Namen machen Leute. Gabriele Rodríguez
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Название: Namen machen Leute

Автор: Gabriele Rodríguez

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783831257935

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СКАЧАТЬ Vorname, so zum Beispiel 1978. Mit dem Erfolg des Namens als männlicher Vorname ist die weibliche Form zurückgegangen.

      Bei Kevin kommt beispielsweise auch noch das Unterbewusstsein ins Spiel. Es ist nicht so, dass man aus dem Kino kommt und sagt: »So, und jetzt nennen wir unseren Sohn Kevin.« Es ist eher so, dass man den Namen erst einmal positiv besetzt, dann klingt er schön, dann hört man ihn immer öfter, in den Medien, in Gesprächen mit Freuden, und vielleicht nennen auch in der Nachbarschaft einige ihr Kind so. Und schon ist ein Name im Unterbewusstsein verankert. So geht das allen Modenamen: Ein kleiner Schneeball wird zu einer Lawine. Es war damals allerdings noch kein Ausschlusskriterium, wenn man den Namen öfters bei Freunden oder Nachbarn oder im weiteren Umfeld hörte. Heute will ja jeder extrem individuell sein, damals war es eher eine Bestätigung für eine gute Wahl, wenn auch andere diesen Namen an ihr Kind vergaben. Und so nannten in den 1990er-Jahren viele junge Eltern ihr Kind Kevin, völlig unabhängig von Schicht oder Bildungsgrad. Kevin war ein Name wie jeder andere auch, mit einem Hauch Exotik und Extravaganz. Aber irgendwann kippte es.

      ZOOTIERE FERN DES »KEVINISMUS«

      Zootiere scheinen eher altmodische Namen zu bekommen. Vielleicht fürchten die Namensgeber um den Ruf der Tiere?

       Antje, das Walross, wurde 1976 geboren und lebte im Hamburger Zoo Hagenbeck.

       Cornelius I., ein stattliches Nashorn, lebte im Granby Zoo in Québec.

       Heidi, ein Virginia-Opossum aus dem Leipziger Zoo, wurde durch ihr starkes Schielen bekannt.

       Karl Wilhelm, das Flusspferd, kam am 17. Juni 2015 im Karlsruher Zoo zur Welt.

       Knut, der Eisbär, wurde am 5. Dezember 2006 in Berlin geboren.

       Martha, die Wandertaube, war die letzte ihrer Art, die im Zoo lebte. Sie starb 2014.

      Der Prozess der Veränderung in der Bewertung eines Namens ist nichts Neues. Schon in früheren Jahrhunderten war es so, dass ein Name zuerst im Adel oder im gehobenen Bürgertum neu auftrat oder wiederkam. Manch einer, wenn er geeignet war, wurde zum Modenamen. Dann zogen langsam die unteren Schichten nach, die diesen Modenamen der »Oberen« mitbekamen. So begann der Name langsam »abzurutschen«, bis quasi ganz nach unten zu den einfachen Bauern. Für »oben« war er da längst abgegriffen und uninteressant, diese Herrschaften suchten sich wieder neue Namen. So ist der Name im wahrsten Wortsinn »nach unten« durchgereicht worden.

      Und auch heute sind die Mechanismen ähnlich. Nur dass der Name nicht vom Adel und dem Bürgertum bis zum Stand der Bauern durchrutscht, sondern von den Akademikern zu den sogenannten bildungsfernen Schichten. Was neu ist: Er wird nicht mehr nur als unoriginell empfunden, nein, seit etwa 20 Jahren bekommen solche Namen – und da sind wir wieder beim »Kevinismus« und dessen Anfängen – auch schnell etwas ganz Negatives mit. Wenn ein Name unten angekommen ist, dann ist er nicht mehr nur langweilig, sondern auch gleich ein Ausdruck für Dummheit oder Faulheit. Warum das erst seit etwa 20 Jahren so ist, ist schwer erklärbar. Eine Rolle spielen sicher Boulevardmedien (Privatfernsehen) und der Comedyboom, der solch griffige Opfer braucht, um Witze zu transportieren. Der Komiker Michael Mittermaier sagte in einem Programm: »Nur Drogenkinder und Ossis heißen Kevin.« Dabei kommt der Vorname Kevin im Westen Deutschlands viel häufiger vor.

      Das Internet ist ein weiterer wichtiger Grund, warum Namen heute schnell stigmatisiert werden. Via Facebook oder anderen sozialen Netzwerken geht das heute ganz schnell. So wurde der Name Kevin schließlich zum Synonym des »prolligen Hartz-IV-Kindes«. Bei den Mädchen machte derweil Chantal eine ähnliche »Karriere«. Und mich rufen besorgte Eltern aus gehobenen Schichten an, ob der Name, den sie sich für ihr Kind ausgesucht haben, denn auch schon gefährdet sei.

      Erstaunlich ist, dass Kevin in der Unterschicht trotzdem lange ein beliebter Vorname blieb. Dafür ist ein weiteres Phänomen verantwortlich: Während die einen sich längst lustig machen über den Kevin und die Chantal, kommt das in den bildungsferneren Schichten zunächst gar nicht an. Sie haben wenig Kontakt mit denen, die sich über sie lustig machen, sie lesen nicht diese Zeitungen und sehen auch nicht deren Fernsehprogramm. Auch das Verständnis für Ironie und Sarkasmus ist eben nicht so ausgeprägt. Sie bewegen sich vielmehr in Gruppen von Menschen, die (oder deren Kinder) ebenfalls außergewöhnliche oder gar »verrufene« Vornamen haben, und es fällt ihnen nicht weiter auf, dass ihr Name als bildungsfern gilt.

      Eine weitere Pointe erhielt das Thema 2009 durch eine Masterarbeit einer Lehramtsabsolventin. Darin befragte sie Grundschullehrer über ihre Namenvorlieben und ihre Assoziationen diesbezüglich. Auch vorgegebene Namen ließ die Absolventin die Lehrer bewerten. Das Ergebnis: Viele Lehrer haben tatsächlich Vorurteile, und sie bewerten Kinder, die Unterschicht-Namen tragen als eher weniger leistungsstark und verhaltensauffälliger. Angeblich hinterfragten 94 Prozent der Lehrer diese Vorurteile kaum. Besonders freundlich und leistungsstark seien dagegen Jungs mit den Namen Alexander, Maximilian, Simon, Lukas oder Jakob; wie auch Mädchen mit Namen wie Charlotte, Nele, Marie, Emma oder Katharina. Eher schlecht bewertet werden hier Chantal, Justin, Dennis, Marvin oder Jacqueline. Absoluter Negativsieger aber ist Kevin. Eine Lehrerin notierte in der Befragung: »Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose.«1

      Diese Studie und ihr Resultat samt der plakativen Kommentare wurden kritiklos und nur in Teilen von den Medien aufgenommen und verbreitet. Betrachtet man die Studie genauer, muss man aus wissenschaftlicher Sicht dazu feststellen: Exakt 1864 Personen haben teilgenommen. Reduziert auf die Grundschullehrerinnen und -lehrer wurden nur 500 Datensätze berücksichtigt. Davon stammten mehr als die Hälfte der Befragten aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Aus den ostdeutschen Bundesländern beteiligten sich gerade mal sechs Prozent aller Befragten. Dies ist für eine bundesweite Befragung doch sehr unausgeglichen. Der Aspekt der regionalen Unterschiede bei der Vornamengebung sowie Wahrnehmung konnte damit nicht berücksichtigt werden. Die Wahrscheinlichkeit von Verhaltensauffälligkeit und Leistungsschwäche wird Kindern mit den Vornamen Kevin (54 Prozent), Justin (21 Prozent) sowie mit zehn Prozent und weniger Dennis, Marvin, Jacqueline, Chantal, Marcel, Pascal, Maurice, Cedric, Patrick, Michelle, Steven, Jennifer und Mandy zugeschrieben. Die positiv assoziierten Vornamen Alexander, Maximilian, Charlotte, Marie und Maria haben dagegen eine jahrhundertelange Tradition in Deutschland und werden meist als zeitlose, schöne Vornamen empfunden.

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