Hüter der Schöpfung. Dr. Stephan Götze
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Название: Hüter der Schöpfung

Автор: Dr. Stephan Götze

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783863741099

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      WIE ALLES BEGANN

      Während im „weißen Amerika“ der Sezessionskrieg (1861–1865) zwischen dem Norden und Süden der Vereinigten Staaten tobte, während die meisten Teile Nordamerikas schon lange erobert und besiedelt waren und die reichen Bodenschätze und Pelztierpopulationen in Kanada längst gieriges Interesse geweckt hatten, lebten die Sioux in der zunächst kaum als interessant betrachteten Prärie von der Lebensweise des „weißen Mannes“ weitgehend unbehelligt. Es war ein relativ friedliches Leben in den Great Plains, einem Gebiet, das sich von Colorado aus über Nebraska, vor allem aber über Süd- und Nord-Dakota bis nach Minnesota und Montana ausdehnt.

      DER GROSSE WENDEPUNKT

      Das Jahr 1877, genauer: der 7. Mai 1877, ist heute noch für unser modernes Leben von entscheidender Bedeutung. Dieser Tag markiert das Ende des freien Indianerlebens und ist – der festen Überzeugung bin ich – der ursprüngliche Beginn all der ökologischen Probleme, mit denen wir aktuell zu kämpfen haben. 1877 waren die anderen Naturvölker schon lange unterworfen. Die Lakota, die zusammen mit den Nakota und Dakota die Grand Sioux Nation bilden, waren die letzten beim Widerstand gegen die neue Welt; sie boten den Besatzern am heftigsten die Stirn. Dieser 7. Mai 1877 ist der Tag, an dem der letzte Häuptling der frei lebenden Lakota-Indianer seine monatelange und entbehrungsreiche Flucht mit einer Gruppe von Männern, Frauen und Kindern abbrach. Seit Langem hatten sie nicht mehr genug zu essen und zu trinken; dem Hungertod wollte Tashunka Witko, der unter seinem englischen Namen Crazy Horse zur Legende wurde, sie nicht ausliefern.

      In Fort Robinson, Nebraska, breitete Crazy Horse an diesem Tag seine Decke aus, legte seine Habseligkeiten nieder und reichte General Crook, dem Befehlshaber in der dort ansässigen Red Cloud Agency, seine beiden Hände. Beide Hände, weil damit nach seinem indianischen Verständnis Verstand und Herz in die bevorstehende Einigung eingingen. Doch es kam anders. Nachdem die weißen Besatzer zuvor schon unzählige Male Verträge gebrochen hatten, war auch dieses Angebot, mit dem man Crazy Horse aus seinem Versteck gelockt hatte, eine Falle. Es ging nicht darum, in Frieden zu verhandeln und seinem Volk Verpflegung und ein weites Land zu sichern. Es ging nur darum, den bekanntesten und widerspenstigsten Krieger an die Kandare zu nehmen. Den letzten der Anführer der Lakota, der sich strikt weigerte, seine Freiheit aufzugeben.

      Die Regierung in Washington hatte einen Ansprechpartner gesucht gemäß den gesellschaftlichen Organisationsvorstellungen, die bei ihnen herrschten: einen Präsidenten oder Premierminister, einen König oder Kanzler – jemanden, der für sein ganzes Volk verbindlich sprechen konnte. Doch so etwas kannten die als Nomaden lebenden Lakota nicht. Ihr Gesellschaftssystem war (und ist bis heute) anders; es war und ist im Grunde gar kein politisches Gefüge, denn es basiert eher auf den Werten ihrer Religion. Alles zu Regelnde ergab sich daraus.

      Bei den Lakota konnte sich jeder aussuchen, welchem Häuptling er folgen wollte, und man konnte sich stets wieder „umentscheiden“. Häuptling wurde man dadurch, dass man sich diese Würde verdient hatte und zudem als Oberhaupt akzeptiert wurde. Zwar kam es vor, dass der Sohn eines Häuptlings ebenfalls Häuptling wurde, aber zwingend war dies nicht. In der Gesellschaft der Lakota gab es kein Geld, keine Gefängnisse, keine Krankenhäuser und keine psychiatrischen Anstalten. „Verrückte“, wie wir sie nennen, galten beispielsweise als von Gott bevorzugt und konnten einfach in der Gruppe mitleben.

      WARUM AUSGERECHNET CRAZY HORSE?

      Crazy Horse war als Krieger in kurzer Zeit (bis 1874 kannte ihn kaum jemand unter den Weißen) zu solchem Ruhm gelangt, dass die damalige amerikanische Regierung 1877 mit ihm als Oberhaupt verhandeln wollte. Im Archiv der West Point Military Academy in den USA findet man zahlreiche Angaben, wie unglaublich den Weißen die „Unverwundbarkeit“ von Crazy Horse erschienen sein muss: Er wurde in keinem der vielen Kriege und Scharmützel, in denen er meist an vorderster Front stand, auch nur einmal getroffen. Kurz vor diesen Kämpfen ritt er verschiedene Male allein die Front der Gegner ab, um die Schussweite der feindlichen Gewehre zu erkunden. Hatte er dann die Feuerdistanzlinie erreicht, trabte er seelenruhig ein wenig umher, bevor er zu seinen Männern zurückkehrte und mit ihnen zusammen den Kampf eröffnete.

      Crazy Horse schaffte es, den Lakota – die Strategie nie mochten, sondern gewohnt waren, wild drauflos zu schlagen – ein sogenanntes Outflanking (einen militärstrategischen Schachzug) beizubringen. Er war an zweiundzwanzig kleinen und großen Schlachten beteiligt – und gewann sie alle. In der Schlacht am Rosebud in Süd-Dakota im Jahr 1876 gelang es ihm, mit Pfeil und Bogen und ein paar Gewehren den übermächtig bewaffneten Militärs unter Leitung von General Crook eine Niederlage zuzufügen. Doch Häuptling im eigentlichen Sinn hat er sich selbst nie genannt und war er eigentlich nie – bis auf die letzten Tage und Stunden der Lakota in Freiheit.

      DIE SCHLACHT AM LITTLE BIGHORN

      Am 25. Juni 1876 wurde die 7. Kavallerie, das Aushängeschild der damaligen US-Armee, fast bis auf den letzten Mann vernichtet. Dabei fiel der nicht nur bei den Lakota zu Recht verhasste Generalmajor Custer, der jüngste Mann, der je in West Point einen Generalsrang erreichte, ein „Held“ der inneramerikanischen Kriege. Nicht nur den Lakota war dieser Mann bestens bekannt als hinterhältiger Kinder- und Frauenmörder. Er war stolz auf dieses „Lebenswerk“, hatte nachts mit einem großen Trupp ein Dorf friedlich schlafender Lakota ohne Vorwarnung angegriffen und Männer, Frauen und Kinder niedergemetzelt. Und das nur, um seinen Vorgesetzten zu beweisen, dass er der ideale Mann für die Beseitigung des „Indianerproblems“ war.

      Selbst wenn Little Bighorn als bis dato größte Niederlage der amerikanischen Armee gilt: Es ist historisch erwiesen, dass weder Sitting Bull noch Crazy Horse die Schlacht am Little Bighorn geplant und ausgeführt haben. Die Niederlage der Regierungstruppen ist wohl vielmehr Custer selbst zuzuschreiben: Er wollte den sicher geglaubten Sieg nicht teilen und stieß daher allein gegen die Lakota vor. Diese hatten sich für ein Stammestreffen versammelt, als plötzlich die Nachricht vom Anmarsch amerikanischer Truppen kam. Tausende von Lakota standen lediglich Hunderten von Soldaten gegenüber. Die 7. US-Kavallerie wurde praktisch ausgelöscht – bis auf wenige Männer, die, so sagt die Überlieferung, „erzählen sollten, was sie erlebt hatten“. Diese Überlebenden rächten sich furchtbar: Sie waren beim Gemetzel von Wounded Knee im Jahre 1890 dabei, bei dem im sehr kalten Winter etwa 300 wehrlose Indianer – Frauen, Kinder und Männer – gnadenlos getötet wurden. Wounded Knee gilt bis heute als letzter tragischer Punkt in der Geschichte der Indianer.

      Sitting Bull war beim direkten Kampf bei Little Bighorn gar nicht dabei, sondern er blieb im Lager und betete. Crazy Horse stieß erst später mit seinen Männern dazu, als der Sieg quasi schon errungen war. Die Schlacht trägt definitiv nicht die Handschrift von Crazy Horse, der beispielsweise das Skalpieren, zu dem es bei diesem Kampf kam, ablehnte. Dennoch wird die Schlacht am Little Bighorn als größter Erfolg von Crazy Horse und Sitting Bull gewertet, während die einundzwanzig anderen dokumentierten großen und kleinen militärischen Auseinandersetzungen, die er tatsächlich federführend oder wesentlich mitverantwortlich gestaltete und dabei seinen Ruf der Unverwundbarkeit festigte, nur wenigen Experten bekannt sind.

      DER PLAN ZUR VERNICHTUNG DER LAKOTA

      Nach der Schlacht am Little Bighorn wurde vonseiten der Weißen nichts mehr ausgelassen, um die Lakota, die letzten freien Indianer, zu unterwerfen, am besten jedoch völlig auszulöschen. Man schenkte Kindern vergiftete Decken, die sie in die Lager trugen. Man tötete von einstmals Millionen von Büffeln, die Lebensgrundlage für die Lakota, alle bis auf wenige Hundert. Und man jagte die Indianer, allen voran Crazy Horse. Dieser hatte sich zwar seinen Namen als großer Krieger erworben, doch mit der Schlacht, an der er nicht entscheidend teilgenommen hatte, die er weder wollte noch leitete, lenkte er die Zerstörungswut der Weißen auf sein Volk. Und damit den Zorn seiner Nation auf sich.

      Ab dem Spätsommer 1876 verfolgte die amerikanische СКАЧАТЬ