Heißes Geld. Jan Eik
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Heißes Geld - Jan Eik страница 7

Название: Heißes Geld

Автор: Jan Eik

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520212

isbn:

СКАЧАТЬ RIAS-Studios befunden hatten. Damals hatten die Sendeanlagen noch in Tegel im französischen Sektor gestanden.

      Einen eigenen Rundfunksender besaß die von den Westmächten gepäppelte Insel im roten Meer, sah man vom amerikanischen RIAS ab, nicht. Der Nordwestdeutsche Rundfunk NWDR betrieb im Haus der Zahnärzte am Heidelberger Platz ein bescheidenes Studio und weit hinter dem Olympiastadion einen schwachen Sender, der kaum über West-Berlin hinausdrang. Aus der Ribbentrop-Villa in der Dahlemer Podbielskiallee erfreute der AFN des American Forces Network die amerikanischen Soldaten und eine jugendliche deutsche Hörerschar in Ost und West mit der Musik, die sie wirklich hören wollten. In der Masurenallee lagerte Derartiges als «imperialistisch verseucht» im Giftschrank.

      Zu Hause in ihrer düsteren Hinterhofstube bevorzugte Hildegund wie die meisten ihrer Nachbarn den RIAS. Das Programm fiel allemal unterhaltender und informativer aus als die dröge Propaganda aus der Masurenallee. Bei flotter Musik erfuhr man, was im Westen, vor allem aber, was im Osten wirklich passierte, und montags hörte alle Welt die Schlager der Woche. Das West-Berliner Radiokabarett Die Insulaner mochte Hildegund nicht so sehr, die populäre Unterhaltungssendung Mach mit dafür umso mehr. Die versuchten die östlichen Betriebsabende vergebens zu übertreffen.

      Dass die RIAS-Kommentare genauso giftig klangen wie diejenigen, die sie täglich zu tippen hatte, störte Hildegund kaum. Es überraschte sie nur immer wieder, dass der Westen nichts Ernsthaftes gegen die feindselige Stimme in der eigenen Stadthälfte unternahm. Umgekehrt hätten die Russen sich das vermutlich nicht so lange gefallen lassen. Im Haus wurde viel darüber gemunkelt, wie lange das noch gutgehen würde. Die Übertragungstechnik war bereits in den Ostsektor umgesiedelt. Vor einigen Tagen hatte man in einer Nacht- und Nebelaktion auch den größten Teil des Musikarchivs in den Osten transportiert. Unter strengster Geheimhaltung natürlich, doch Hildegund besaß, wenn es darauf ankam, ein gutes Gehör. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass die Unzahl von Tonbändern in dem kleinen Funkhaus in Grünau Platz finden sollte. In das ehemalige Bootshaus draußen an der Dahme musste sie von Zeit zu Zeit vertrauliche Materialien bringen.

      Wie der hauseigene Mundfunk meldete, war man seit einem Jahr irgendwo in Ost-Berlin dabei, ein neues Funkhaus einzurichten, zu dem West-Berliner keinen Zutritt haben sollten. Das wiederum glaubte Hildegund nicht, wohnten doch viele Schauspieler und Regisseure und fast alle Musiker seit eh und je im Westen der Stadt. Zu einem Umzug in den Osten würde sich kaum einer von denen überreden lassen.

      Bei den Redakteuren holte man den erforderlichen Nachwuchs aus der Provinz, so wie diesen Bauerntölpel Volker Ratzmann, der gerade hereinstürmte, schwitzend, die zerknitterten Papierbögen schwenkend und einen Geruch nach Ziegenstall verbreitend. Unwillkürlich bekam Hildegund eine Gänsehaut. Der Kerl wagte es wahrhaftig, ihr seine feuchte Flosse vertraulich auf die Schulter zu legen und sich über sie zu beugen, als wolle er ihr in den Ausschnitt gucken. Doch da hatte er bei ihr kein Glück. Sie hatte sich angewöhnt, selbst an warmen Tagen auf ein Dekolleté oder ähnlich Aufreizendes zu verzichten.

      Hildegund schüttelte Ratzmanns schweißige Pfote ab und maß ihn mit einem Blick, der ihn zurückweichen ließ. Was für ein armseliger Trottel! Mit seiner ungebärdigen Haarmähne, dem durchgeschwitzten Hemd und der fleckigen Hose sah er aus wie ein verkleideter Orang-Utan. Noch dazu trug der Riesenkerl tatsächlich Igelitlatschen! Ihre eigenen Schuhe waren allerdings auch nicht besonders modisch. Hier im Haus verzichtete sie besser auf die von Wölfchen geschenkten, denen man die Herkunft ansah. Es gab Leute, die auf so etwas achteten und es meldeten.

      «Stell dich nicht so prüde an, Mädchen!», polterte Ratzmann. «Jetzt hauen wir dieser miesen Frontstadtbagage mal richtig auf den Kopp!»

      Dementsprechend fiel sein wirres Pamphlet aus. Hildegund war sicher, dass selbst der Chef, der jeden Beitrag vor der Aufnahme abzeichnen musste, seine helle Freude an Ratzmanns plumpen Formulierungen haben würde. Das sollte eigentlich nicht ihre Sorge sein. Die Änderungen des Manuskripts beschäftigte sie jedoch in den nächsten Stunden noch zweimal.

      Ratzmann schien sich an diesem Tag gegen sie verschworen zu haben. Als Hildegund zum Feierabend endlich hinunter in die Halle eilte, schob er seine unübersehbare Gestalt gerade durch die Ausgangskontrolle, gefolgt von Sigmar Hünicke, dem schmächtigen Kerlchen mit der großen Klappe. Der hatte zu allem und jedem etwas Dämliches anzumerken. Oft war das ganz lustig, doch auf die Dauer ging Hildegund der bissige Ton auf den Geist. Zumindest war Hünicke nicht so unsympathisch wie der ungeschliffene Schnösel Ratzmann, der jetzt neben ihm in Richtung S-Bahn herstakte. Von hinten wirkten die beiden wie das dänische Filmkomikerpaar Pat und Patachon.

      Innerlich verfluchte Hildegund die beiden. Sie nahmen sich alle Zeit der Welt und trödelten herum. Hildegund wollte sie auf keinen Fall überholen. Das hätte allemal ein Gespräch provoziert, und dem wollte sie unbedingt entgehen. Es genügte ihr, die Kerle den ganzen Tag auf der Arbeit erdulden zu müssen, wenigstens die Heimfahrt wollte sie in Ruhe genießen. Sie hatte immer ein Buch bei sich. Manchmal fand sich sogar ein Sitzplatz.

      Die BVG war gespalten. Omnibus, U- und Straßenbahn verlangten Westgeld. Deshalb fuhren die Rundfunkmitarbeiter mit der S-Bahn, die dem Osten unterstand. Es sei denn, sie saßen weit genug oben und verfügten über einen Dienstwagen. Normalerweise durften Autos mit Ost-Berliner Nummer nicht in den Westen, aber das galt nicht für den Funk.

      Pat und Patachon näherten sich der Kreuzung am Messedamm und machten Anstalten, zum Bahnhof Westkreuz abzubiegen. Wahrscheinlich wollten sie auf schnellstem Wege in die Innenstadt, um im Osten endlich etwas trinken zu gehen. Eigentlich war das auch Hildegunds Richtung. Notfalls konnte sie jedoch von Witzleben aus mit dem Nordring fahren und an der Stalinallee in die U-Bahn umsteigen. Nahe der Samariterstraße gab es ein Konsum-Kaufhaus, in dem es sich vielleicht lohnte, vor Pfingsten nach einem brauchbaren Kleidungsstück Ausschau zu halten. Noch war ihre Punktkarte nicht leer. Immer nur auf Wölfchens Geschenke angewiesen zu sein behagte ihr nicht. Außerdem besaß er einen leicht ausgefallenen Geschmack. Was er ihr mitbrachte, war meistens viel zu auffällig für die tägliche Arbeit in einem Ost-Berliner Staatsunternehmen.

      Oder sollte sie die Gelegenheit nutzen, Wölfchen mit einem Besuch zu überraschen? Diese Idee trug sie schon seit längerer Zeit mit sich herum. Weshalb sollte sie immer warten, bis er sich meldete? Bis zur Damaschkestraße brauchte sie keine Viertelstunde.

      Hildegund war gerade dabei, den Messedamm zu überqueren, als sich plötzlich ein dunkler Pkw in so scharfem Tempo näherte, dass sie erschrocken zurücksprang und prompt im Rinnstein stolperte. Sie fiel auf Knie und Hände, hielt aber ihre Handtasche krampfhaft umklammert. Die Strümpfe waren hin, so viel war gewiss. Unwillkürlich kamen ihr vor Wut und Schmerz die Tränen.

      Als sie sich aufrappelte, wuselten zwei Männer um sie herum, die scheinbar besorgt an ihrer Kleidung herumklopften und beruhigend auf sie einsprachen. Der dunkle Wagen, der scharf gebremst hatte, stand genau an der Stelle, von der sie eine halbe Minute zuvor zurückgesprungen war.

      «Kommen Sie, wir fahren Sie ins nächste Krankenhaus!», sagte der breitschultrige Mann, dessen Hand sie vergeblich von ihrem Arm zu streifen versuchte, während der andere, ein kleiner Kerl mit einem Menjoubärtchen in der Gaunervisage, einladend die Wagentür aufhielt.

      Hildegund protestierte. «Was wollen Sie von mir? Mir ist nichts passiert!»

      Der Griff um ihren Oberarm wurde fester. «Das wird sich noch herausstellen. Wir fahren Sie, wohin Sie wollen.»

      «Ich will nirgendwohin!» Hildegund funkelte den kompakten Kerl mit dem bleichen Gesicht an und blickte sich hilfesuchend um. Ein paar Leute blieben stehen. «Und schon gar nicht mit Ihnen!», schrie Hildegund jetzt fast, worauf der mit dem Bärtchen zu erklären versuchte, die junge Frau habe sich verletzt und bedürfe dringend medizinischer Hilfe.

      «Hilfe!», nahm Hildegund das СКАЧАТЬ