Mensch und Gott. Houston Stewart Chamberlain
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mensch und Gott - Houston Stewart Chamberlain страница 9

Название: Mensch und Gott

Автор: Houston Stewart Chamberlain

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066499945

isbn:

СКАЧАТЬ Zeiten ist sie entstanden und wird immer wieder in dem Bewußtsein genialer Einzelmenschen aus der geschilderten Denknotwendigkeit von neuem geboren werden und von dort aus in die Hirne der Minderbegabten gelangen. Es ist dies die rein natürliche, durch keine Phantastik, durch kein Wollen, durch keine geschichtliche Erfahrung getrübte Gedankengestalt Gottes, die als lebendiger Quellpunkt fort und fort in den Tiefen unseres Gemütes durchbricht. In ihrer Reinheit können wir sie selten nachweisen, weil fast sofort das buntere Leben von Bewußtseinsschichten, die der Oberfläche näher liegen, sie überwächst und überwuchert: Furcht und Hoffnung, maßlose Wünsche, durch schreckenvolle Naturereignisse verursachte Seelenerschütterung, namentlich die Erfahrung des Todes, die Wiederkehr der Gestorbenen im Traume und der daraus entstehende Geisterglaube, allerhand phantastischer Zauberspuk – später dann der offenere Blick hinaus auf die Natur und die daraus sich ergebende mythologische Gestaltenfülle, oder bei mehr materialistisch angelegten Völkern die Verklärung ihrer Geschichtserinnerungen zu gottgewollten Fabeln, bei anderen wieder der Hochflug des Denkens und die Inbrunst sittlichen Bestrebens, schließlich – und leider hauptsächlich – der maßlose Ehrgeiz eines notwendig zu Heuchelei und Betrug neigenden berufsmäßigen Priestertums: alle diese dem Menschen angeborenen Triebe, Richtungen, Leidenschaften – weise und törichte, heilbringende und verderbende – bemächtigen sich der Gedankengestalt Gott, um sie in tausendfachen Umbildungen ihren Zielen dienstbar zu machen.

      In den mir bekannten Geschichten der Religion findet man über die genannten Verhältnisse kein Wort, wodurch diese Werke für die Frage nach dem Gehalt an Religion bei den verschiedenen Kulten arge Einbuße erleiden; denn für die Erkenntnis des religiösen Wertes eines Glaubenssystems besitzt die Schilderung von Glaubenssätzen, Zeremonien, ewig wechselnden Mythen usw. verhältnismäßig geringe, hingegen die Kraft und Fülle des unsichtbar fließenden inneren Stromes die allerhöchste Bedeutung. Eine sehr bunte »Religion« kann (wie das bei den Iranern der Fall war) einen starken Glauben an den unaussprechlichen Gott bergen, oder aber dieser kann (wie bei den Altägyptern) unter der Fülle der äußerlichen Momente – der materialistischen Vorstellungen, des Überwucherns der Magie, der weltlichen Beweggründe – in den Massen ganz hinschwinden und nur noch in dem Herzen Einzelner eine Kraft bilden. Ebenso können einfacher gestaltete Kulte aus Armut an Gottesempfindung oder aus Reichtum an Gottesempfindung einfach sein. In den Tiefen des Gemütes fließt eben die Religion: nur dort kann sie erforscht werden; es handelt sich, wie wir sahen (S. 27), um »den emporstrebenden Willen des Menschen«: je bedeutender der Mensch, umso mächtiger strebt sein Wille empor, und umso mächtiger erschallt in seinem Herzen die Stimme des unerkennbaren höchsten guten Wesens. Daher Goethe's Wort: »Gott, wenn wir hochstehen, ist Alles; stehen wir niedrig, so ist er ein Supplement unserer Armseligkeit« (Max. u. Refl. 813). Vielleicht wirft man mir ein, gerade Goethe habe Gott nicht im eigenen Innern, sondern draußen in der Natur erblickt, und erinnert an den Spott seines Ephesischen Goldschmiedes:

      Als gäb's einen Gott so im Gehirn

       Da! hinter des Menschen alberner Stirn,

       Der sei viel herrlicher als das Wesen,

       An dem wir die Breite der Gottheit lesen.

      Doch bringt der brave Goldschmied keineswegs des Dichters Verhältnis zur Gottheit erschöpfend zum Ausdruck; zum Beweise genügen die vorher angeführten Worte, aus denen hervorgeht, daß Goethe den Zusammenhang zwischen den sich gegenseitig bedingenden Gedankengestalten Mensch und Gott kennt, und weiß, daß die eine zur anderen in genauester Wechselwirkung (Korrelation) steht. Freilich redet Goethe verhältnismäßig selten und meist in geheimnisvollen Worten von dieser reinen Gottesvorstellung; das liegt aber in der Natur der Sache; von einem Wesen, das nur durch »neti, neti« bezeichnet werden kann, ist nicht gut reden. Selbst der Gottesmann Martin Luther gesteht: »Ja! wer weiß, was ist, das Gott heißt? Es ist über Leib, über Geist, über alles, was man sagen, hören und denken kann« (Wider die Schwarmgeister). Nichtsdestoweniger würde ich mich anheischig machen, aus fast jedem Lebensjahre Goethe's Äußerungen nachzuweisen, die für das nie versiegende Bewußtsein des im Inneren empfundenen Gottes zeugen. Ein Brief aus dem fünfundzwanzigsten Lebensjahre (15. 4. 75) bringt z.B. die Worte: »das liebe Ding, das sie Gott heißen, oder wie's heißt, sorgt doch sehr für mich« (wobei zu beachten ist, daß Goethe das Wort Gott, wie im Altnordischen, als Neutrum nimmt). Mit fünfundsechzig Jahren unterscheidet er zwischen den »besonderen Religionen«, die es »schwer scheint aus dem Inneren des Menschen zu entwickeln«, und der »natürlichen Religion«, von der »wir annehmen, daß sie früher in dem menschlichen Gemüte entsprungen«; von letzterer sagt er: »zu ihr gehört viel Zartheit der Gesinnung«. Wenn Goethe als der große Seher Gottes in der Natur bezeichnet werden kann, so gewinnt er diese Fähigkeit gerade aus seinem innigen Glauben an den »Gott im Inneren«. Wir lernten von Pascal, daß einzig, wer sich Gottes in der Seele bewußt ist, ihn draußen in der Natur erblicke (S. 22), und eben hörten wir Goethe's: »Gott, wenn wir hochstehen, ist Alles«. Darum ist es nicht paradox, wenn ich behaupte: in diesem gewaltigen Intellekt ist es der Gott im Inneren, der den Gott draußen in der Natur erkennt. Soviel nur zur zusammenfassenden und ergänzenden Wiederholung der im ersten Kapitel gewonnenen Ergebnisse.

      * * * * *

      Zu den Gedankengestalten Mensch und Gott pflegt sich mit fast gleicher Naturnotwendigkeit eine dritte zu gesellen, die freilich schon auf der Grenze des dichtenden Mythos steht und diese Grenze wohl immer bald überschreitet, die aber eine kurze Betrachtung in ihrer ursprünglichen Reinheit verdient, da sowohl Mythos wie Geschichte aus der klaren Erfassung des einfachen Grundgedankens verständlicher werden: ich rede von der Vorstellung eines Mittlers zwischen Mensch und Gott.

      Diese Idee eines Mittlers, oder, wenn nicht eines tatsächlichen Mittlers, dann wenigstens irgendeiner vermittelnden Handlung, ist über die Welt weit verbreitet. Werden wir uns erst unserer Vorstellung Mensch als die eines einzigartigen kosmischen Phänomens bewußt, so wächst die Kraft des »emporstrebenden Willens« mehr und mehr: Gott wird immer dringender benötigt, weicht aber, je stürmischer unser Wille die Hände nach ihm ausstreckt, immer weiter zurück: auch dies muß als eine naturnotwendige Tatsache unseres Gemütes erkannt werden, die uns aus anderen überquer entstehenden Ideen – wie Freiheit und Notwendigkeit – bereits vertraut ist. Da nun gebiert die Sehnsucht die Vorstellung eines zwischen Gott und Mensch vermittelnden Wesens: sei es, daß ein menschengeartetes sich bis zur Gottheit aufschwinge, uns Anderen die Wege dorthin bahnend; sei es, daß das »höchste gute Wesen, der Vater im Himmel« sich in Liebe herabneige und – auf irgend eine, vom Verstande nie auszudenkende Weise – uns von seinem Wesen Etwas mitteilt – uns dadurch zu sich emporhebend. Beiden Vorstellungen – dem gottgewordenen Menschen und dem menschgewordenen Gotte – begegnen wir auf allen Seiten; im Grunde genommen gleichen sie einander vollkommen und bedeuten die zwei möglichen Arten, den selben Gedanken des Mittlers auszugestalten. Inmitten der bunten, unausdenkbaren, phantastischen, oft an Wahnsinn grenzenden Fülle, aus welcher unsere »Religionen« gewoben sind, bildet der Gedanke – besser gesagt die Gedankengestalt – des Mittlers den eigentlich und wahrhaft religiösen Kern, neben welchem alles übrige nur als Beiwerk gelten muß –, als ein mehr oder minder zufälliges Beiwerk, zeitlich bedingt und zum Teil rein willkürlich, oft sogar unmittelbar unreligiös, wenn nicht gar antireligiös.

      Wir tun folglich gut daran, drei Gedankengestalten deutlich ins Auge zu fassen: der »gottwärts schauende Mensch« (wie der alte Chaucer sich ausdrückt), d.h. derjenige Mensch, der sich bewußt ist, mit seinem Wesen über die Erscheinungswelt hinauszureichen – der Gott, dessen Gegenwart er ahnt und dessen Beistand er erlebt –, dazu eine zwischen diesen beiden vermittelnde Kraft: diese drei Gedankengestalten bilden den Inhalt aller Religion.

      Da ich nicht für Gelehrte zu schreiben beabsichtige, noch dazu befugt bin, sondern nur Leser im Sinne habe, welche für die Förderung ihrer eigenen Seele Klarheit suchen, wie ich sie für die meinige gesucht habe, so will ich nicht aus ethnographischen, anthropologischen und religionsgeschichtlichen Werken umständliches Material zusammentragen, sondern begnüge СКАЧАТЬ