Название: Lebendige Seelsorge 3/2017
Автор: Erich Garhammer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429063245
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Andererseits zeigt sich die Nicht-Gemeinschaft zwischen katholischer und evangelischer Kirche gerade in dem Umstand, dass es kein gemeinsames (eucharistisches) Mahl gibt. Im Falle des gemeinsamen Kirchentags in München 2010 wich man dabei auf die orthodoxe Form der „Artoklasie“ aus und versammelte sich unter freiem Himmel und brach das Brot an den vielen Tischen. „Es geht um die Gemeinschaft, die wir heute hier erlebt haben“, sagte der griechisch-orthodoxe Erzbischof am Ende dieser Feier, die freilich nur eine Ahnung von Tischgemeinschaft bot.
IV. ANTEIL AM FEST
Der Gedanke, bei großen Feiern auch diejenigen nicht auszuschließen, denen es nicht gut geht, ist alt und schon biblisch belegt. Im 8. Kapitel des Buches Nehemia wird beschrieben, wie dem Volk Israel nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft erstmals wieder das Wort Gottes feierlich verkündet wird – ein denkwürdiges Ereignis. „Dann sagte Esra zu ihnen: Nun geht, haltet ein festliches Mahl und trinkt süßen Wein! Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre des Herrn. Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke“ (Neh 8,10).
Diejenigen, „die selbst nichts haben“, sind im Alten Testament in der Regel Witwen, Waisen, Leviten, Sklaven, Fremde. Sie haben keinen Besitz und sind deshalb bei Festen auf einen Anteil an den Gaben anderer angewiesen. Zugleich stellen sie gewissermaßen ein Abbild der Israeliten dar, die in Ägypten Sklaven gewesen und auf Gottes Güte angewiesen waren. Es sind zunächst also tief menschliche Verhaltensweisen, die zum Teilen der Freude mit Bedürftigen an großen (Bundes-)Festen drängen: Eingedenk der eigenen Erfahrung, von Gott beschenkt worden zu sein, gibt man diese Freude als Anteil am Fest weiter.
Kochen und Essen erscheinen nicht mehr so sehr von der Religion mit geprägt, sondern selbst als eine Art implizite Religion.
Bischof Caesarius von Arles spricht im 6. Jahrhundert dieses Werk der Barmherzigkeit in einer Predigt an, in der es um die angemessene Vorbereitung auf das Weihnachtsfest geht: „Frommt es auch, jederzeit Almosen zu geben, so sollen wir doch vornehmlich an den heiligen Festen nach Kräften reichlicher austeilen. Vor allen Dingen sollen wir die Armen häufiger zu Tisch laden. Denn es wäre nicht recht, dass an einem heiligen Fest im christlichen Volk, das einem Herrn angehört, die einen sich berauschen, die anderen von Hungersnot gequält werden. […] Warum sollte der Arme […] unwürdig sein, wenigstens die Überreste von deinem Essen zu bekommen, der mit dir zum Gastmahl der Engel gelangen wird?“
Die „Überreste“ des Essens, wie es Caesarius ausdrückt, wurden früher nicht selten an den Türen „geheischt“, wie es für den Martinstag, aber auch für Weihnachten belegt ist. Die Erinnerung an diese Zusammenhänge von Fest (-mahl) und einem Anteil für die Armen blieb bis in unsere Zeit erhalten: Bei verschiedenen Mahlformen besonderer Gruppen, aber auch von Familien und einzelnen, wurde der Gedanke an die Armen zum Ausdruck gebracht und auch in konkreten Zuwendungen praktiziert.
Besonders an Weihnachten hat sich bei uns etwas von diesen alten Zusammenhängen bewahrt. Das geschah früher z. B. auch durch das Beschenken Bedürftiger mit Speisen und Getränken – heute längst institutionalisiert durch verschiedene caritative Aktionen schon in den Wochen zuvor. Im „Weihnachtsmahl für Arme“ der Gemeinschaft Sant’ Egidio findet dieser Aspekt noch eine bemerkenswerte Umsetzung insofern, als dieses Festmahl nicht selten sogar im Kirchenraum stattfindet.
VERÄNDERUNGEN
Es stellt sich freilich die Frage, inwieweit diese Zusammenhänge heute noch präsent sind. Ohnehin hat sich die religiös geprägte Mahlkultur in den letzten Jahrzehnten unzweifelhaft verändert. Als Stichworte genügen die zunehmende Auflösung einer gemeinsamen Zeitstruktur, die den Rahmen für das Mahl gibt, der Rückgang der religiösen Ausdrucksformen auch angesichts eines vielen Menschen wie selbstverständlich erscheinenden Lebensmittelangebots, die Auswahl der Speisen selbst, die oft nicht mehr traditionell, sondern unter verschiedenen, auch durchaus sehr reflektierten Aspekten gewählt werden, der Sinn für das Kochen und Zubereiten, das geradezu zelebriert wird. Kochen und Essen erscheinen nicht mehr so sehr von der Religion mit geprägt, sondern selbst als eine Art implizite Religion.
Ein Auseinanderklaffen zwischen Fest und Mahl zeigt sich auch im kirchlichen Raum.
Das festliche Mahl benötigt nicht das Fest, sondern kann das Fest selbst sein. In der Arbeit an der Neuauflage meines 2002 erschienenen Buches „Heiligabend. Riten – Räume – Requisiten“, das die Entstehung der familiären Heiligabendfeier aus einer evangelischen Hausandacht darstellt, habe ich auch die Umfrage zur Gestaltung dieses Tages, die seinerzeit über viele Zeitungen und Sender bundesweit lief, nochmals aufgelegt. In den neuen Antworten zeigen sich auch Veränderungen das Essen betreffend. War das Heiligabend-Essen noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts (zumindest katholischerseits) und darüber hinaus noch stark von der Einschätzung des Heiligabends als Vigiltag geprägt und damit wenig entfaltet, so lässt sich inzwischen vielfach eine Hinkehr zur lust- und genussvollen Vorbereitung und Gestaltung des Heiligabend-Essens als eines zweiten Höhepunktes neben der Bescherung erkennen. Die religiösen Elemente dieses Tages erscheinen dazu nur noch als eine Art Dekor. Dies wird auch massiv durch die Werbung, durch Fernsehsendungen und einschlägige Artikel in Verbraucher- und Familienzeitschriften vermittelt.
Dass das Religiöse oftmals nur äußerlicher Anlass ist, der die entsprechenden Versatzstücke liefert, lässt sich nicht nur bei Fest-, sondern auch für Fastentage sagen; zwar wird der Freitag vielfach als „Fischtag“ gehalten, doch ob allen klar ist, womit das zu tun hat, ist eine andere Frage. Ähnliches gilt für den Karfreitag, wenn in den Restaurants „Edelfisch“ angeboten oder am Aschermittwoch zum Fastenbier eingeladen wird. Selbst in religiös motivierten Kochbüchern (vgl. Ciucci/Sartor) gerät der Festinhalt bisweilen zur Spielerei, etwa wenn am Fest des hl. Dominikus „Gesegneter Aal“ empfohlen wird oder (in einem anderen) an Karfreitag Fischfilet auf gekreuzten Spargelstangen … „Das Haus duftete nach Osterkuchen, aber der Geruch war ihm zuwider. Er wusste, dass sie nicht mehr für Christus buken, sondern für ihren Magen.“
FEST UND MAHL IM KIRCHENRAUM
Ein Auseinanderklaffen zwischen Fest und Mahl zeigt sich auch im kirchlichen Raum. In evangelischen Kirchen ist es – auch aufgrund einer anderen Theologie des Raumes – nicht ungewöhnlich, auch Gottesdienste mit wirklichen Mahlzeiten zu feiern. Diese Verbindung hat es, wie ich in meinem Buch „Ma(h)l anders“ gezeigt habe, in den christlichen Kirchen, anlassbedingt, immer gegeben. Es ist bedauerlich, dass dies in katholischen Kirchen nicht möglich ist oder nur ansatzweise geschieht (bei Wallfahrten etwa). Selbst ein vom Gottesdienstraum getrenntes gemeinsames Mahl gibt es nur sehr selten. Hier ließe sich Maß nehmen an der Vielfalt von Formen und Möglichkeiten, wie sie auch manche evangelische (lutherische wie reformierte) und freikirchliche Gemeinden praktizieren und damit auch ihre Gastlichkeit ausdrücken.
Allerdings kann man hier inzwischen auch immer häufiger finden, dass für manches besondere Essen bewusst der Kirchenraum gewählt wird – mit einem diffusen religiösen Hintergrund – wie etwa das „white dinner“. Ich hatte vor Jahren selbst an einem solchen „white dinner“ in einer Kirche teilgenommen, bei dem im Anschluss auch die anderen Mitfeiernden ratlos hinsichtlich der Form waren: eine Agape? Ein Gottesdienst? Ein Happening? Hier wird das Mahl zum Fest und der Raum liefert das religiöse Drumherum.
FAZIT
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