Der Schoppenfetzer und die Satansrebe. Günter Huth
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Название: Der Schoppenfetzer und die Satansrebe

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429063993

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СКАЧАТЬ fachmännisch auf mehreren gepolsterten Balken und war sorgfältig abgedeckt. Der Mann lüftete die Folie und warf einen flüchtigen Blick auf die vom Zahn der Zeit stark angegriffene Inschrift:

       „Anno domini 1531 am abent Kiliani starb der ersam und kunstreich Tilman Riemenschneider bildhauer, burger zu Würzburg, dem got genedig sey. Amen.“

      An der Decke des Raumes befand sich eine Laufkatze, mit deren Hilfe sich schwere Gegenstände in diesem Magazin heben und bewegen ließen. Der Mann führte zwei stabile, weich gepolsterte Gurte unter dem Stein hindurch und betätigte die Hebevorrichtung. Als er den Stein an der Außenkante anhob, um ihn erst auf die Seite zu stellen und dann auf die Vorderfront zu legen, traten ihm vor Anstrengung die Sehnen am Hals hervor. Er keuchte. Schließlich hatte er es geschafft. Langsam ließ er die Steinplatte wieder herab. Nun holte er aus der mitgeführten Werkzeugtasche einen Akkubohrer, der mit einem sehr dünnen Steinbohrer bestückt war. Er nahm kurz Maß, dann setzte er den Bohrer an. Das Material war nicht sonderlich hart und der Bohrer drang problemlos ein. Nach wenigen Zentimetern fuhr der Bohrer ins Leere. Er war offensichtlich richtig informiert: In der Rückseite des Grabsteines befand sich tatsächlich ein Hohlraum. Der Mann legte den Bohrer in die Tasche zurück und griff sich einen spitzen Meißel und einen Holzschlägel. Mit wenigen gekonnten Schlägen vergrößerte er das Loch. Bei jedem Schlag sprangen Steinsplitter von der Grabplatte ab.

      Als er das Loch vorsichtig so weit geöffnet hatte, dass er in den Hohlraum sehen konnte, holte er eine Taschenlampe hervor und leuchtete hinein. Ein zufriedenes Grunzen entfuhr ihm. Seine Mühe wurde belohnt: Hinter der Rückwand waren die Konturen eines kleinen Steinreliefs zu erkennen. Vorsichtig arbeitete er weiter. Jetzt waren auch die Konturen eines steinernen Einsatzes zu erkennen, mit dessen Hilfe der Steinmetz, der diesen Grabstein einst geschaffen hatte, den Hohlraum im Stein geschickt verschlossen hatte – so kunstfertig, dass man auch bei genauerer Betrachtung keine Anschlussstellen erkennen konnte. Schon bald hatte er diesen Deckel so weit entfernt, dass er eine kleine Steintafel entnehmen konnte.

      Aus dem Stein war ein Bildnis herausgearbeitet, das so gut erhalten war, als hätte man es erst gestern in sein Versteck gelegt. Er hielt sich aber nicht lange mit der Betrachtung auf, weil er möglichst schnell wieder von hier verschwinden wollte. Die Tafel schlug er in ein weiches Handtuch ein und schob sie in ein leeres Seitenfach seiner Werkzeugtasche. Dieser Fund war von unschätzbarem Wert. Jetzt machte sich der Mann daran, seine Spuren zu beseitigen. Er kehrte die Steinsplitter zusammen und füllte sie in den Hohlraum der Platte. Aus seiner Tasche holte er die bereits fertige Mischung eines Schnellbinderbetons, aus einer Plastikflasche goss er Wasser in das Pulver und rührte gründlich mit einem Spachtel um. Dann goss er den Brei in den Hohlraum im Stein. Wenige Minuten später war das Loch ausgegossen. Weil er zudem ein Farbpulver untergemischt hatte, war der ausgetrocknete Beton vom natürlichen Stein der Grabplatte bei flüchtigem Hinsehen kaum zu unterscheiden. Sobald der Beton ausgehärtet war, konnte er die Grabplatte wieder umdrehen und endlich verschwinden.

      ❖

      Der international bekannte amerikanische Regisseur Christos Kelleroulos, dessen Wurzeln im unterfränkischen Rimpar lagen, schob mit einem heftigen Ruck den Schild seiner Baseballkappe nach hinten und wischte sich mit einem knallroten Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn. Dann sprang er trotz seiner durchaus fülligen Figur mit einer unerwarteten Dynamik, um nicht zu sagen überraschenden Leichtigkeit aus seinem Klappstuhl. Alle Beschäftigten am Filmset zogen ruckartig den Kopf ein und bewegten sich unauffällig außer Reichweite des Filmemachers. Diejenigen unter ihnen, die schon öfters mit ihm gearbeitet hatten, wussten, dass sich Kelleroulos’ recht dünner Geduldsfaden kurz vor dem Zerreißen befand. Sein Gesicht unter dem dicht an den Kopf gegelten Haar hatte eine unnatürliche rote Farbe angenommen. Kelleroulos war bei der Arbeit ein wahrer Vulkan, der zu heftigen Ausbrüchen neigte. Ein solcher stand offenbar kurz bevor.

      „Cut! Cut!“, schrie er mit sich überschlagender Stimme und wedelte dabei heftig mit den Armen in der Luft herum, wobei er fast einen Scheinwerfer umgeworfen hätte. „No, no, so geht des fei werkli nit!“ Seit Kelleroulos sich wieder in heimischen Gefilden aufhielt, vermischte er mit einer gnadenlosen Selbstverständlichkeit breites Amerikanisch mit unterfränkisch-ländlichem Dialekt – für diejenigen seiner Filmcrew, die er aus den Staaten mitgebracht hatte, nicht gerade einfach zu verstehen. Aber das war dem Meister egal. Kelleroulos schob den Kameramann, der mit der Handkamera am Boden kniend gerade eine Szene aufnehmen sollte, so heftig zur Seite, dass dieser fast umfiel.

      „Mister Rottmann, ich hab’s Ihne jetzt doch scho zum dritte Mal explained. Sie komme zügich von links, lasse Ihrn Dog, ich meen des Hündle, ordentlich rechts an der Leine geh und halte Ihr Pfeife in der linke Hand. Dann mache Se en Schwenk to the right in Richtung von dem Eingang vom Maulaffenbäck. Dort klopfe Se Ihr Pfeife in dem Aschebecher da vorne aus. Dabei müsse se carefully druff acht, dass mer Ihre rechte Seite gut sieht, sonst kann der Kameramann des Ausklopfe nit in der gewünschte Großaufnahme eicatch. You know? Anschließend stecke Se die Pfeife in Ihre Jacketasche und entern mit Ihrm Hündle die Weinstube. Damit wär die Szene dann endlich im Kaste und wir für heut da herause in der Maulhardgass ready. Des kann doch realy nit so schwer sei! Also, jetzt concentration Se sich! Des muss jetzt klapp, sonst bekomme mer da in dere düstere Gasse Probleme with the light, ich meen mit dem Licht!“

      Erich Rottmann fuhr sich gereizt durch seinen kurzen Haarschopf. Er verfluchte den Tag, an dem er sich von dem bekannten Würzburger Sensationsreporter Schöpf-Kelle hatte überreden lassen, in diesem Film eine kleine Rolle zu übernehmen. Rottmann hatte es zuerst gar nicht glauben wollen, als er erfuhr, dass eine solche Filmgröße wie Christos Kelleroulos bereit war, bei einem Film Regie zu führen, für den Schöpf-Kelle das Drehbuch geschrieben hatte und der in Würzburg spielen sollte – bis er dann herausbekommen hatte, dass Kelleroulos ein Vetter zweiten Grades von Schöpf-Kelle war. In jungen Jahren war er aus Rimpar aufgebrochen, hatte auf einer Filmakademie in den Staaten das Handwerk von der Pike auf gelernt und später unter seinem Künstlernamen in den USA als Regisseur Karriere gemacht. Nur deshalb und weil Kelleroulos Heimweh hatte und gerne wieder einmal ein paar Wochen in seiner Heimat verbringen wollte, war es Schöpf-Kelle gelungen, ihn zu beschwatzen, diesen Film mit dem Titel „Der Mörderschoppen“ zu drehen. Nach Schöpf-Kelles Vorstellungen sollte die Geschichte ausschließlich an Schauplätzen in Würzburg und Umgebung und – wegen der Authentizität – mit unterfränkischen Darstellern gedreht werden. Der Ausgangspunkt der Geschichte war der Maulaffenbäck, eine der ältesten und traditionsreichsten Weinstuben der Stadt. Einige Laiendarsteller standen nach der Vorstellung des Drehbuchautors von Anfang an fest: Erich Rottmann und sein Stammtisch Die Schoppenfetzer. Es hatte eine riesige Begeisterung unter den Mitgliedern des Stammtisches ausgelöst, als sie von ihrer Berufung erfahren hatten. Dass sich besonders Rottmann zu dieser Sache bereit erklärt hatte, grenzte an ein Wunder. Alle anderen Schauspieler, die selbstverständlich Profis waren, mussten ihre unterfränkischen Sprachkenntnisse im Rahmen eines harten Castings unter Beweis stellen.

      Was war der eigentliche Grund dieses wagemutigen Projekts? Der Bayerische Rundfunk hatte aus unerfindlichen Gründen und für die bayerische Filmszene völlig überraschend seine bisher gepflegte Ignoranz gegenüber Unterfranken als Spielort von Fernsehfilmen aufgegeben. Insider vermuteten, dass der Grund dafür war, dass Hollywood einen Großteil seiner Neuverfilmung des Klassikers „Die drei Musketiere“ in Würzburg abgedreht hatte und dieser Film weltweit ordentlich Kasse machte. Jedenfalls beauftragte der BR irgendwann die kleine, aber leistungsfähige Produktionsgesellschaft RMP – Rümprer Movie Production, das Drehbuch von Schöpf-Kelle umzusetzen. Besonders verwunderlich war, dass man den Film sogar mit einem ordentlichen Budget ausgestattet hatte. Es wurden auch keine Einwände erhoben, als der Drehbuchautor und der Regisseur wegen der von ihnen angestrebten Authentizität darauf bestanden, in einigen kleineren Rollen geeignete Laiendarsteller einzusetzen. Die Schoppenfetzer als unterfränkische Patrioten hatten natürlich die bisherigen kläglichen Versuche des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, Fränkisches auf die Mattscheibe zu bringen, schmerzlich zur Kenntnis genommen. Nach einem langen Abend am Stammtisch mit viel Wein und langen Gesprächen СКАЧАТЬ