Hüter der Schöpfung. Dr. Stephan Götze
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Название: Hüter der Schöpfung

Автор: Dr. Stephan Götze

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783863741099

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СКАЧАТЬ ihm das offiziell verboten war.

      GEGENSPIELER BEI DEN LAKOTA

      Es scheint heute klar zu sein, dass die „offizielle Vertretung der Indianer“, die Crazy Horse in den Augen der Weißen innehatte, durchaus Neid und Missgunst erzeugte: Die Häuptlinge Red Cloud und Spotted Tail fühlten sich zurückgesetzt. Sie lebten schon etliche Zeit länger im Reservat und hatten für sich und ihre Stämme günstige Arrangements mit den Weißen getroffen. Ein wichtigerer Grund der Zerwürfnisse, die im Rufmord an Crazy Horse gipfelten, dürften die grundlegenden Unterschiede in der politischen Auffassung zwischen den „Realos“ Red Cloud und Spotted Tail auf der einen Seite und Crazy Horse als Visionär auf der anderen Seite gewesen sein.

      Es kam in der Folge zu Gerüchten, dass Crazy Horse nicht an einem Friedensschluss interessiert sei, dass er sich wieder dem alten Leben als Krieger zuwenden wolle. Und letztendlich kreidete man ihm später, nach seinem Tod, an, dass die gnadenlose Reaktion der Weißen am Wounded Knee seine Schuld sei, weil er selbst in der Schlacht von Little Bighorn keinerlei Gnade habe walten lassen, sondern für den unerbittlichen Kampf gegen die Weißen gewesen sei.

      MISSVERSTÄNDNIS ODER BEWUSSTE TÄUSCHUNG?

      In den Gesprächen mit Vertretern der Regierung und dem leitenden Offizier der Red Cloud Agency ging es unter anderem auch darum, dass die Lakota selbst die Nez-Percé-Indianer aus einem nahegelegenen Gebiet vertreiben sollten, sonst könne man ihren Forderungen nicht nachkommen. Crazy Horse, nach etwa achtzehn kaum unterbrochenen Jahren des Krieges müde, murrte, stimmte dann letztendlich im Versammlungshaus in Fort Robinson dieser Forderung der Weißen zu. Sinngemäß sagte er so etwas wie: „Dann jagen wir die Nez Percé eben, bis keiner mehr übrig ist.“

      Doch dann passierte etwas Fatales (und dies war nicht das einzige Missverständnis im Verlauf der wochenlangen Verhandlungen): Der Dolmetscher übersetzte fälschlicherweise, Crazy Horse habe gesagt, er werde jetzt alle Weißen jagen, bis keiner mehr übrig sei. Für den Vertreter der Regierung ein unglaublicher Affront. Selbst als Crazy Horse mehrmals betonte, er habe das Versprechen abgegeben, keinen Krieg mehr zu führen, nutzte das nichts.

      General Philip Sheridan wurde die angebliche Äußerung vom „Töten aller Weißen“ hinterbracht. Man muss wissen, dass Sheridan der Ausspruch zugeschrieben wird, „nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer“. Kein Wunder also, dass er General Crook in Fort Robinson beauftragte, mit aller Härte durchzugreifen und die Angelegenheit nicht nur aufzuklären, sondern „endgültig zu erledigen“. Bei Besprechungen mit anderen Lakota wurde sogar angedeutet, dass Crazy Horse General Crook selbst töten wolle. Daraufhin eskalierte die Situation völlig. Der General befahl aufgebracht, man solle Crazy Horse sofort verhaften. Versuche, das Missverständnis zu korrigieren, scheiterten an der Uneinsichtigkeit und Wut des Generals.

      DAS ENDE

      Als Crazy Horse zu einem Häuschen in Fort Robinson geführt wurde, folgte er zunächst bereitwillig – im Glauben, nun zur weiteren Verhandlung zu gehen. Erst als er durch die Tür trat, merkte er, dass es sich um ein Gefängnis handelte. Da drehte er sich um und zog ein Messer. Um ihn herum auf dem Vorplatz hatte sich ein Pulk aus vielen Männern, Soldaten und Indianern, gebildet. Irgendjemand schrie „Kill this son of a bitch“; der frühere Freund von Crazy Horse, Little Big Man, hielt ihn von hinten fest. Ein bis dato nie in Erscheinung getretener einfacher Soldat namens Gentles stieß Crazy Horse das Bajonett in den Leib, und zwar so unglücklich, dass er noch vor Mitternacht an diesem 5. September 1877 verstarb. In einem der Bücher über Crazy Horse steht zu seinem Tod treffend: „He had reached his awful destiny to be the last leader of the Sioux …“ – „Er hatte sein schreckliches Schicksal, der letzte Führer der Sioux zu sein, erreicht …“

      Der Vater von Crazy Horse war beim Tod seines Sohnes dabei und sorgte später dafür, dass die sterblichen Überreste an einem geheim gehaltenen Platz in der Nähe des Wounded Knee, wahrscheinlich im Beaver Valley, bestattet wurden. Ein Gedenkstein in Fort Robinson weist noch heute auf die Stelle hin, an der Crazy Horse ermordet wurde.

      Kurze Zeit nach seinem Tod flüchteten viele seiner Anhänger aus der Red Cloud Agency und gingen über die Grenze nach Kanada: Dort hatte Sitting Bull noch für einige Zeit eine freie Gruppe Lakota um sich versammelt. In den Vereinigten Staaten selbst lebten die Lakota nach dem Tod von Crazy Horse nicht mehr als freie Indianer, sondern ausschließlich in Reservaten.

      Selbstverständlich gab es weitere nordamerikanische Indianervölker, die für ihre Freiheit kämpften. Zeitgleich mit den Lakota waren dies etwa die Apachen, deren Anführer Geronimo im Gebiet von New Mexiko und Arizona für seinen unbändigen Freiheitswillen und seine lange erfolgreiche Flucht berühmt ist. Er wurde erst 1886, nach Crazy Horse, bezwungen, ließ sich letztendlich aber freiwillig verhaften und ins Exil nach Florida bringen. Dort starb er Anfang des 20. Jahrhunderts, ohne seine Heimat je wiedergesehen zu haben.

      Die Sioux jedoch haben offiziell niemals aufgegeben und zu keinem Zeitpunkt in die Annektierung ihrer Heimat eingewilligt. Auch nicht unter Druck – und den gab und gibt es reichlich. Die Lakota lehnen es bis heute ab, ihre heiligen Berge, die Black Hills in Süd-Dakota, zu verkaufen. Sie leben in Armut und Perspektivlosigkeit. Indianische Jugendliche begehen häufiger Selbstmord als andere Gleichaltrige: Die Sterberate der Lakota unter 25 Jahren ist dreimal so hoch wie in der Altersgruppe in den übrigen USA; die Wahrscheinlichkeit, am Alkohol zu sterben, ist sogar um 670% höher.

      Aber: Sie verkaufen sich nicht; sie nehmen nicht die Entschädigung von 105 Millionen US-Dollar an, die ihnen 1980 zugesprochen wurde. Eine Gruppe von Lakota hat vor wenigen Jahren, im Dezember 2007, sogar eine eigene Republik ausgerufen, die alten Verträge von 1851 und 1868 aufgekündigt und für null und nichtig erklärt.

      Der von den USA betriebene Genozid scheint unaufhaltbar. Das Ende für die letzte Generation an Vollblut-Lakota hat begonnen. In den Reservationen leben weniger als hunderttausend Menschen mit mehr oder weniger Lakota-Blutanteil. Die Zukunft der Indianer Nordamerikas ist aufs Äußerste bedroht.

      Kaum ein Volk steht so sehr wie die Lakota-Indianer für ein Leben im Einklang mit der Natur. Aber genau diese sind, nachdem schon andere Stämme des nordamerikanischen Kontinents vom Erdboden verschwunden sind, zusammen mit ihren ethnischen Genossen praktisch am Aussterben. Andere Völker existieren zumindest weiter, haben – vielleicht – die Chance auf eine Zukunft.

      LEBEN IM EINKLANG MIT DER NATUR

      Die Lakota waren die Menschen, die mit Tieren redeten, die sich aus der Natur nur das nahmen, was sie brauchten – wir spüren intuitiv ihre Weisheit in Bezug auf den Kosmos. Sie waren keineswegs dümmer oder weniger entwickelt als wir, das haben wir mittlerweile endlich erkannt. Sie zählten ein Jahr nicht, wenn es vorbei war. Für sie fängt es im Prinzip immer wieder von vorne an – sie denken zyklisch, wir denken linear.

      Crazy Horse wollte alles so lassen, wie es ist. Das empfand er als Idealzustand, und dafür ist er in den Tod gegangen. Wir wollen den Fortschritt. Denn wir konnten und können mit der Natur nicht so leben, dass wir dabei alles haben, was wir brauchen.

      Betrachten wir die Dimension der vorherrschenden ökologischen Gefahren, könnte man meinen, es bräuchte ein Wunder. Andererseits: Warum sollte eine Zivilisation wie die unsere es nicht schaffen, die Herausforderung der selbst verursachten Schädigung der Natur zu bewältigen?

      Für lange Zeit hielten wir uns an ein rein mechanisches Weltbild – aus der Zeit der industriellen Revolution und ihrer Manufakturen. Es wird heute mehr und mehr durch eine biologisch und physikalisch relativierte Weltsicht ersetzt. Da sollte es kaum abstrus anmuten, bei der Lösung der ökologischen Frage die einfache СКАЧАТЬ