Название: Karnische Hochzeit
Автор: Reinhard M. Czar
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783990403624
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Diese andere, die Mutter Giuseppe Forzas, schlief ebenfalls in dieser Nacht. Aber nicht in Arta Terme, sondern zig Kilometer entfernt daheim in ihrer kleinen Wohnung in Cividale. Sie sollte erst am nächsten Vormittag mit ihrem Bruder Giorgio anreisen – am Tag vor der Hochzeit, die Brautleute hatten das so gewünscht! Da steckte sicher Giuseppes Zukünftige dahinter! Manchmal hatte sie sie in Gedanken schon als Tipa, eine Tussi, bezeichnet, wofür sie sich schämte. Einmal hatte sie es auch gleich gebeichtet, aber es passierte ihr immer wieder. Bei der Vorstellung, dass also diese Tipa in Kürze ihre Schwiegertochter werden sollte, wälzte sie sich im Schlaf. Und sie, die Mamma, würde dann nur mehr die zweite Geige spielen. Bei den sonntäglichen Ausflügen mehr geduldet als erwünscht, an den Festtagen zwar eingeladen, aber nur weil es sich so gehörte. Von Herzlichkeit keine Spur! Wer konnte es der guten Frau verdenken, dass sie angesichts dieser Sorgen und der bevorstehenden Fahrt nach Arta Terme schlecht schlief in dieser Nacht. In Wahrheit war sie erleichtert, als sie vom nächsten Bauernhof, der in dem kleinen Städtchen Cividale nicht weit entfernt lag, den Hahn krähen hörte und endlich aufstehen durfte.
*
Ob Camilieri und Forza in der Therme drinnen einen Hahn krähen hörten, wissen wir nicht. Möglich wäre es ohne Weiteres, denn auch in Arta Terme lagen die Bauernhöfe nicht weit vom Zentrum des Ortes entfernt. Sehr wahrscheinlich war es angesichts des Lärms und der Hektik, die herrschten, allerdings nicht. Man hatte zwar endlich die eigentlich zuständigen Kollegen in Tolmezzo erreicht, doch die hatten ein wenig übernächtig geklungen, so als wären sie nicht aus dem Schlaf geschreckt worden, sondern noch gar nicht im Bett gewesen. Dabei war gar kein aktueller Fall aus deren Rayon bekannt. Und natürlich waren sie noch nicht da, wahrscheinlich noch nicht einmal weggefahren, obwohl sie ins Telefon mehr gegrunzt als gesprochen hatten, sie würden sich unverzüglich auf den Weg machen.
Camilieri war das mittlerweile egal, die Nacht war ohnehin schon versaut … Inzwischen hatte sein kriminalistischer Instinkt längst von ihm Besitz ergriffen. Er war jetzt ganz Bulle, der nicht eher ruhen würde, bis er den Fall gelöst und den oder die Verantwortlichen für die Sauerei in der Therme dingfest gemacht hatte. Was er nicht wusste, war, wie sich das mit seinen Hochzeitsplänen in Einklang bringen lassen und wie er den Kollegen aus Tolmezzo näherbringen würde, dass er mit deren Auftauchen längst nicht von der Bildfläche zu verschwinden gedachte.
Forza quälten andere Sorgen. Die Idee vom Cornetto zum Caffè, die ihm der Nachtwächter ins Ohr gesetzt hatte, hatte sich in ihm so einzementiert, dass er die gesamte Therme nach einem Kühlschrank, einem Selbstversorgerautomaten oder irgendetwas Ähnlichem durchsuchte, das die gewünschte Begleitung zum Getränk enthalten könnte. Oder zumindest etwas Vergleichbares, er war inzwischen nicht mehr wählerisch.
Als er auf seinem Rundgang wieder einmal Camilieri über den Weg lief, der glaubte, Forza sei in Sachen Spurensuche und -sicherung unterwegs, sagte dieser: „Forza, mir scheint, es dämmert draußen. Wir sollten die Stelle vor dem Fenster in Augenschein nehmen, das vorhin laut unserem Kollegen da geöffnet war.“ Dabei zwinkerte er dem Nachtwächter zu, der sich angesichts der Titulierung als Kollege durch einen echten Commissario geschmeichelt fühlte. „Am besten Sie kommen mit und zeigen uns die Stelle! Sie kennen sich hier eindeutig besser aus als wir.“
Der Nachtwächter ging voran, Camilieri und Forza im Schlepptau. Sie durchquerten das Foyer und begaben sich in die Nachtluft, die zu dieser Jahreszeit trotz schöner Tage bereits empfindlich kalt war und langsam dem kaum weniger kühlen Morgen Platz machte. Der Nachtwächter führte sie zu dem Platz, wo sich das Fenster befand. Knapp davor hielt Camilieri ihn und Forza an den Ärmeln zurück.
„Vorsicht! Vielleicht gibt es Spuren auf dem Boden. Dieses Fenster stand gestern bei Ihrem Rundgang also offen?“, fragte er noch einmal. „Sì, Commissario“, bestätigte der Nachtwächter mit Engelsgeduld.
Forza hatte sich inzwischen gebückt und untersuchte den Rasen, der rund um das Fenster eigentlich mehr Erde als Wiese war. Doch die Schäden in der Grasnarbe waren alt und vertrocknet.
„Der Rasen hier ist ziemlich hinüber. Durch die lange Trockenheit ist die Erde hart wie Beton, da dürfte man kaum Spuren finden.“
„Wäre auch zu schön gewesen“, brummelte Camilieri. Er inspizierte das Fenster und analysierte: „Wenn der Täter die Leiche wirklich durch dieses Fenster in die Therme gebracht hat, dann muss er ordentlich bei Kräften sein. Das Fenster ist rund eineinhalb Meter hoch. So hoch muss man einen Körper erst einmal stemmen.“
„Oder es waren zwei“, gab Forza zu bedenken.
„Möglich, zu blöd, dass der Boden so trocken ist. Sonst hätten wir zumindest diese Frage schnell geklärt.“
„Wir kennen ja noch nicht einmal die Identität des Opfers“, bremste Forza.
„Stimmt“, sagte Camilieri und fragte den Nachtwächter: „Haben Sie eigentlich einen genaueren Blick auf die Leiche geworfen? Kennen Sie den Toten?“
„No, Commissario, noch nie gesehen. Aber ich habe auch nicht genau geschaut und gleich die Polizia gerufen.“
„Ja, ja, das haben Sie schon richtig gemacht“, beschwichtigte Camilieri.
„Wir sollten trotzdem die Spurensicherung auf das Fenster ansetzen“, schlug Forza vor, den Gesprächsfaden von vorhin aufnehmend.
„Das sollen die Kollegen aus Tolmezzo tun. Ich bin überzeugt, dass wir bei dem Fenster nichts Brauchbares mehr finden werden.“
„Gehen wir also wieder rein?“, fragte der Nachtwächter, dem in der Morgendämmerung langsam kalt wurde.
„Sì“, antwortete Camilieri, „hier ist die Party vorbei.“
Plötzlich bückte sich Forza noch einmal und meinte beiläufig: „Das würde ich nicht sagen, Commissario! Schauen Sie, was ich gefunden habe!“
Er hockte am Boden und streckte den beiden seine Hand entgegen. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er ein kleines schwarzes rundes Gebilde.
„Was ist das?“
„Ein Knopf!“, antwortete Forza immer noch von unten.
„Ein Knopf?“, fragte Camilieri ungläubig, bis er zu verstehen begann: „Sie glauben, der gehört dem Täter?“
„Möglich wäre es schon“, sagte Forza und erhob sich. „Vielleicht hat er ihn verloren, als er die Leiche durch das Fenster ins Innere der Therme bugsierte. Dafür musste er sich sicher an der Hausmauer anlehnen, da könnte der Knopf abgerissen sein.“
„Hm“, meinte Camilieri nachdenklich, „dann hätten wir ja so etwas wie eine erste Spur.“ In verschwörerischem Tonfall fügte er hinzu, wobei er vor allem den Nachtwächter mit eindringlichem Blick fixierte: „Vorerst kein Wort davon zu den Kollegen aus Tolmezzo, ist das klar? Sonst wird alles nur noch komplizierter!“
Der Nachtwächter nickte beflissen und fragte: „Kann ich jetzt gehen?“
Camilieri sagte: „Was meinen Sie, Forza, kann er gehen?“ Forza meinte lakonisch: „Er hat uns schon viel geholfen.“ Und mit einem Blick auf die Uhr fügte er hinzu: „Außerdem dürfte sein Dienst längst zu Ende sein.“
„Nun СКАЧАТЬ