Spessartblues. Günter Huth
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Название: Spessartblues

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429063528

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СКАЧАТЬ sich zwischen seine gespreizten Beine stellte.

      »Sagen Sie mir, wo Sie das Kind getroffen haben, dann werde ich Sie vorher betäuben.«

      Als Lohneis das Brandeisen erkannte, begann er unartikuliert zu schreien. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, würgte er hervor. »Sie sind ja völlig wahnsinnig!«

      »Wie Sie wollen«, erwiderte der Mann mit großer Ruhe, dann zielte er mit dem glühenden Eisen, das er mit beiden Händen an einem Holzgriff hielt, auf den Bauch dicht unterhalb des Bauchnabels. Lohneis kämpfte wie ein Rasender gegen seine Fesseln, die ihn unbarmherzig fixierten. Mit einer entschlossenen Bewegung drückte der Mann das heiße Metall fest auf den Unterbauch des Gefangenen. Es zischte und beißender, stinkender Qualm stieg auf. Nach drei Sekunden nahm er das Eisen wieder weg. Das nicht mehr enden wollende, unmenschliche Gebrüll des gemarterten Mannes schallte schaurig von den gefliesten Wänden wider. Nach einem letzten Aufbäumen sackte Lohneis in sich zusammen. Eine gnädige Ohnmacht nahm ihm für den Augenblick den Schmerz.

      Der Vermummte legte das Brandeisen in ein Handwaschbecken mit Wasser. Zischend und dampfend kühlte es ab. Dann trat er an sein Opfer heran und musterte ohne Gefühlsregung das Ergebnis seiner Tat. Die Brandwunden hoben sich wulstartig von der Haut ab. Deutlich war das aufgeplatzte, blanke Fleisch sichtbar. Sie würden später gut sichtbare Narben abgeben, wodurch die Botschaft für immer gut lesbar sein würde. Er trat neben den Gefesselten und schlug ihm auf die Wangen. Es war noch nicht zu Ende. Auch den zweiten Akt sollte der Mann bei vollem Bewusstsein mitbekommen. Wenig später flatterten Lohneis’ Augenlider und er kam zu sich. Sofort schoss der überwältigende Schmerz durch seinen Körper und ein gequältes Stöhnen kam aus seinem Mund.

      Sein Peiniger wartete noch einen kurzen Moment, bis er sicher sein konnte, dass sein Gefangener seine weiteren Handlungen voll zur Kenntnis nahm, dann ging er zu dem Tisch mit den aufgereihten Instrumenten. Gezielt wählte er ein bestimmtes aus, dann trat er erneut zwischen die Beine seines Opfers und machte sich ans Werk. Wieder wurden die kalten Wände Zeugen der Grausamkeit des Täters.

      Kurz vor Ende der Nachtschicht wurde die diensthabende Krankenschwester durch heftiges Klingeln am Eingang der Notfallambulanz des Missionsärztlichen Klinikums in Würzburg aufgeschreckt. Sie eilte zur Gegensprechanlage und meldete sich, erhielt aber keine Antwort. Etwas verärgert, weil sie wieder einmal auf die geistlose Aktion eines Betrunkenen tippte, eilte sie zum Eingang und öffnete per Knopfdruck die Doppeltür. Kaum waren die Türflügel aufgeschwungen, erkannte sie draußen einen am Boden liegenden nackten Mann. Sie eilte zu ihm und war sich nach einem kurzen Blick sofort darüber im Klaren, dass sich der Ärmste in einem lebensgefährlichen Zustand befand. Hektisch alarmierte sie eine Kollegin und den diensthabenden Arzt.

      Das Überwinden der Schwerkraft seiner Augenlider kostete ihn enorme Kraft. Er hatte das Gefühl, dass Tonnengewichte an ihnen hängen würden. Obwohl im Raum nur ein schwaches Dämmerlicht herrschte, erschien es ihm, als würde durch die dünnen Schlitze seiner fast geschlossenen Lider gleißendes Scheinwerferlicht dringen. Nur träge setzte sein Verstand wieder ein und ließ ihn einige Gegenstände in seiner Umgebung schemenhaft erfassen.

      Nachdem sich seine Augen halbwegs an das Licht gewöhnt hatten, öffnete er sie ganz. Seinen Empfindungen und seinem Wahrnehmungsvermögen nach befand er sich in einem Zustand wie nach dem Erwachen aus einem tiefen Schlaf. Im Zeitlupentempo bewegte er seinen Kopf und versuchte den gesamten Raum zu erfassen. Er erkannte, dass er von medizinischen Geräten umgeben war. Sein Blickfeld ermöglichte ihm die Wahrnehmung einer Glaswand, hinter der ebenfalls Licht, helleres Licht, brannte. Jetzt hörte er auch Geräusche. Es war das fast schon melodisch zu nennende Zusammenspiel verschiedener Tonquellen. Von einem Augenblick auf den anderen wusste er, dass es sich um Maschinengeräusche von Computern handelte, die seine vitalen Funktionen überwachten.

      Nur mühsam lichtete sich der Nebel um seinen Verstand, ohne jedoch vollständig zu weichen. Einen Augenblick später überraschte ihn die Erkenntnis. Plötzlich erkannte er, diese Umgebung war fester Bestandteil seines Lebens. Sein Beruf war es, zu wissen, wie diese Geräte funktionierten und einzusetzen waren. Aber irgendetwas schien an der gegenwärtigen Situation total falsch! Es war für ihn nicht normal, diese Dinge passiv zu erleben, gewissermaßen als Konsument, denn er war Arzt!

      Als er seine Hand heben wollte, um sich über das Gesicht zu fahren, stellte er fest, dass dies nicht möglich war. Der dadurch ausgelöste Impuls riss die letzten Nebelfetzen zur Seite. Wie eine riesige Tsunamiwoge fegte die grausame Erkenntnis über ihn hinweg und hinterließ blankes Entsetzen. Der Schock war so stark, dass er sekundenlang glaubte, sein Herz würde explodieren. Er zerrte heftig an den Fixierungen, wodurch einige der Apparate Alarm auslösten. Gleichzeitig schickte sein malträtierter Körper Schmerzen in sein Gehirn, was ihn zu einem verzweifelten Schrei veranlasste.

      Ein fremdes Gesicht trat in sein Blickfeld, dessen Mund Worte formte, die ihn jedoch nicht erreichten. Sekunden später bemächtigte sich wieder der Nebel seines Verstandes und mit ihm kam gnädige Ohnmacht, die jede Art von Selbsterkenntnis auslöschte.

      Der Leiter der Intensivstation nahm die Hand von dem Knopf, mit dem er gerade am Tropf die Dosis des Medikaments, mit dem er den schwer traumatisierten Patienten sedierte, deutlich heraufgesetzt hatte. Mit Sorge blickte er auf den Mann herab, dem man Verletzungen von einer Grausamkeit zugefügt hatte, wie er sie in seiner gesamten beruflichen Laufbahn als Chefarzt noch nie gesehen hatte. Sicher würde der Patient bei entsprechender Behandlung gute Chancen haben, körperlich zu genesen. Eine ganz andere Frage war die Psyche. Deshalb und wegen der massiven Schmerzen, die bei diesen Verletzungen auftraten, hatte die Ärztekonferenz des Klinikums beschlossen, den Patienten einige Zeit in ein künstliches Koma zu versetzen. Eigentlich hätte er, wie gerade geschehen, noch gar nicht erwachen dürfen. Wahrscheinlich war die Dosis des Betäubungsmittels zu schwach gewählt worden. Der Arzt wartete einen Moment, bis er sicher sein konnte, dass der Patient diesmal tief und fest schlief, dann verließ er das Zimmer. Auf ihn wartete ein Gespräch mit einem Beamten der Mordkommission. Die Verwaltung des Klinikums hatte wegen der Art der Verletzungen und der Umstände, die das Eintreffen des Patienten in der Notaufnahme begleiteten, sofort die Polizei verständigt. Er würde den Beamten enttäuschen müssen, denn an eine Vernehmung des Verletzten war in der nächsten Zeit nicht zu denken. Die Polizei musste versuchen, die Identität des unbekannten Mannes ohne dessen Mithilfe zu ermitteln.

      Nach weiteren zehn Tagen veranlassten die Ärzte ein erneutes kontrolliertes Aufwachen. Mühsam, als müsse er eine Tonne bewegen, hob er seinen Kopf ein wenig an und musterte seine nächste Umgebung. Schnell erkannte er, dass er sich in einem Bett auf einer Intensivstation befand. Erneut kam die schreckliche Erinnerung. Diesmal war seine Reaktion weniger heftig. Der Arzt erklärte ihm, dass sich sein Zustand stabilisiert und seine Wunden zu heilen begonnen hätten. Fragen zu seiner Identität beantwortete er nicht. Auf sein Drängen hin klärte ihn der Chefarzt schließlich über seinen Gesamtzustand auf. Der Schock war so schlimm, dass man ihn nochmals für einige Tage sedieren musste.

      Als man ihn wieder aufwachen ließ, eröffnete ihm der Arzt, dass er die Polizei darüber informieren musste, dass er nun vernehmungsfähig war. Obwohl alle Mitarbeiter darüber rätselten, welche schrecklichen Hintergründe seine Verletzungen hatten, sprach ihn keiner darauf an. Eine Woche später wurde er in ein Einzelzimmer auf die Normalstation verlegt.

      Die Nachtschwester versorgte den Mann ohne Namen mit einer gewissen Scheu. Was nicht zuletzt daran lag, dass er kaum sprach. Auch gegenüber dem Kriminalbeamten, der ihn schließlich aufsuchte, äußerte er sich nicht. Schweigend lag er Tag für Tag in seinem Bett und starrte zum Fenster hinaus. Er verweigerte jegliche Nahrungsaufnahme und trank nur wenig. Schließlich versorgte man ihn über einen Zugang mit einer Nährlösung.

      Um ein Uhr machte die Nachtschwester eine ihrer Runden. Sie sah auch nach dem unbekannten Patienten, fragte ihn, ob er Wünsche habe, ob er ein zusätzliches Schmerzmittel wolle oder eine medikamentöse Einschlafhilfe benötige. СКАЧАТЬ