Название: Extra Krimi Paket Sommer 2021
Автор: A. F. Morland
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783956178986
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Nach drei unbehaglichen Minuten spazierte ein großer, kräftiger, auffällig gebräunter Mann ins Wohnzimmer. Er mochte Mitte dreißig sein, trug auf der Stirn das Schild Sportfanatiker und unter dem Kinn den Hinweis: Vorsicht, verträgt keinen Spaß.
Rogge war er auf den ersten Blick unsympathisch und deshalb erhob er sich besonders höflich: »Herr Welder?«
»Ja.« Kein Gruß, auch Welder liebte es kurz angebunden da, wo er glaubte, auf Höflichkeit verzichten zu dürfen, und sein Blick verriet, dass er Rogge längst als unbedeutend, außerdem als lästig klassifiziert hatte.
»Mein Name ist Rogge, von der Firma Terrana Immobilien.« Sein erwartungsvolles Lächeln löste bei Welder nur ein Stirnrunzeln aus.
»Ja?«, machte Welder noch einmal, schon hörbar unfreundlicher.
»Ich komme wegen der Hotelanlage in Sunderloch.« Dabei griff Rogge mit großer Gebärde nach seiner Aktenmappe, was den Zweck nicht verfehlte.
»Sunderloch?«
Rogge verlangsamte seine Bewegung und zauberte einen Ausdruck von besorgter Unsicherheit auf sein Gesicht. »Ja, Sie wollten doch mit uns sprechen ...«
»Ich mit Ihnen?« Welder bekam schmale Augen.
»Ja, doch. Wegen der Hotelanlage, der Beteiligung ...« Er war immer leiser geworden.
»Wie heißt Ihre Firma?«
»Terrana Immobilien.«
»Kenne ich nicht.« Welder presste die Lippen zusammen.
»Das verstehe ich nicht. Ich bin doch extra aus Stuttgart ... Arno Welder, Klenzestraße.«
»Ja, der bin ich, aber Ihre Klitsche kenne ich nicht, und nun machen Sie, dass Sie verschwinden.«
Gegen einen sauberen Rauswurf wehrte Rogge sich nicht, langte nach seiner Mappe und verbeugte sich tief verletzt, aber höflich vor ihr und ihm. Sie gluckste, als habe eine Fliege Männchen gemacht.
Auf der Straße grinste Rogge. Hätte er sich ordnungsgemäß bei seinen Hannoveraner Kollegen angekündigt, würde er denen jetzt den Tipp geben, sich um die Einkommensverhältnisse dieses Arno zu kümmern.
Goldkettchen, Goldamulett, Rolex, das Seidenhemd halb bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Und so viele Haare auf der gebräunten Brust, freilich nicht dicht genug, die Tätowierung zu bedecken. Zuhälter-Uniform.
Den durfte er streichen! Seine sexuellen Bedürfnisse konnte Arno jederzeit in nächster Umgebung stillen.
Die Ulanenstraße verriet weniger Geld als die Klenzestraße und die Nummer 35 gehörte zu einer Zeile von Stadthäusern, die offenbar der Zerstörung ringsherum entgangen waren, Wand an Wand errichtet, mit den Giebel-Schmalseiten zur Straße.
Eberhard Böttiger schien über die Störung alles andere als erfreut. Er war Ende vierzig, mittelgroß und schleppte einen winzigen Bauch mit sich herum, der ihn zwar gemütlich aussehen ließ, aber seiner Eitelkeit ein schlechtes Zeugnis ausstellte. Und eitel schien er zu sein, Rogge erkannte dieses schnelle, nervöse Blinzeln, mit dem Kurzsichtige, die keine Brille aufsetzen wollten, ihre Nöte verbargen.
»Terrana Immobilien? Das muss ein Irrtum sein.«
»Ich habe von der Firma Ihren Namen und Ihre Anschrift erhalten«, stotterte Rogge.
»Hotelanlage in Sunderloch - tut mir Leid, Herr Rogge, davon hab ich nie gehört, das muss eine Verwechslung sein.«
»Ja, wird wohl«, gab Rogge zu und alles Elend einer langen, vergeblichen Fahrt schwang in den drei Silben so vernehmbar mit, dass Böttiger ihn mitleidig musterte. Aber trotzdem nicht ins Haus bat!
Nach zwei Stunden wurde ein günstiger Parkplatz frei, Rogge holte sein Auto und richtete sich auf eine lange Wartezeit ein, die zum Glück schon eine Stunde später endete. Böttiger verließ das Haus, begleitet von einer jüngeren Frau in einem Umstandskleid, Hand in Hand, und Böttiger bemühte sich um sie, als führen sie direkt zur Entbindung ins Krankenhaus. Was, wie Rogge schätzte, bei normalem Verlauf noch gut zwei Monate Zeit hatte.
Böttiger verfrachtete die Schwangere sorgsam in einer viertürigen Familienkutsche. Danach stürzte er ins Haus und kehrte mit einem Kleinkind auf dem Arm zurück, das er ihr ins Auto reichte, um dann den Klappwagen und eine Kinderliege zu holen, die er auf der Rückbank festschnallte. Dann legte sie das Baby in die Liege, während er den Klappwagen im Kofferraum verstaute und das Haus verschloss.
Rogge schüttelte den Kopf: Wie kompliziert Ausflüge mit Kleinkindern waren, hatte er schon vergessen. Rogge strich Böttiger von seiner Liste.
Sein letzter Kandidat hieß ebenfalls Eberhard mit Vornamen, Eberhard Fuhrmann, Van-Haaren-Allee. Grau angelaufene vier-und fünfstöckige Mietshäuser, die ihren besten Jahren nachtrauerten und aus großen, altmodisch hohen Fenstern triste auf ihn herabblickten. Die Straßenränder bis auf den letzten Zentimeter zugeparkt, ein großer Teil der Bürgersteige zugestellt und auf den beiden verbleibenden Fahrspuren rollte pausenlos der Verkehr.
Zunehmend gereizt kurvte Rogge durch das Viertel, bis er einen Parkplatz fand, und musste sich anschließend zur Van-Haaren-Allee durchfragen.
Zehn Mietparteien, Fuhrmann schien im obersten Stockwerk zu wohnen. Fünfmal klingelte er vergeblich, bis Rogge auf gut Glück den Knopf daneben drückte. Jetzt schnarrte der Öffner.
Im Treppenhaus roch es ungelüftet und die praktische Ölfarbe, ein scheußliches Oliv, blätterte an einigen Stellen ab. Im letzten Stock hatte ein alter Mann seine Wohnungstür einen Spalt aufgezogen und schaute ihm griesgrämig entgegen; Rogge schoss durch den Kopf, dass der Mann neben seiner Klingel unten ein Schildchen anbringen sollte: Verbitte mir jede Störung.
»Guten Tag, Herr Vorwerk, entschuldigen Sie bitte die Störung, mein Name ist Rogge, Jens Rogge.«
»Guten Tag«, quäkte der Alte.
»Ich bin ein alter Bekannter von Herrn Fuhrmann und wollte ihn besuchen, aber er scheint nicht zu Hause zu sein.«
Seine Antwort überlegte sich Vorwerk gründlich. »Nein.« Der Name Fuhrmann hatte bei ihm keine freundlichen Assoziationen ausgelöst.
»Wissen Sie zufällig, wo er ist? Oder wann er zurückkommen wird?«
Unwillkürlich spitzte der Alte die Lippen, als wolle er ausspucken. Zwischen ihm und seinem Nachbarn mangelte es offenkundig an Harmonie.
»Wir haben uns vor vielen Jahren aus den Augen verloren, und weil ich nun mal zufällig in Hannover bin ...«, bat Rogge.
»Keine Ahnung, wo der sich rumtreibt.« Das hörte sich so kratzig und falsch an, als feile Opa Vorwerk Stahl.
»Ich hab’s auch schon in der Firma versucht, aber da nimmt niemand ab.«
»In der Firma?«
Vorsicht, dünnes Eis! »Ja«, bestätigte Rogge verwundert, »wir haben uns bei Phoenix kennen gelernt.«
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