Toter Regens - guter Regens. Georg Langenhorst
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Название: Toter Regens - guter Regens

Автор: Georg Langenhorst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783429063467

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СКАЧАТЬ Das wäre es dann vorerst. Danke, meine Herren“, verabschiedete sich Kellert. Dietz erhob sich, offensichtlich froh, das Gespräch hinter sich gebracht zu haben. Arenhövel blieb jedoch sitzen. Offenbar hatte er noch ein Anliegen: „Äh, Moment, Herr Kommissar …“ „Ja?“ Auch Kellert hatte sich schon bereit gemacht den Raum zu verlassen, wendete sich nun aber noch einmal dem Subregens zu.

      „Ich wollte oder sollte Ihnen doch noch etwas über Marcus Rühle sagen.“ Dietz seufzte laut auf, rollte mit den Augen, nahm aber wieder Platz. Die beiden Polizisten aber blickten Arenhövel fragend an. „Na unseren Repetenten, der gestern bei der Versammlung nicht mit dabei war.“ Richtig, den hatte Kellert völlig vergessen. Also setzten auch sie sich wieder. Thiele verbarg seine Ahnungslosigkeit hinter einem professionell neutralen Gesichtsausdruck. „Also …“, sagte Kellert ermutigend.

      „Vielleicht sollte ich erst einmal erklären, was das überhaupt ist, ein Repetent“, begann Arenhövel. „Na, da bin ich aber mal gespannt“, warf Dietz ein, während Thiele und Kellert dankbar nickten. Der Begriff sagte ihnen nämlich gar nichts. „Sie merken schon an der Reaktion meines Kollegen, dass wir das auch nicht so ganz genau wissen“, ließ sich Arenhövel nicht aus dem Konzept bringen. „Eigentlich reicht das klassische Trio aus, um ein Priesterseminar zu leiten, also Regens, Subregens und Spiritual. So war das bei mir damals, als ich hier studierte, und bei dir wahrscheinlich auch, Günther, oder?“

      Dietz nickte bestätigend, während Arenhövel weitersprach: „Na ja, vor ungefähr einem Jahr kam das Angebot aus dem Bistum, einen Repetenten mit hinzuzunehmen, der uns die Arbeit erleichtern sollte.“ „Angebot?“, knurrte Dietz. „Das war schon eher eine Dienstanweisung, würde ich sagen! Und ‚erleichtern‘? Wir haben nicht um ‚Unterstützung‘ gebeten und das Ganze hat sich auch kaum als ‚Unterstützung‘ herausgestellt.“

      „Entschuldigung, aber ich verstehe gar nichts“, warf Thiele ein. „Was macht der denn nun, dieser Repetent?“ „Eben, Herr Kommissar! Genau das ist die Frage!“, warf Dietz ein und beförderte Kriminalhauptmann Thiele damit unwissentlich zu jenem Rang, den dieser nur zu gern innehätte. Er ergänzte: „Das, genau das wissen wir bis heute auch nicht!“ Nun übernahm Arenhövel aber wieder die Gesprächsleitung: „Ich versuche es zu erklären. Also es ist so: Marcus Rühle ist ein Priester unserer Diözese. Er hat aber nicht hier in Friedensberg studiert, sondern in München und Rom. Er wurde vom Bischof zur Promotion freigestellt, soll also eine Doktorarbeit schreiben, und ist dann sicherlich für irgendein höheres Leitungsamt vorgesehen.“ „Oder für eine akademische Laufbahn als Professor“, warf Dietz ein.

      Unwirsch fuhr Arenhövel fort: „Wie dem auch sei. Das gibt es in jedem Bistum. Irgendwie wird also das künftige Spitzenpersonal ausgebildet. Rühle kann sich also auf seine Promotion konzentrieren. Schön für ihn. Das würden viele andere auch gern tun. Jedenfalls hat man dann in der Bistumsleitung überlegt, wie er sich in dieser Zeit nebenher in der Seelsorge nützlich machen könnte. Und ist dann auf die Idee gekommen, ihn als Repetent bei uns im Priesterseminar unterzubringen.“

      „Man kann auch sagen: zu parken“, ergänzte Dietz. „Die Idee war: Er soll unsere Alumnen beim Studium unterstützen. Manche tun sich da schwer. Die ausländischen Mitbrüder mit der deutschen Sprache, unsere mit Griechisch und Hebräisch oder in den einzelnen Fächern. Das war die Idee.“ Er schwieg und blickte mit rollenden Augen nach oben.

      „Aber …“, warf Kellert nach einigen Sekunden ein. Arenhövel griff die Aufforderung auf, suchte sichtlich nach Worten. „Ja, das war eben die Idee. Was Rühle wirklich macht, wissen wir bis heute nicht so genau. Er hat zwar ein Zimmer hier im Haus, aber mal ist er da, mal nicht. Mal nimmt er am Seminarleben teil, mal nicht. Mal macht er Angebote für unsere Alumnen, hält sie auch, dann ist er wieder unterwegs.“

      „Und das hat der Regens, also Dr. Görtler, einfach so hingenommen?“, fragte Kellert. „Der war doch eher so ein genauer, vollständig durchgeplanter Typ, wenn ich das bis jetzt richtig mitbekommen habe.“ „Stimmt schon“, entgegnete Dietz. „Nee, dem Norbert hat das gestunken, diese ganze Regelung, von Anfang an.“ Arenhövel wollte etwas entgegnen, aber der Spiritual kam ihm zuvor. „Es war so, Maximilian, das weißt du. Nein: Der Norbert hat von Anfang an versucht, gegen diese von uns ja gar nicht erwünschte Zuteilung zu protestieren. Aber das kam eben von oben. Von ganz oben. Da war nichts zu machen.“

      Kellert überlegte, versuchte sich das Szenario vorzustellen. Wie er reagieren würde, wenn das Polizeipräsidium ihn in eine vergleichbare Situation bringen würde. „Die werden wohl kaum Freunde gewesen sein, der Regens und dieser Rühle, oder?“, fragte er dann. „Wirklich nicht“, bestätigte Dietz. „Man ging sich aus dem Weg. Aber Rühle war ziemlich dreist …“ – „Selbstbewusst, würde ich sagen“, warf Arenhövel ein – „Nee, dreist: nahm sich das Recht heraus, an Dienstbesprechungen teilzunehmen, fuhr seinen eigenen Kurs mit seinen Lieblingsalumnen, die er um sich scharte, und …“

      Er verstummte, überlegte offensichtlich, ob er noch etwas hinzufügen sollte. „Das reicht, Günther!“, mahnte ihn der Subregens. Dietz überlegte kurz, und fast als wäre er durch diesen Einwurf herausgefordert, sprach er dann doch weiter: „Ja, man konnte sich eben nie ganz sicher sein, was er wem weitererzählte. Früher war das klar: Interna aus Dienstbesprechungen bleiben unter uns. Es muss einen geschützten Raum der Verschwiegenheit geben, wo man Dinge auch mal etwas scharf aussprechen darf. Und seit Rühle da ist, können wir uns darin eben nicht mehr sicher sein.“ Arenhövel kniff die Lippen zusammen, nickte aber langsam.

      Kellert blickte die beiden Pfarrer an. „Nun, mit diesem Herrn Rühle werden wir uns dann sicherlich noch zu beschäftigen haben. Danke für Ihre Auskünfte und Ihre Offenheit. Je besser wir die Lage einschätzen können, umso eher werden wir den Fall lösen. All das bleibt selbstverständlich unter uns. Komm, Dominik.“

      10

      Kellert und Thiele spazierten ziellos durch die Ringanlage, die sich um die Altstadt Friedensbergs zog. Früher war die Stadt von einem Schutzwall mit Wassergraben umgeben gewesen. Im neunzehnten Jahrhundert war die Schutzfunktion längst obsolet geworden. Man hatte die Anlage geschliffen und daraus einen Park gemacht, eine grüne Lunge, die seitdem die Innenstadt von Friedensberg umschloss. Kurz vor Mittag war hier nicht viel los. Einige alte Frauen saßen auf den Bänken, in gemächliche Gespräche vertieft. Ein älterer Herr streute Brotkrummen aus, um die Tauben und Spatzen zu füttern. Ein würziger Frühherbstduft lag in der Luft.

      Der Kommissar versuchte seine Gedanken zu ordnen. „Wenig Verwertbares, scheint mir“, knurrte er. Von der kriminaltechnischen Untersuchung war ein weiterer Zwischenbericht gekommen, der letztlich keinerlei hilfreiche Erkenntnisse brachte. Zu viele allgemeine Spuren, zu wenig Konkretes. „Ein Haus voller Spannungen ist das“, meinte Thiele. „Also das wäre nun wirklich nichts für mich. Da kann jederzeit etwas hochkochen. Aber so viele Männer so eng auf einem Haufen! Erstaunlich, dass da nicht viel häufiger etwas passiert … oder dass wir es zumindest nicht erfahren.“

      Kellert hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Irgendwie wirkte er abwesend. Als sei er nicht ganz bei der Sache. Er blickte grübelnd zu den bunt gefärbten Kronen der mächtigen alten Kastanienbäume auf. In diesem trockenen Jahr hatte sich das Laub früher verfärbt als sonst üblich. Einzelne stachelige Fruchthülsen lagen bereits aufgeplatzt auf dem Boden. Dazwischen blitzende braune Kugeln. Mit schwungvollem Fußtritt beförderte er eine in das Gebüsch. Noch eine. Die innere Unzufriedenheit war ihm überdeutlich anzusehen. Thiele schwieg, schielte zu seinem Chef hinüber. ‚Komm, Bernd Kellert, bleib am Fall! Zeig deinen Biss!‘, ermahnte sich dieser.

      „Okay“, meinte Kellert nach einigen weiteren Wegmetern, nun mit Entschlossenheit. „Ich werde jetzt erst mal etwas essen gehen. Und heute Nachmittag spreche ich mit diesen Hausschwestern im Priesterseminar. Frauen haben ja doch immer noch einen anderen Blick auf die Dinge. Vielleicht kriege ich da ein bisschen mehr heraus. СКАЧАТЬ