Название: Mensch und Gott
Автор: Houston Stewart Chamberlain
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066499945
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Gleich der große Origenes betont wiederholt, der Menschenverstand sei unfähig, Gott zu erfassen; es wird genügen, eine einzige Stelle anzuführen. In seinem Werke De Principiis (Buch 1, Abschn. 5) schreibt er: »Wenn ich die genaue Wahrheit gestehen darf, Gott ist unbegreiflich und kann nicht erkannt werden.« Cyprian schreibt ( Über Idole, Abschn. 9): »Gott kann nicht gesehen werden – sein Licht blendet das Auge; er kann nicht verstanden werden – denn er ist zu rein für unseren Verstand; noch können wir ihn ermessen – denn er übersteigt unsere Erkenntnisfähigkeit; daher sagen wir nur dann etwas Richtiges über ihn aus, wenn wir gestehen, er sei nicht zu begreifen.« Ähnlich meint der Apologet Minucius Felix ( Octavius, Kap. 18): »Unser Menschenherz ist zu eng begrenzt, um Gott zu verstehen; wir schätzen ihn nur dann richtig ein, wenn wir anerkennen, er übersteige jede Schätzung.« Hierbei ist besonders bemerkenswert, daß Minucius Felix sich bei dieser Behauptung nicht auf die christliche Offenbarung beruft, sondern ausdrücklich auf das Zeugnis »aller Menschen«. Gregor von Nazianz warnt, der Mensch solle es nicht wagen, irgendeine Begriffsbestimmung auf Gott anzuwenden: »Nur durch Schweigen möge die Menschenseele die Wahrheit des göttlichen Wesens verehren, welches unaussprechlich ist und erhaben über jeden Gedanken und über jede Möglichkeit des Wissens« (nach Scotus Erigena, Einteilung der Natur, Buch 2, Kap. 28). Derartige Zeugnisse ließen sich gewiß noch zahlreiche nachweisen; so schreibt z.B. der Lehrer Konstantin's Lactantius, in seiner Schrift Über den Zorn Gottes (Kap. 11): »Gott ist so groß, daß Menschenworte ihm nicht gerecht werden, noch die Sinne ihn erreichen können.« Und noch eine Stelle will ich aus jener ältesten Zeit des Christentums vorbringen, wegen ihres besonderen Bezuges auf die Verwandtschaft zwischen den Gedankengestalten Mensch und Gott. Theophilus schreibt in seinem Brief an Autolicus (Kap. 2): »Sagst Du mir, zeige mir Deinen Gott, so antworte ich, zeige mir Dein eigenes Selbst, da werde ich Dir meinen Gott zeigen.«
Später werden freilich derartige Äußerungen seltener, weil das dogmatische Vernunftgebäude die Kräfte immer mehr beansprucht und die angeborenen Instinkte zurückdrängt; doch bricht das Ursprüngliche bei wahrhaft religiösen Naturen trotzdem immer wieder durch. So gibt z.B. Augustinus – der eigentliche Vollender des Begriffes der kirchlichen Rechtgläubigkeit – in seinem De Trinitate eine Schilderung Gottes, von der einige Bruchstücke hier folgen: »Er ist gut, ohne Eigenschaften zu besitzen, groß, ohne Menge noch Zahl, er regiert, ohne aber einen Standort zu besitzen, ist allgegenwärtig, ohne an irgendeinem Orte zu sein, und ewig, wiewohl er außerhalb der Zeit steht« (Buch 5, Kap. 1, Abschn. 2) – eine Sprache die, wie man sieht, an Eckehart gemahnt. Kein Wunder, wenn es an einer weiteren Stelle (Buch 5, Kap. 9) heißt: »dies sei von Gott gesagt, nicht in dem Wahne, damit etwas gesagt zu haben, sondern nur, damit dieser Gegenstand nicht mit Stillschweigen übergangen werde« (non ut aliquid diceretur, sed ne taceretur). Wer aber aufmerksam geworden ist und genauer zusieht, wird häufig bei dieser Säule der Orthodoxie Äußerungen begegnen, die auf die Gegenwart des stillen, inneren, unerforschlichen Gottes hindeuten, und zwar nicht allein in den von Mystik überströmenden Bekenntnissen, sondern auch in seinen theologischen Schriften. Selbst bei den frühen Scholastikern begegnen wir Behauptungen wie der, daß Gott nicht ein Etwas (quid), sondern ein Nichts (nihil) genannt werden müßte. »Gott weiß nicht, was er selber ist, d.h. er weiß nicht, daß er Etwas sei, weil er erkennt, daß er durchaus nicht in den Bereich desjenigen gehöre, was irgend erkannt wird und wovon man sagen oder denken kann, was es ist« (Scotus Erigena, Einteilung der Natur, Buch 2, Kap. 28). Bemerkenswert ist, daß sowohl Anselm wie Albert der Große behaupten, nur derjenige könne Gott als nicht seiend denken, der sich selber als Mensch nicht erkenne (nach J. E. Erdmann, Grundriß d. Gesch. d. Philosophie, § 201, 2). Noch mehr muß es uns wundernehmen, wenn wir bei einem Manne wie Thomas von Aquin einem Ausspruch begegnen wie folgendem: Magis nobis manifestatur de Deo quid non est quam quid est – deutlicher ist uns in bezug auf Gott, was er nicht ist, als was er ist ( Quaestiones, De anima, art. 13); ein zögernder, mit der Sprache sich nicht herauswagender Yadjnavalkya!
Immer mehr verlieren sich die Scholastiker in ihren besonderen Rationalismus und gilt es ihnen als Ehrenpunkt, alles müsse der Vernunft erreichbar sein, auch das Wesen der Gottheit, was zu turmhohen Torheiten führt. Ihnen gegenüber steht aber das stille, nie aussterbende Heer der Mystiker, von Franz von Assisi im zwölften Jahrhundert an bis zu Jakob Böhme im siebzehnten und bis zu Blake im neunzehnten Jahrhundert; Meister Eckehart ist mit Recht der bekannteste; er wurde schon oben mehrfach angeführt, denn seine Gottesvorstellung entspricht genau der hier vertretenen. Schließlich füge ich noch ein einziges Wort aus der herrlichen, von Luther herausgegebenen Theologia Deutsch, wegen seiner Übereinstimmung mit dem Gedanken, von dem wir in diesem Kapitel ausgingen, hinzu: »Es spricht der Mensch: sieh, ich armer Tor, ich meinte, ich wäre es, nun war es und ist es wahrlich Gott.«
Da es mir hier lediglich auf Andeutungen ankommt, springe ich beherzt hinüber zu Immanuel Kant und empfehle der Beachtung meiner Leser dessen kleine Schrift Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee, in welcher Kant die Anerkennung von Gottes Unerforschlichkeit zu einer moralischen Pflicht stempelt und in diesem Zusammenhang mit einem Loblied auf Hiob endet, der seinen jahvegläubigen Freunden gegenüber diesen Standpunkt vertritt, wofür er – wie Kant mit beißender Ironie hervorhebt – »vor einer Synode, einer Inquisition, einer ehrwürdigen Classis oder einem jeden Oberkonsistorium unserer Zeit ein schlimmes Schicksal erfahren haben würde«. So deutlich erkennt der klare Denker, daß der reinen Gedankengestalt Gott unsere Kirchen am liebsten kein Heimatsrecht zugestehen!
Dieser Gott – das gute Wesen, des Menschen Freund, der Vater im Himmel, der bei bösen Gedanken und Taten freundlich streng mahnt und bei guten hilft und stützt – dieser Gott ist mir seit früher Jugend stets gegenwärtig; immer war mir zumute, als stünde ich auf seinem offenen Handteller und könnte darum, was auch geschehe, nie in den Abgrund stürzen; ohne dieses Bewußtsein wäre ich außerstande gewesen, mein Leben zu leben. Ich glaube an keine Möglichkeit eines alle Kreise erfassenden mächtigen und anhaltenden Wiederaufblühens religiösen Lebens, bis nicht dieser Gott – der nicht gewußt, sondern geglaubt wird – von neuem allgemeiner Besitz der Menschenseelen wird. Dazu müßte aber der Wüstengott aus unserer Erziehung verbannt werden: er vergiftet uns von Kindesbeinen an unsere Vorstellung von und unsere Beziehung zu der Gottheit. Auch die Dreieinigkeit müßte als großartiges, wahrheitsträchtiges mythologisches Symbol erkannt, jedoch nicht durch Einzwängung in Schulformeln und Aufnötigung als dogmatisches Glaubensbekenntnis zu einer Marter für Hirn und Herz gemacht werden; derartige Gedanken besitzen nur Wert und Wahrheit, solange sie leben und sich bewegen. Außerdem ist wohl zu erwägen, daß den Millionen herabgekommener Bruchstückmenschen (S. 16) unserer Tage mit philosophisch-theologischen Systemen garnicht beizukommen ist, sie besitzen kein Organ zur Aufnahme derartiger Gedanken. Hier käme es darauf an, das Gefühl der Menschenwürde wieder wachzurufen, was unfehlbar zu einer Ahnung des höchsten guten Wesens führen muß. Was uns nottut, ist der Gott Jesu Christi, der Vater im Himmel.
Zweites Kapitel.
Der Mittler
Es besteht ein unüberwindbarer Gegensatz zwischen Gott und Mensch; ohne Mittler ist keine Beziehung zwischen beiden möglich.
( Pascal)
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