Название: Was kommt nach der Pfarrgemeinde?
Автор: Richard Hartmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429061241
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Mit Blick auf die Arbeit unserer Kirchengemeinden habe ich den Eindruck, dass immer noch etliche die gleichen Karten verwenden wie vor 50 Jahren. Eine davon zeigt die »lebendige Gemeinde«: Ein vielfältiges Freizeitprogramm steht neben der Gottesdienst- und Sakramenten-Vorbereitung. Für alle Generationen gibt es entsprechende Wege und Routen, die Verbände sorgen für weitere Maßnahmen. Zugleich wächst die Enttäuschung nach innen hin: »Es sind immer dieselben« und »es sind immer weniger«; »die Kinder und Jugendlichen sind nicht mehr bereit, sich in Gruppen auf Dauer zu engagieren und zu binden«, und die Gottesdienste sind immer leerer. Dazu kommt schon seit längerer Zeit, dass es die »engagierten Kapläne von früher nicht mehr gibt« und dass die Kirche nicht erst durch den Missbrauchsskandal viel Anerkennung verloren hat. Und nun noch: Es gibt weniger Priester und andere Hauptamtliche und darum droht die Pfarrei vor Ort an Profil zu verlieren. Es braucht zentrale Zusammenschlüsse, Finanzkrisen zwingen zum »Downsizing«, also zum Streichen: Nichts bleibt mehr bestehen – und plötzlich stimmen die Karten nicht mehr.
Dabei gab es immer wieder Karten und Planskizzen, die zeigten, wie die Kirche aussehen soll, wohin das Volk Gottes unterwegs ist, welches die Orte sind, wo die Verkündigung des Evangeliums ankommt. An ein paar dieser Karten – sicher ist die Liste nicht vollzählig –, die in unterschiedlicher Praxis sogar noch nebeneinander benutzt werden, will ich erinnern:
Unser Atlas: Welche dieser Karten kenne ich und kennen wir? Woran lässt sich erkennen, wie wir als Engagierte in der Gemeinde oder Pfarrei oder als hauptberuflich Tätige in der Kirche unsere Dienste ordnen und die Wege bestimmen? |
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Die Lotsen haben neue Aufgaben
Wer sich auf den Dienst in der Kirche vorbereitet, sei es als Pfarrer, als Priester oder Diakon, als Religionspädagogin und Theologin, begibt sich auf diesen Weg mit einem bestimmten Vorverständnis. Seine eigenen Erfahrungen in Kirche, Verband, Bewegung haben ihn motiviert, sich auf eine Berufslaufbahn einzulassen, zum Teil mit existentieller Entscheidung in der Bindung und im Lebenswandel (Zölibat, Ordensberufung). Allein, wenn die Wegzeichen, die Pfeile, in entgegengesetzte Richtungen führen, wenn die Fahrtrichtung nicht eindeutig ist, was dann? Wer ist es, der entscheidet, welcher Weg ausprobiert wird? Welche Kriterien helfen weiter: die Erfahrung vor Ort, die amtskirchlichen Vorgaben? Es braucht die Lotsen mit ihrer Erfahrung, ihren Kriterien und dem Mut, das Steuer zu führen.
Manchmal sind es Gegenbilder, die motivieren im Sinne von: »Dahin wollen wir nicht kommen!« Visionen und Leitbilder formulieren mit großer Geste, was man gerade anders machen will und kann. Dazu kommen Studien, die zumindest in Teilen auch bestimmten Karten folgen und daraus die Lotsenaufgaben bestimmen. Viele Veröffentlichungen von Praktikern, von Pastoralämtern und Diözesen beschreiben und entwickeln Ideen, was man konkret machen sollte. Doch helfen diese Ideen nur dann, wenn sie mit den konkreten Menschen vor Ort, mit ihrer Erfahrung, ihren Charismen in ihrer Lebenswelt Gestalt gewinnen. Nicht die ausformulierten Konzepte helfen, sondern die Schritte, die mit guten Lotsen gewagt werden.
Die Lotsen erleben im Laufe ihres Berufslebens – wie viele Zeitgenossen in anderen Berufswelten auch –, dass ihre einmal angenommene, idealisierte Perspektive sich schneller als erwartet ändert. Sie spüren, dass sie nicht nur ständig etwas dazulernen müssen, sondern dass es für sie immer schwieriger wird, Erfolge zu messen, und dass nicht nur die Tätigkeiten, sondern auch ihr Selbstverständnis und ihre Lebensformen unter Druck stehen und sich verändern müssen. Nicht wenige leiden intensiv an diesen Veränderungen. Überforderung – Unsicherheit – Vereinzelung sind Phänomene, die bis zum »Burnout« führen. Tatsächlich haben sich Aufgaben, Funktionen und Selbstverständnisse gewandelt. Vor allem das Bild des Pfarrers, der sich oft als einziger Lotse verstanden hat, stimmt nicht mehr. Er kann nicht als väterliche Bezugsfigur alle Fäden zusammenhalten.