Название: Lebendige Seelsorge 6/2020
Автор: Verlag Echter
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429064761
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Plötzlich sind die jahrelangen massiven Bedenken im Blick auf den Datenschutz nachrangig im Blick auf die Möglichkeiten, die sich hier bieten. Es gibt neue digitale Gemeinschaften, die sich bilden. Zugleich aber gibt es wie bei allen Veränderungen und Entwicklungen auch hier jene, die dabei nicht mitkönnen: weil sie aus finanziellen oder anderen Gründen die technischen Möglichkeiten nicht haben. Oder weil sie zu alt sind, um in diese virtuelle Welt einzusteigen. Somit stellt sich hier die Aufgabe, sorgsam zu achten, wer übersehen oder abgehängt wird. Und auch die Verbindung von realer und virtueller Welt zu halten: Denn bei aller Sympathie für die Notlösung von digitalen Formen des Gottesdienstes, kann die physische Begegnung, das gemeinsame Singen, Beten und Sich-Wahrnehmen in einer Gemeinschaft vor Ort nicht ersetzt werden.
UND DIE THEOLOGIE?
Der Alttestamentler Thomas Hieke spricht davon, dass man mit Theologie in der Coronakrise gegen Verschwörungstheorien vorzugehen habe – und exemplifiziert dies anhand der Schöpfungserzählungen. Dies ist schließlich auch eine zentrale Aufgabe für Theologie und Kirche: Auskunftsfähig zu bleiben angesichts der vielen Fragen. Theorien zu hinterfragen – und nicht vorschnell Lösungen anzubieten. Denn natürlich hat die Pandemie auch viel mit Gott zu tun – wie es u. a. Regina Polak in mehreren Beiträgen im Blog theocare dargelegt hat. Doch ist er nicht zu vereinnahmen für eine bestimmte Deutung der Pandemie – sondern es sind die gängigen Gottesvorstellungen dahingehend zu hinterfragen, ob sie Bestand haben in dieser Krise, ob sie ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösungen sind. Oder wie es Hieke nennt: „Mit Vernunft und Denken“ ist an die Krise heranzugehen. Und es geht um die Fragen von Gerechtigkeit und die Verantwortlichkeit des Menschen darin.
LINKS UND LITERATUR
Blog des Instituts für Praktische Theologie Wien theocare.network. Theologie im Zeichen von (Post)Corona, https://theocare.wordpress.com.
Forschungsprojekt Churches Online in Times of Corona, https://contoc.org/de/contoc.
Hieke, Thomas, Mit Theologie gegen Verschwörungstheorien in der Corona-Krise; abrufbar unter: https://www.katholisch.de/artikel/26091-mit-theologie-gegen-verschwoerungstheorien-in-der-corona-krise.
Knobloch, Stefan, Seelsorge – Sorge um das Menschsein in seiner Ganzheit, in: Haslinger, Herbert (Hg.), Handbuch Praktische Theologie [Bd. 2: Durchführungen], Mainz 2000, 35–46.
Pock, Johann, Seelsorge in der Coronakrise: Solidarität und Hoffnung, abrufbar unter: https://theocare.wordpress.com/2020/05/06/seelsorge-in-der-coronakrise.
Reuter, Wolfgang, Wie Seelsorge in Corona-Distanz eine Chance sein kann; abrufbar unter: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/wie-seelsorge-in-corona-distanz-eine-chance-sein-kann.
Themenseite der Deutschen Bischofskonferenz zum Coronavirus, https://www.dbk.de/themen/coronavirus.
Themenseite des theologischen Feuilletons feinschwarz.net zu Corona, https://www.feinschwarz.net/category/corona.
[Links alle zuletzt eingesehen am 07.11.2020]
Was Kirchen jetzt lernen können: Seelsorge neu und Hauskirche breit qualifizieren
Die Replik von Christiane Bundschuh-Schramm auf Johann Pock
Ich stimme Johann Pock vollumfänglich zu, dass die Coronakrise die Stärken und Schwächen der Kirchen deutlicher gemacht hat. Sie liegen mittlerweile übersichtlich auf dem Tisch, die Veröffentlichung weiterer Studien, wie z. B. CONTOC (vgl. 442ff. dieses Heftes), wird das Bild abrunden. Die Desiderate und Chancen hat Pock in treffende Bereiche eingeteilt, nämlich Macht, Liturgie, Seelsorge, Digitalisierung, Lebensbewältigung und Theologie. Über das Ende der Pastoralmacht und das Ende eines liturgischen Monopols ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Mir gefällt, dass Johann Pock dem Thema Seelsorge so viel Raum einräumt: Seelsorge ist ein Auftrag aller Christen und Christinnen und wurde auch an vielen Orten von allen pastoralen Berufen und christlich Berufenen geleistet, sie wird innerkirchlich wie außerkirchlich leicht übersehen und wäre neu zu konturieren. Zum einen evoziert sie eine „Geh-Hin-Kirche“ mit „unaufdringlicher Antreffbarkeit“. Sie fordert ein „Zu-Gast-Sein“ (Kling-Witzenhausen, 280–284), stellt also neue Anforderungen an die Organisation der Seelsorge. Zum anderen stellt sich aber auch die inhaltliche Frage. Pock schreibt, dass „gerade die aktuelle Situation die gängigen Modelle seelsorglichen Handelns auf den Prüfstand“ stellt. In Gesprächen habe ich oft gehört, dass die Seelsorge in der Krise besonders wichtig wurde, dass ehrenamtliche Netzwerke goldwert waren, wenn es um die aufsuchende Pastoral ging, die ja zur einzig möglichen geworden war. Aber ich habe auch die Frage gehört: „Was ist überhaupt Seelsorge?“ Die pastoralen Dienste sehnen sich danach, Seelsorger*innen zu sein, aber einige haben auch eingeräumt, dass bei den angegebenen Telefonnummern niemand angerufen hat oder dass die Anrufe in der zweiten Welle stark zurückgehen. Das sind sicher Einzelstimmen, aber sie zeigen vielleicht doch, dass gesellschaftlich unklar ist, was Christen und Christinnen und das pastorale Personal anzubieten haben, wenn sie Seelsorge anbieten. In den ausdifferenzierten professionellen Seelsorgebereichen wie Krankenhaus und Gefängnis dürfte das klarer sein als in der unbestimmten Mehrzahl kirchlicher Orte. Was ist Seelsorge über ein menschliches füreinander Aufmerksamsein und aufeinander achtgeben und dabei nicht die Armen der Welt vergessen hinaus? Oder ist Seelsorge einfach der christliche Name dafür?
Wenn aber Seelsorge etwas spezifisch christliches ist, ist dieses Spezifikum dann überhaupt gesellschaftlich gefragt? Seelsorge als Sichaussetzen, wie Pock schreibt, empfinde ich als hilfreiche Idee. Ich ergänze aber noch: Interesse am anderen, an seiner aktuellen Befindlichkeit, aber auch an seinen/ihren Sinnresourcen und Deutungen, die angesichts der persönlichen Krise greifen oder nicht greifen, und die Kompetenz, diese sprachlich und symbolisch zu stärken oder mit der Person nach neuen (christlichen) Ressourcen zu suchen. Ich meine schon, dass wir wissen müssen, warum wir von Seelsorge sprechen und der Begriff nicht nur ein Äquivalent zu säkularen Vollzügen darstellt.
Johann Pock erwähnt zweimal den Begriff der Hauskirche. Einmal stellt er fest, dass sie gelebt bzw. wieder entdeckt wurde, die zweite Stelle spricht von der liturgischen Hauskirche, die er auf Seelsorge hin entgrenzen will. Ich nehme die Rezeption der Hauskirche entsprechend wahr und gleichzeitig ärgere ich mich über diese liturgische Verkürzung, die dann augenblicklich kritisiert wird, als ob das private Haus zum Konkurrenten der kirchlichen Gebäude werden könnte. Die Hauskirche ist ja ein biblisches Phänomen, aber biblisch war sie nicht nur liturgisch konzipiert. Wenn Hans Josef Klauck von der sich hausweise konstituierenden Kirche spricht, dann meint er die Hauskirche als СКАЧАТЬ