Beteiligter, ein Passant oder ein Zeuge mit ›Herr Gruppeninspektor‹ angesprochen hätte. Wie es ihm zugestanden wäre. Sondern immer nur mit ›Herr Inspektor‹. Auch schon in seiner Zeit als Polizeischüler. Ein Polizist war offensichtlich für die Masse der Leute immer ein ›Herr Inspektor‹. Ungebildetes Pack.

      Ein Piepen riss ihn aus seinen Gedanken.

      Karl von der Leitstelle meldete sich via Funk. »Felix, ein Weinbauer aus Weißenkirchen hat eben den Fund einer schwer verletzten oder gar toten männlichen Person gemeldet. Im Weinbaugebiet zwischen Dürnstein und Weißenkirchen. Oberhalb der Bahntrasse. Dürfte über eine Mauer gestürzt sein. Notarzt und Rettung sind bereits verständigt. Bitte bestätigen.«

      »Verstanden. Fahren gerade von der Brücke Richtung Wachau ab. Sind in spätestens zehn Minuten vor Ort. Ende.«

      »Übernimm dich nicht, Felix«, schallte Karls Stimme höhnisch aus dem Gerät. »Ich kenne die Gegend. Ganz schön steil. Schafft vielleicht die Kathi in zehn Minuten. Du СКАЧАТЬ