Название: Zwickauer Impressionen
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Издательство: Автор
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783957444776
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Die Frau sprach mich an: „Wollen Sie auch nach Dresden?“ – „Nein, heute nicht. Ich fahre aber oft diese Strecke.“ – „Ich muss zum Flughafen, hoffentlich erreiche ich den Anschluss in Dresden Hauptbahnhof.“ – „Die S-Bahnen zum Flughafen fahren öfter“, beruhigte ich sie. Unter der Tafel ist ein Informationstresen, dahinter der einst attraktive Blickfang der Halle, eine breite Freitreppe. In dem jetzt dort eingebauten Fahrstuhl, der die Treppe unbarmherzig teilt, verschwand die Frau. Geblieben sind zwei große auf Säulen platzierte Figuren, ein Bergarbeiter rechts und ein Metallarbeiter links, welche zu mahnen scheinen: „Verstümmelt diese Bahnhofshalle nicht noch mehr!“ Mit den hohen bis an die Decke reichenden Fenstern ähnelt sie einem sakralen Raum. Von den dunklen Deckenbalken hängen symmetrisch angeordnete weiße Laternenlampen herunter, welche die Höhe optisch reduzieren.
„Erhaltet die braun geflammten quer gefliesten Wände und die noch vorhandenen Fahrkartenschalter!“ Ja, sie haben recht, die beiden Gesellen, aber ohne Fahrstuhl müsste die Frau ihren schweren Koffer in die untere Ebene und wieder nach oben zu den Bahnsteigen schleppen. Zweckmäßigkeit und Architektur lassen sich offenbar nicht immer in Einklang bringen.
Ich stellte meine Tasche auf eine der ovalen Marmorplatten, welche die gefliesten Säulen vor den ehemaligen Schaltern abschließen. Die Fenster sind mit Lamellenvorhängen zugezogen. Sie erinnerten mich an die vor Jahren hier tätigen Bahnangestellten an den großen ratternden Maschinen, welche ein drei mal fünf Zentimeter großes Stück bedruckte Pappe hervorbrachten; mit dem ich für sechs Mark in der 2.Klasse im Schnellzug von Zwickau nach Leipzig fahren konnte.
Zwei Schalter weiter hatte sich ein junges Mädchen auf einem Sims hingesetzt und die schmutzigen Turnschuhe auf die Marmorplatte hochgelegt, wobei sie flink die Tasten ihres Handys drückte. Es waren nicht viele Leute in der großen Halle. Der Bahnhof war in den dreißiger Jahren für mehr Fahrgäste erbaut worden. Wer hätte damals gedacht, dass jetzt die meisten Pendler mit ihren eigenen Autos zur Arbeit fahren? Mein Blick fiel wieder auf die Anzeigetafel: VGB nach Sokolov, 10 Uhr 11. Die Vogtlandbahn war pünktlich. Ich schlenderte zum Zeitungsladen, der jetzt „Press P & B Books“ heißt. Ein kleines Mädchen zerrte eine Frau mittleren Alters zu der Pixi – Jungenfigur hin, die vor der Eingangstür auf einer Schale die bunten kleinen Bücher anbietet. Natürlich hatte das Kind bei seiner Oma Erfolg. Mit zwei Büchlein in der Hand ging es strahlend zur Kasse. Die Oma bezahlte. Beim Hinausgehen fiel mein Blick auf eine Metalltafel im Inneren des Geschäftes neben der Wand.
Erbauer
Reichsbahnoberrat Otto Falck
geb. 1871 in Zwickau
Ich bezweifelte, dass das ein angemessener Platz für eine Erinnerungstafel ist. Die Tafel steht in keinerlei Zusammenhang mit den darunter liegenden Tageszeitungen und Magazinen. In der anderen Ecke gegenüber dem Zeitungsladen leuchtet in Intervallen ein roter Punkt, der Punkt über dem „i“ des Wortes Point, auf. Darunter steht über der Eingangstür „Supermarkt“. Hier kann man noch eine Bockwurst für 1,20 Euro kaufen. Die zwei Tische mit Stühlen und den Stehtisch nutzen nicht nur Reisende, um bei einem Imbiss die Zeit zu verkürzen, sondern auch diejenigen, welche in gleichgesinnter Gesellschaft in einem trockenen warmen Raum ein billiges Bier trinken wollen.
Daneben steht der Fahrkartenautomat, an dem eine Frau vergebens Tasten drückte, um zu einer Fahrkarte zu kommen. „Wenn ich die Karte im Reisezentrum kaufe, kostet sie 2 Euro mehr. Es ist so schon teuer genug“, sprach sie mich hilfesuchend an. Es wurde knapp für mich, denn der Zeiger hatte die Zehn überschritten. In diesem Augenblick kam ein sportlich gekleidetes Mädchen mit Rucksack angerannt. Sie schaffte es in Windeseile, dem Automaten für sich und die alte Frau die gewünschten Karten zu entnehmen. Dann eilte sie die Treppen hinunter und verschwand in der unteren Ebene des Bahnhofes.
Ich folgte etwas langsamer und bemerkte, dass sich hinter mir eine Gruppe Leute in Wanderkleidung bewegte. Sicher wollten sie auch mit der Vogtlandbahn fahren. Seit 1994 fährt diese Bahn in die südliche Region von Zwickau und inzwischen sogar bis nach Oberfranken und in das benachbarte Tschechien. So unkompliziert ins Nachbarland reisen zu können, war vor Jahren nicht möglich. Dafür konnte man mit dem „Sachsenringexpress“ direkt nach Ostberlin fahren. Jetzt sind Leipzig und Halle den Zwickauern wieder näher gerückt, denn im Stundentakt bringt die S-Bahn die Zwickauer in die Messestadt und zum Flughafen.
Bei allen Veränderungen ist die Bahnhofsatmosphäre durch die auf Autobahnen nicht zu ersetzen. Es rührt mich jedes Mal an, wenn nach Ankommen eines Zuges Menschen die Treppen hinaufströmen und dann Verwandte oder Freunde erwartungsvoll Ausschau halten, vielleicht ein älteres Ehepaar die Tochter mit Enkelkindern begrüßt, ein junger Mann seine Freundin küsst oder eine alte Frau von ihrer Schwester umarmt wird. Diese Szenen kann man nur auf einem Bahnhof erleben.
Für mich ist Bahnreisen selbstverständlich und interessant, obwohl ich da manchmal auf verwunderte Blicke stoße, wenn ich das begeisterten Autofahrern erzähle. Ob ich zum Verwandtenbesuch nach Dresden, ins Theater nach Chemnitz, nach Thüringen oder mit der Erzgebirgsbahn zum Wandern fahre, jedes Mal freue ich mich auf die Rückkehr zum „Tor“ zu meiner Stadt!
Eveline Hoffmann
Vertraute Klänge
Auch an der Ecke
zwischen Rosengässchen und Hauptstraße
hört man Straßenmusikanten
Akkordeon spielen.
Paris ist gar nicht so weit.
Annerose Kolbe
An der Katharinenkirche
Für mich ist die Katharinenkirche die schönste Kirche in Zwickau. Sie wurde Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet und soll sogar noch älter als der ehrwürdige Mariendom sein.
Wenn ich aus Richtung der Paradiesbrücke komme, vor dem historischen Dünnebierhaus stehe und die schnurgerade Katharinenstraße entlang zur Kirche blicke, scheint allerdings hier gar nichts zusammenzupassen. Will ich die Kirche betrachten, wirkt der Supermarkt selbst aus der Ferne übergroß, da stören sogar die unschuldigen Wohnungsneubauten rechts. Aber ich werde magisch angezogen von dem Kontrast, den die neueren, hellen Gebäude mit der dunkel wirkenden Kirche bilden. Wenn ich näher komme, beherrscht sie immer mehr das Bild. Und plötzlich passt alles. Ich habe die Alte Posthalterei zur Linken und das Schloss Osterstein im Hintergrund.
Nun kann ich endlich herantreten und die alten Mauersteine berühren. Es ist schön zu wissen, dass die Kirche schon so alt und immer noch vorhanden ist. Wie sie wohl ursprünglich ausgesehen haben mag? Die Mulde ist nur 250 Meter entfernt, es gab wiederholt Überschwemmungsschäden und auch von Stadtbränden blieb die Kirche nicht verschont. So wurde repariert, umgebaut und modernisiert, dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend. Einstmals als romanische Kirche gebaut, gilt sie heute als spätgotisch. Auf jeden Fall gehört sie zu den ältesten Gebäuden СКАЧАТЬ