Achtsamkeit, Meditation & Psychotherapie. Chogyam Trungpa
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Название: Achtsamkeit, Meditation & Psychotherapie

Автор: Chogyam Trungpa

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783867812498

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СКАЧАТЬ Aber wir können sie auch nicht verfehlen, wenn sie sich in unserem Erleben zeigt. Und allmählich entwickeln wir ein Vertrauen in ihre ständige Präsenz, so wie wir wissen, dass unsere Lungen Luft zum Atmen finden werden, ein und aus, ein und aus. Wir müssen nicht extra daran denken.

      An diesem Punkt können wir nicht mehr behaupten, dass wir oder irgendjemand anders im tiefsten Kern beschädigt ist. Im Gegenteil, „die Welt, in der wir leben, ist fabelhaft. Sie ist ausgesprochen brauchbar. …

      Wir sollten erkennen, dass in dem, was wir sehen, keinerlei Gier, Aggression oder Ignorierenwollen existiert. … Was immer wir tun, ist heilig“ (Seite 49 und 50).

      Diese sagenhafte Heiligkeit bedeutet, dass die buddhistische Psychologie kein Therapieren oder Heilen kennt. Im Märchen verwandelt sich der Frosch durch einen Kuss in einen Prinzen. Im Buddhismus wird der Frosch jedoch als Frosch gekrönt. Unser Brunnen ist ein Königsthron. „Man erkennt, dass man fähig ist, wie ein König oder eine Königin auf dem Thron zu sitzen. Das Majestätische dieser Situation zeigt einem, welche Würde darin liegt, einfach still dazusitzen“ (Seite 53). „Man bekommt deshalb allmählich das Gefühl, dass man, ohne Egozentrik, der König des Universums ist. Weil Sie das Unpersönliche begriffen haben, können Sie eine Persönlichkeit werden. … Dieses Stadium heißt Erleuchtung“ (Seite 96).

      An diesem Punkt kehrt sich unser Verhältnis zum Sein völlig um. Wir fangen nicht mehr mit unserem Erleben an und versuchen seine verwirrende Vielfalt auf der Suche nach Tiefe, Klarheit oder Buddha zu durchschauen. Stattdessen entdecken wir, wie wir im grundlegend Guten ruhen, und aus ihm entfaltet sich in seinem eigenen Rhythmus ständig unser Erleben. Wir brauchen keinen Klammergriff aufzubrechen, kein verkrampftes Herz. Wir können offen zu lieben anfangen mit einer Liebe, die weiß, wann etwas festzuhalten und wann loszulassen ist. Weil das so etwas Intim-Unpersönliches ist, können wir eine Persönlichkeit werden – und „ent-werden“.

      Deshalb antwortete Trungpa Rinpoche, als er nach dem Unterschied zwischen Meditation und Psychotherapie gefragt wurde: „Der Unterschied liegt in der Einstellung des Einzelnen zu den Disziplinen Meditation und Psychotherapie. Bei der Psychotherapie im landläufigen Stil hat der Einzelne die Einstellung, dass er wieder gesund werden muss. Er sucht eine Technik, die ihm hilft, seine Beschwerden loszuwerden oder zu überwinden. Die meditative Einstellung akzeptiert auf eine gewisse Weise, dass Sie sind, was Sie sind“ (Seite 224). „So gesehen“, sagt er an einer anderen Stelle, „könnten wir sagen, dass Meditation keine Therapie ist. Wenn es auf dem spirituellen Weg oder bei irgendeiner spirituellen Disziplin irgendwo eine Vorstellung von Therapie gibt, dann wird sie von Bedingungen abhängig. … Die Praxis der Meditation ist die Erfahrung der Totalität. Man kann sie überhaupt nicht einordnen, sondern sie ist absolut universell“ (Seite 232 und 234).

      Sollte also ein authentischer Psychologe Buddhist werden? Natürlich nicht. Wir könnten noch weiter gehen: Ein authentischer Psychologe muss aufhören, Buddhist oder Mensch aus dem Westen zu sein oder irgendetwas, was auf Begriffen, Doktrinen oder Schemata beruht. „Buddhistische Psychologie“ ist also ein seltsamer Begriff. Wir sind im Grund gar keine Psychen, das Ganze ist unlogisch, und der Buddhismus existiert nicht. „Im Grunde gibt es nur offenen Raum, den Urgrund, was wir wirklich sind. Unser grundlegendster Geisteszustand, vor der Erschaffung des Ego, sieht so aus, dass es eine grundlegende Offenheit gibt, grundlegende Freiheit, ein Gefühl der Weite; und diese Offenheit haben wir jetzt und haben sie immer gehabt. … Wir sind dieser Raum, wir sind eins mit ihm“ (Seite 123 und 124)

      Das sind Worte. Deuten sie auf die Wahrheit hin? Das müssen Sie entscheiden, liebe Leserinnen und Leser. Alles, was Sie brauchen, um diese Entscheidung zu treffen, besitzen Sie schon.

      Chögyam Trungpa Rinpoche ist mein Lehrer. Ich bin in der Lage, dieses Vorwort zu schreiben, weil ich denselben Geist habe wie er. Und Sie sind in der Lage, es zu lesen, weil Sie diesen Geist auch haben. Er bildet die Grundlage der geistigen Gesundheit, auf der in jedem Moment diese ganze wunderbare, durchgedrehte, brodelnde Welt entsteht.

      Mein eigener Entwicklungsweg ist in vielerlei Hinsicht den Grundlinien gefolgt, die ich skizziert habe. Meditation und Psychotherapie sind für mich eng miteinander verknüpfte praktische Wege der Befreiung geworden, die sich gegenseitig stützen. Sie gehen mit unbeschreiblicher Präzision auf den Geist ein und befreien seine Aktivität von innen heraus.

      Ein paar persönliche Anekdoten illustrieren das vielleicht ein wenig. Jahrelang wurde ich immer dann, wenn Chaos ausbrach, zu einer Art Polizeihund, der sämtliche Blumenbeete zerwühlte, um den Schuldigen dingfest zu machen. Sowohl auf dem Meditationskissen wie auf der Couch des Therapeuten lernte ich jedoch, mitten in diesem Chaos zu ruhen. „Sie hasst mich, weil …“ wurde einfach wieder zu Schmerz. „Ich hasse sie, weil …“ wurde einfach wieder zu Wut und die einfach wieder zu Schmerz. In diesem Schmerz gab es keine Rechtfertigung, kein Hin- und-her-Überlegen, keine angemessene Reaktion, keine wohlüberlegte Schuldzuweisung, keinen Versuch zu verzeihen, eigentlich nichts irgendwie Bedeutsames. Vor allem gab es kein Heilmittel. Es war einfach Schmerz. Ich entdeckte, dass ich Schmerz ertragen konnte, es tat halt nur ziemlich weh. Und dann tat es nicht mehr ganz so weh.

      Das machte es mir möglich, meine Gefühle wie Kinder zu adoptieren – lebhaft, entzückend, impulsiv, stur, überzeugend und mit unfehlbarer Intuition, was ihre Welt betraf. Aber als ihr liebevoller Vater musste ich entscheiden, wie wir miteinander umgehen sollten.

      Ich habe das auch mit anderen Menschen versucht, wenn sie vor meinem geistigen Auge auftauchten. Mein Vater ist in vielerlei Hinsicht ein schroffer, ehrgeiziger Mensch. Ich entsinne mich, wie ich im Büro meiner Psychotherapeutin saß und mich plötzlich wie ein König fühlte. Ich saß auf einem Felsblock auf dem Gipfel eines Berges, weit unter mir grünes Land bis zum fernen Horizont. Vor mir standen ein Dutzend Leute, darunter mein Papa. „Ich bin so froh, dass du gekommen bist“, sagte ich. Und wortlos machte ich ihn zu meinem Stellvertreter und gab ihm einen Platz direkt rechts neben meinem Thron. Wir hatten die perfekte Rolle für seine immer vorhandene, aber nur in extremen Situationen ausgesprochene wütende Missbilligung gefunden, eine, in der sie gewürdigt werden konnte.

      War das mein Vater oder ich selbst? Wenn ich sage: „Ich liebe dich“, wessen Energie ist das? Wer ist dieses „Selbst“? Mein starkes Gefühl, ich selbst zu sein, dieses Hartnäckig-Individuelle und Isolierte, lockerte sich allmählich. Innen und außen waren schwerer zu unterscheiden. Und das grundlegend Gute fing an, in die Dinge einzusickern. Natürlich erlebten meine Frau und meine Töchter mich nicht immer so. Aber trotzdem war offensichtlich, dass es genug Liebe für alle gab, obwohl ich das gerne vergaß.

      Ich erinnere mich auch an Therapiesitzungen, bei denen nichts passierte – ich schaute einfach meiner Therapeutin in die Augen und sie mir. Und irgendwann ging ich nicht mehr hin, zumindest für eine Weile. Denn obwohl die Muster des Ego von endloser Komplexität sind, gibt es Zeiten, in denen wir auch allein zu Einsicht gelangen. Dann ist unser Seelenleben nicht anders als das Wetter: Bei Regen ziehen wir Hut und Mantel an, oder wir rennen nackt durch den Regen, aber beides kann man nicht richtig persönlich nehmen. Oder richtig ernst. Das setzt gigantische Energien für andere frei. Es zeigt uns auch die gesamte Existenz als ein weites Spielfeld für eine Liebe ohne Hintergedanken.

      Sowohl die Psychologie als auch die Meditation haben eine spezielle Art, mit dem Geist zu arbeiten. Auf gekonnte Weise praktiziert, löst Psychotherapie die raffinierten Verkleidungen auf, mit denen wir unsere Gedanken und Gefühle maskiert haben, und sie stößt dabei auf ein uraltes Bauchgrimmen, das sie als Sprachrohr benutzt hat. Indem diese Muster ans Licht der Sonne kommen, werden sie durchsichtig – wir können sie durchschauen und dadurch mit einer gewissen distanzierten Höflichkeit СКАЧАТЬ