Lebendige Seelsorge 3/2017. Erich Garhammer
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Название: Lebendige Seelsorge 3/2017

Автор: Erich Garhammer

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783429063245

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       Guido Fuchs

      Dr. theol., apl. Prof. für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg; leitet das „Institut für Liturgie- und Alltagskultur“ in Hildesheim mit der Forschungsstelle „Kulinaristik & Religion“ (www.liturgieundalltag.de); erhielt 2016 den Wissenschaftspreis des „Kulinaristik-Forums“ (www.kulinaristik.net).

       Umzüge, dramatische Aufführungen, Opfer, reiche Mahlzeiten, besondere Kleidung – sie alle sind nicht nur eine sekundäre Begleiterscheinung, sie gehören vielmehr zum Wesen eines Festes, sie sind Ausdruck des Un-Alltäglichen. Die Besonderheit des Festes tritt weiterhin im Bezug des Festes auf einen Ursprung hin zutage. Feste haben ihre Bedeutung in der Nachahmung, Wiederholung und womöglich auch Vergegenwärtigung eines prototypischen Handelns oder Geschehens, eines Heil schaffenden „ersten Males“. Das Fest will den Ursprung zur Sicherung der Zukunft gegenwärtig machen. Es bringt die Ängste und Hoffnungen einer Gruppe nicht nur zum Ausdruck, sondern will diese Ängste überwinden und das Leben neu schaffen.

      Das Fest will den Ursprung zur Sicherung der Zukunft gegenwärtig machen.

      Das Fest ist ein Geschehen, das hauptsächlich von einer Gruppe für eine Gruppe begangen wird. Jede soziale Gruppe braucht Feste als identitätsfördernde Ausdrucksformen. Feste bestätigen, stärken und erneuern die Gemeinschaft und den Zusammenhalt, die Identität, indem sie auf den Ursprung verweisen. Das Un-Alltägliche des Festes zeigt sich auch in dessen exzessiver Gestaltung, die auch zeitlich zum Ausdruck kommt. So kann das Fest in einen oder mehrere Feiertage eingebettet sein, an welchen die gewohnte Arbeit ruht bzw. ruhen soll und unter Umständen sogar tabuisiert ist. Während der Dauer dieses Festes können herrschende Institutionen, Gesetze und Konventionen außer Kraft gesetzt sein zugunsten einer Zügellosigkeit, die – je nach Ansatz – als Rückkehr in das der Neuschöpfung vorausgehende Chaos verstanden werden kann oder als Protest gegen das bestehende System.

      Diese Merkmale eines Festes lassen sich an christlichen Festen durchaus auch beobachten. Es ist hier allerdings nicht der Raum, um allen nachzugehen und am Beispiel verschiedener Feste zu verifizieren. Ich möchte mich, dem gestellten Thema gemäß, auf den ersten Punkt, und da auch nur auf das zum Fest gehörige Essen und Trinken – das Festmahl – beschränken.

      FEST UND MAHL

      Ähnlich wie die verschiedenen Formen der Gastlichkeit im Gastmahl einen besonderen Ausdruck erfahren, so die Festfeier im Festmahl. Ein besonderes Mahl gehört zu den Festen und Feiern im Lebens- wie auch im Jahreslauf. Das Mahl hat dabei nicht nur eine begleitende äußerliche Funktion; zunächst einmal kann es

      (1) die Festfreude ausdrücken, die auch durch eine gelegentliche Üppigkeit den Alltag vergessen lässt. Weiterhin können an bestimmten Festen die Speisen und auch die Gestaltung

      (2) den Festinhalt widerspiegeln und diesen so aus dem kirchlichen Bereich in den Alltag der Menschen hinein verlängern. Dann ist natürlich auch das gemeinsame Mahlhalten für den

      (3) Zusammenhalt der Gemeinschaft wichtig und trägt so, wie das Fest selbst, zur Identität bei. Schließlich war das Festessen auch immer

      (4) eine Gelegenheit, den Bedürftigen Anteil am Fest zu geben.

      I. FESTFREUDE

      Um die sich auch im Essen und Trinken äußernde Festfreude besser zu verstehen, muss man sich auch klarmachen, was Alltag für die Menschen früherer Jahrhunderte kulinarisch bedeutete. Eine Kärglichkeit in vielen Fällen, die auch noch durch ausgeprägte Fastenzeiten und -tage mit beeinflusst war. Bis vor hundert Jahren war das Kirchenjahr (das ja das bürgerliche Jahr auch mit prägte) von zahlreichen Fasten- und Abstinenztagen durchzogen. Und angesichts der Bedeutung der Kirchen und des kirchlichen Lebens kann man davon ausgehen, dass diese Fastenvorschriften durchaus eine Rolle im Leben der meisten Menschen spielten. Große Feste hatten Vigiltage, die ebenfalls zu den Fastentagen zählten und damit die Feste nochmals erwartungsmäßig kulinarisch aufluden. Folgende Beschreibung eines Osterfrühstücks aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts bringt dies zum Ausdruck: „Am Ostersonntag ging die Köchin mit einem Henkelkorb zur Speisenweihe. Das Festessen am Mittag ging nach folgender Reihenfolge vonstatten: Zuerst kam das Weihfleisch auf den Tisch: ein großes Oval mit einem Berg von bestem Selchfleisch, Eiern und Würsten beladen, dazu geweihtes Brot; dann Nudelsuppe mit Rindfleisch als Einlage und anschließendem Rindfleisch mit Semmelkren. Nun kam der Schweinebraten mit Salat auf den Tisch, dann Hühnerfleisch, Gugelhupf, Krapfen und Dörrpflaumen mit Rum oder Schnaps. Und dies alles nach vierzigtägigem Fasten! Die Gaumenfreuden waren unbeschreiblich“ (Löcher/ Abeln, 153). Ähnliche Beschreibungen und Erinnerungen gibt es auch für Weihnachten. Natürlich sind die großen Feste wie Ostern und Weihnachten noch einmal etwas besonderes, aber auch der Sonntag war kulinarisch vor anderen Tagen ausgezeichnet und brachte dadurch seine Würde zum Ausdruck. „Am Sonntag ehrt das Elsass den Herrgott in allen Kirchen und Tempeln, mehr aber noch in allen Küchen und Stuben. Sonntag ist Eß-Tag.“ So beginnt Jean Egen seine ausführliche Schilderung des sonntäglichen Essens und dessen Zubereitung in seiner elsässischen Heimat – „eine gastronomische Liturgie am Rande der religiösen“, wie er schreibt (Egen, 46-51).

      In einer Zeit und Gesellschaft, in der allein der Vorschlag auf einen fleischfreien Tag in der Woche die Menschen aufschreien lässt und sich die Wochentage auch kulinarisch längst einander angeglichen haben, erscheinen Schilderungen wie die von Egen oder auch anderen Autoren wie romantische Relikte einer längst vergangenen Zeit.

      II. FESTINHALT

      An manchen Tagen spiegelt das Essen auch den Festinhalt wider. Bestes Beispiel ist das jüdische Sedermahl (Pessachmahl), dessen Speisen und Getränke auf den Anlass der Feier, die wunderbare Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft hinweisen und während des Mahles auch so gedeutet werden. Allerdings ist dieses Mahl bereits ein häuslicher Gottesdienst, von Gebeten, Gesängen und Erinnerungen durchzogen, so dass er nicht wirklich als Beispiel für die Verlängerung des Festes in den Alltag hinein stehen kann, wie es bei manchen Festmählern im christlichen Bereich der Fall ist.

      Für den Ostertag ist es seit alters bezeugt, Lammfleisch zu essen; schon der Apostel Paulus stellt im Neuen Testament heraus, dass Jesus Christus für uns als Osterlamm geschlachtet wurde. Er wurde ja im Zusammenhang eines Pessachfestes gekreuzigt, an dem die Lämmer geschlachtet und zum Festtag verzehrt wurden. Und selbst wo kein Lammfleisch auf den Tisch kommt, sind es vielfach Biskuitlämmer, die den Zusammenhang mit dem kirchlichen Festinhalt herstellen, auch wenn es sicher vielen Menschen nicht bewusst ist. Der „Weihkorb“ (siehe obige Erinnerung) enthält auch andere Speisen mit Bezug zum Fest wie den Meerrettich oder die Eier.

      Eine ganz besondere Osterfesttagsspeise ist die russische Pascha, eine Süßspeise. Ihre hauptsächlichen Zutaten (Quark, Sahne, Eier, Butter) waren und sind in der – weit strengeren – orthodoxen Fastenzeit nicht erlaubt, allein das macht sie zu etwas Besonderem. Dazu kommt aber auch noch die Art ihrer Zubereitung: Die fertig zubereitete Quarkmasse wird in ein weißes Mulltuch eingeschlagen, in einen Blumentopf gegeben und mit einem Stein beschwert, der das restliche Wasser aus der Quarkmasse herausdrücken soll. Dieser Topf bleibt mindestens über eine Nacht stehen. Nach der Osternachtfeier wird dann die „Pascha“ dem Topf entnommen, aus dem Tuch gelöst und als wunderbar süße Speise serviert. Die Analogie zu Begräbnis und Auferstehung Jesu ist nicht nur mit Händen zu greifen, sondern gewissermaßen auch mit dem Gaumen zu schmecken. All das sollen nicht nur äußerliche Bezüge sein; das kirchliche Segensbuch „Benediktionale“ rät im Zusammenhang einer Speisensegnung an Ostern, dass sich die Tischgemeinschaft der Gläubigen mit dem Auferstandenen an diesem Tag „gleichsam als Agape“ in den Häusern fortsetzen möge.

      III. СКАЧАТЬ