Christ sein – was ist das?. Matthias Beck
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Название: Christ sein – was ist das?

Автор: Matthias Beck

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783990404362

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      Vom Judentum ausgehend war vom Sprechen und Handeln Jahwes die Rede. Dieses Sprechen und Handeln wird im Hebräischen mit dem Wort dabar bezeichnet. Dabar wird ins Griechische übersetzt mit logos und dann ins Deutsche mit „Wort“. Dabei findet ein mehrfacher Bedeutungswandel statt. Der erste ist jener von dabar, das „Sprechen“ und „Handeln“ bedeutet, hin zu logos, was eher ein abstrakter Begriff ist und auf „Denken“, „Geist“, „Logik“, „Sinn“, „Vernunft“ hinweist. Von dort findet ein zweiter Bedeutungswandel statt zur deutschen Übersetzung „Wort“.

      So kommt es zu der eigenartigen Formulierung: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Anders ausgedrückt: Der göttliche Logos wird Mensch, er ist ganz menschlich. Der göttliche Logos kommt dem Menschen ganz nahe, er wird verständlich und „begreifbar“. Man kann ihn be-greifen im Sinne von anfassen. Geistig begreifen kann man ihn nicht immer, aber man kann sich ihm annähern. Zum Aushalten dieser Annäherung und der Nähe Gottes musste der Mensch sich auch weiterentwickeln.

      Bei der Übersetzung von dabar mit logos kann der Satz „Im Anfang war der Logos“ (Joh 1,1) so interpretiert werden, dass dieser Logos Gottes nicht nur in Jesus Christus Mensch geworden ist, sondern sich auch in der Natur sowie in jedem Menschen zeigt. In der Natur zeigt er sich in der „Logik“ des Kosmos, der Organismen sowie den Naturgesetzen. Im Menschen zeigt er sich zusätzlich auf andere Weise. Auch hier ist es die Logik des Denkens und die Logik der Physiologie des Organismus, aber auch die Logik des Wortes und der Verantwortung. Hier ist die deutsche Übersetzung mit „Wort“ hilfreich. Das innere göttliche Wort ist in jedem Menschen anwesend. Auf dieses Wort soll der Mensch ant-worten, also gegen-worten. Gott spricht den Menschen von innen her durch den göttlichen Geist sowie das göttliche Wort an und von außen durch das Mensch gewordene Wort Gottes sowie die Ereignisse und Begegnungen. Diesem An-spruch soll der Mensch antworten. Die Übersetzung von dabar mit logos weist auf die geordnete Grundstruktur der Welt hin und jene von logos mit „Wort“ auf die letzte Ver-ant-wortung des Menschen.

      Es heißt ausdrücklich „Im Anfang“ und nicht „Am Anfang“. Es geht darum, dass dieser Logos in allem, was ursprünglich aufspringt und ins Sein tritt, gegenwärtig ist. „(…) allem Anfang wohnt ein Zauber inne“,18 heißt es bei Hermann Hesse (1877 – 1962). Bei Hesse geht es um den irdischen Neubeginn in den unterschiedlichen Lebensstufen, diesem „Neubeginnen“ liegt aber als Bedingung der Möglichkeit (Kant) das je neue und ursprüngliche Wirken des Göttlichen zugrunde.

      Die Übersetzung von dabar mit logos und der Verweis auf das Anfanghafte in allem weist hin auf eine innerweltliche „Logik“, die sich auch im Wortstamm von Wissenschaften wie Bio-logie, Psycho-logie, Sozio-logie und Theo-logie zeigt. Alle diese Wissenschaften können die Welt nur anfanghaft und bruchstückhaft erfassen. Gemeinsam können sie in komplementären Zugängen mehr begreifen als jede allein. Logos ist aber auch Vernunft, Sinn, Geist und verweist auf den göttlichen Geist im Menschen sowie auf dessen Spiritualität. Die Übersetzung mit „Wort“ weist schließlich hin auf Ver-ant-wortung und Ethik. So ist das Christentum keine irrationale Religion, sondern eine höchst vernünftige, „logische“, spirituelle und ethische. Dabei partizipiert die innerweltliche Logik und Vernunft an der göttlichen, die die menschlichen Dimensionen übersteigt. Durch die Ausrichtung des Menschen auf die göttliche Vernunft wird der Mensch erst in seiner Ganzheit erfasst.

      Im Christentum bekommt der Logos Gottes ein Gesicht. Man darf sich ein Bild von ihm machen, allerdings nicht so, als wenn man alles verstünde. Aber Jesus Christus ist das Bild Gottes. Er ist ganz durchsichtig auf Gott hin und sagt: „Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ (Joh 12,45). Er ist ganz transparent auf Gott hin, er ist Gott. Und gerade durch diese innere Ausrichtung und Anbindung ist er ganz Mensch. Er ist ganz menschlich, kommt dem Menschen entgegen und lebt vor, wie das Leben gemeint ist. Der Gott, der dem Volk Israel nur aus der Ferne begegnet ist, tut es jetzt aus der Nähe. Aber auch ihm bleiben als Mensch Fragen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34)

      Das Phänomen, dass das Göttliche ganz menschlich ist, wird ausgesagt in der Lehre von den zwei Naturen Jesu. In ihm sind die „göttliche Natur“ und die „menschliche Natur“ als eine Einheit gegeben. Er ist beides: ganz Gott und ganz Mensch. Er ist eine Einheit in Verschiedenheit. Man darf die beiden Naturen nicht vermischen, aber auch nicht voneinander trennen: Sie liegen unvermischt und ungetrennt vor. Wenn gesagt wird, Jesus Christus war ganz Mensch, dann heißt das, dass er alle Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens durchlebt hat. Man könnte auch sagen: Wer wissen will, wie das menschliche Leben geht, soll auf ihn schauen. Er ist ganz Mensch, er ist der Mensch. Und er ist gerade deswegen ganz Mensch, weil er ganz in seinem göttlichen Vater verankert ist. Er ist es so sehr, dass er sagen kann: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30).

      So kann man sagen: Wer wissen will, wer Gott ist und welche Eigenschaften er hat, soll auf Jesus Christus schauen. Er ist ganz Mensch, in dem Maße er ganz bei Gott ist. Er ist die Einheit des göttlichen Wesens in der Verschiedenheit der menschlichen und göttlichen Naturen. So ist es auch in jedem Menschen: Göttliches und Menschliches liegen als Einheit in Verschiedenheit vor, aber nicht in dieser Vollständigkeit und Reinheit. Das menschliche Leben ist fragmentarisch und unvollkommen.

      Wenn in Jesus zwei Naturen da sind, dann hat er auch zwei Willen: einen göttlichen und einen menschlichen. Der göttliche Wille des Vaters in ihm trifft auf seinen menschlichen Willen. Die Aufgabe Jesu ist es, den Willen des Vaters je neu zu erfüllen. „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34). Das heißt für ihn, dass es in ihm menschliche und göttliche Strebungen gibt, menschliche und göttliche Antriebe. Die beiden Willen sind nicht immer kongruent und ringen miteinander. Das Angleichen des menschlichen Willens an den göttlichen geht nicht ohne inneren Kampf ab. Dieser findet seinen „Höhepunkt“ in der Szene am Ölberg, wo Jesus Angst bekommt vor dem auf ihn zukommenden Leiden: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“ (Mt 26,39).

      Das Menschliche in ihm bäumt sich auf, sich dem Bösen zu stellen, ungerecht verurteilt, angespuckt und verhöhnt zu werden. Er will nicht wie ein Verbrecher am Kreuz sterben. Das ist verständlich. Letztlich willigt er doch in den Willen des Vaters ein: „Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). Es geht um einen dramatischen Kampf zwischen menschlichem und göttlichem Wollen. Der Gehorsam dem Vater gegenüber und das Durchhalten der Liebe und der Wahrheit ist ihm wichtiger als die Leidfreiheit. Wegen dieses Dramas nennt der Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar (1905 – 1988) seine Ethik „Theodramatik“.

      Dies heißt gerade nicht, dass der göttliche Vater ein brutaler Schlächter ist, der seinen Sohn dahinschlachten lässt. Es bedeutet, dass Jesus die Botschaft des Vaters von der Liebe, der Wahrheit und der Barmherzigkeit bis zum Ende durchhalten will. Er will vor dem Bösen nicht zurückweichen. Denn gerade durch die Lehre vom Wahren, Guten und Barmherzigen wird auch das Falsche, Böse und Unbarmherzige aufgedeckt. Aber er weicht der daraus entstehenden Brutalität nicht aus. Er ist der gute Hirte, der nicht flieht, wenn Gefahr droht (Joh 10,11 – 13). Man kann sich auf ihn verlassen. Durch dieses Aufdecken, aber auch durch seine Sündenvergebungen, seine Krankenheilungen am Sabbat und seine Anmaßung der Gottessohnschaft hat er seine Gegner provoziert. Für all das wird er umgebracht und stirbt am Kreuz.

      Jesus Christus hat in sich die Zerrissenheit zwischen göttlichem und menschlichem Willen überwunden. Er ist letztlich ganz im Frieden mit dem Vater, ganz eins mit ihm. Der Mensch kann diese Zerrissenheit nie ganz überwinden. Es wohnen in ihm „zwei Seelen“, zwei Willen. Aber er kann sich immer mehr an den binden, der die innere Zerrissenheit in sich überwunden hat. Der Einzelne kann der Person Jesu immer mehr nachfolgen und ihm ähnlicher werden. So kann er schrittweise die Gebrochenheit und innere Zerrissenheit überwinden.

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