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und Leitung waren im Pfarramt als Einheit verbunden: Der Pfarrer war für sehr viele eine anerkannte und geschützte Autorität im Sinne der »Profession«. Wie der Pfarrer lebte, was er konnte und was er tat – alles war im Blick der Öffentlichkeit und musste zusammenpassen. Heute fragen die Menschen nach mehr als der formalen Autorität und Rolle. Die Person gerät in den Blick. Die meisten Menschen unterscheiden zwischen einem guten und sympathischen und einem schlechten Pfarrer.
Verkündigung und Lehre stehen unter einem neuen Erwartungsdruck: Die Theologen, die als Kleriker oder Laien im Dienst der Verkündigung stehen, sind nicht mehr unumstritten in ihrer Fachlichkeit. Die Möglichkeit, sich auf einem geöffneten Bildungsmarkt selbst seine Position zu erarbeiten, und die Vielfalt der Positionen der Theologie selber werden zu einer neuen Herausforderung für die Qualität von Verkündigung und Lehre.
Nicht die konkrete Berufsbezeichnung, ob also jemand Pfarrer, Pastoralreferentin oder Gemeindereferent ist, macht klar, was er oder sie kann und tun will. Vielmehr wird interessiert nach der Vielfalt professioneller Fachlichkeit und Spezialisierung gefragt, zum Beispiel als Geistlicher Begleiter, Eheberater, Klinikseelsorger oder Therapeut, als Musikpädagoge oder Notfallseelsorger, als Moderator …
Wer kann bei uns was? An wen stelle ich welche Erwartungen? Welche Erwartungen treffen mich, unseren Kreis, unseren Verantwortungsbereich?
Gibt es Ideen und Möglichkeiten, von den Charismen auszugehen, um die Aufgaben zu schultern?
Management scheint eine unvermeidbare Aufgabe der differenzierten Kirchengemeinden und größeren Pastoralräume zu werden. Diese Aufgabe wird nach bisheriger Tradition in Letztverantwortung dem Pfarrer der Gemeinde zugeschrieben. Diese Aufgabe umfasst sämtliche Bereiche; dafür wurden in den letzten Jahren auch viele Laien qualifiziert. Es muss keineswegs immer ein Theologe oder geweihter Priester sein, der die Fäden zusammenführt und in der Hand hält.
Die Vielfalt der haupt- und nebenberuflich und der freiwillig engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht eine weitere Funktion nötig: die Moderation, die Koordinierung der vielen Dienste, Felder und Aufgaben und die Eröffnung einer kommunikativen Atmosphäre, in der jede und jeder sein Charisma einbringen kann. Auch diese Aufgabe wird vielerorts dem Pfarrer zugewiesen.
Inzwischen wird eine andere Erwartung verstärkt eingebracht: In Subsidiarität, also nicht als Leitende, sondern als An-Leitende, sind die Hauptberuflichen dazu da, die Christgläubigen zu befähigen, selber verantwortlich als Christ und in der Kirche zu wirken. Leitung wird nicht mehr als formelle Leitung definiert, sondern als Fähigkeit zur Formation, zu Ausbildung, Reflexion und Begleitung. Wieder werden andere Qualifikationen wichtig.
Allein diese verschiedenen Aufgabenfelder verdeutlichen, welch unterschiedliche Ausrichtung und Qualifikation von den Lotsen erwartet wird. Ob eine einzelne Person dieser Vielfalt gerecht werden kann oder in ihrer Berufsbiographie diesen Wandel gestalten kann, muss deutlich in Frage gestellt werden.
Als Material, mit dem die Menschen durch die Zeit gelotst werden können, scheint früher einmal der »grüne Katechismus« gereicht zu haben. Die Komplexität unserer Zeit erfordert in nahezu allen Bereichen den Einsatz eines differenzierten »Computersystems«. Aber jeder, der mit Menschen arbeitet, spürt, dass das in diesem Feld allein noch nicht hilfreich ist. Mehr denn je ist die Persönlichkeit gefragt.
Die Fahrzeuge müssen gewechselt werden
Was früher einmal ging, geht heute nicht mehr. Ich glaube sogar, dass die Wirklichkeit früher gar nicht so ideal war, wie manche Beschreibungen aus heutiger Sicht nahelegen. Aber eben anders. Die »Fahrzeuge«, die Instrumente des kirchlichen Handelns, müssen gewechselt werden. Manches »Fahrzeug«, manche Methode ist einfach gegen die Wand gefahren: etwa die, Menschen einfach vorzuschreiben, was und wie sie glauben sollen; dagegen wehren sie sich. Manchmal gehen wir auf unseren Wege einfach zu langsam, kommen nicht mit der schnelllebigen Zeit mit. Manchmal sind auch unsere Versuche nicht sicher genug, nicht nach dem Standard heutiger Technik: Welches pädagogische und psychologische Wissen muss mitbedacht werden, welche Erkenntnisse aus Milieuforschung und Kulturwissenschaften helfen, dass das Fahrzeug »richtig« ist, die Form des kirchlichen Handelns auch greifen wird?
Das Autoritätsargument als Grundlage der Verkündigung und der Leitung hat ausgedient: Es gibt nicht mehr die unhinterfragte Information und Position. »Roma locuta causa non finita« (Rom hat gesprochen, die Sache ist nicht zu Ende) war schon vor mehr als 30 Jahren an den Mauern des Theologenseminars Wilhelmstift in Tübingen zu lesen. Es mag sein, dass noch einige wenige Menschen diese Gehorsamslinie auch im Glauben für sich wünschen und annehmen, aber sie ist nicht mehrheitsfähig und überzeugend. Direktive Predigt mit dem drohenden Zeigefinger, direktive Lehrpositionen und direktive Leitung der Gemeinde beschleunigen die Tendenz, dass noch weniger Christinnen und Christen zu ihrer Kirche stehen. Das Autoritätsargument weicht der Dialogkultur und der intellektuellen und personalen Überzeugungskraft.
Die Form der Kontrolle über Sakramentenpraxis und Lebenswandel aufgrund der Überschaubarkeit und Nähe ist weder möglich noch akzeptiert. Die größeren Pastoralräume erweisen sich hier als Freiheitsräume, die Autonomiebestrebungen und -ansprüche der Einzelnen weisen Kontrolle zurück. Die Freiheitssuche der Individuen fordert eine offensive Entfaltung immer neuer möglicher Anknüpfungsstellen.
Wer hat die richtigen Ideen für eine neue Vielfalt in der Kirche? Welche Persönlichkeiten strahlen eine glaubwürdige Autorität aus, als Brückenbauer untereinander und zur Weltkirche? Wie werden wir das Evangelium Jesu Christi und sein heilschaffendes Handeln in der Welt öffentlich halten?
Die Einheitlichkeit der liturgischen Formen – geprägt durch die gemeinsame Liturgiesprache Latein und die gemeinsame Musik- und Kunstsprache – ist einer Vielfalt der Formen gewichen, die unterschiedliche Kulturen und Milieus ansprechen. Die Spannung zwischen persönlichen und privaten Frömmigkeitsformen und Ausdrucksformen zur gemeinsamen Liturgie, die für die ganze Weltkirche steht, bedarf steter Balanceübungen. Es braucht eigene Anstrengungen, damit die liturgischen Formen heute verstanden und nachvollzogen werden können. Wie schwierig das ist, zeigt sich immer wieder, wenn neue liturgische Texte approbiert werden.
Die klare Trennung von Heils-(Sakramenten-) Dienst durch die Kleriker und ihr unbestrittenes Wirken ins »Innen« der Kirche und Weltdienst der Laien und ihrer katholischen
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