Heimkehr. Jan Eik
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Название: Heimkehr

Автор: Jan Eik

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520182

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СКАЧАТЬ bei den Franzosen in Tegel.» Schieck stammte aus Luckenwalde und wohnte weit außerhalb der Stadt. Seine Schwierigkeiten mit der Berliner Topografie und den Sektorengrenzen waren Kappe schon öfter aufgefallen.

      «Jedenfalls hätte der Drahtfunk für die Amis allemal genügt!», stellte Schieck fest.

      Kappe beließ es dabei. Um weiteren Auseinandersetzungen zu entgehen, beugte er sich tief hinunter und förderte aus den Untiefen seines Schreibtischs einen Packen Papier hervor, auf den die Bezeichnung Akten schwerlich zutraf. Dennoch handelte es sich um solche. Papier war knapp, da mussten eben die Rückseiten der im Hause aufgefundenen Hinterlassenschaft der nationalsozialistischen Gauleitung oder jede andere Art von einseitig Bedrucktem herhalten. Am besten schrieb es sich mit dem Kopierstift, den Kappe einem klecksenden Federhalter vorzog, auf der Rückseite ehemaliger Wehrmachtslandkarten, die sich einige Ämter des guten Papiers wegen gesichert hatten, um darauf Bescheinigungen zu drucken. Kappes Nachweis der Typhus-Schutzimpfung bot das präzise Kartenbild der Gegend von Villers-Laquenexy in Lothringen. Er hatte es kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, und dabei war ihm zum Bewusstsein gekommen, dass er in seinem bisherigen Leben nie über die alten Grenzen des Deutschen Reiches hinaus gelangt war, ja eigentlich nur Berlin und einen Teil der Mark Brandenburg kannte. Zum Termin der KdF-Reise nach Madeira, zu der Klara ihn so heftig gedrängt hatte, wurde der vorgesehene Dampfer gerade als Hilfskreuzer im Atlantik versenkt.

      Seufzend machte sich Kappe daran, den vor ihm liegenden Papierwust zu ordnen und den fälligen Abschlussbericht in Angriff zu nehmen. Eine Tätigkeit, die ihm auch nach 36 Dienstjahren nicht besonders lag. Immerhin hatte der vorige Chef der Mordkommission Kappes Ausführungen zweimal als besonders exakt und eindeutig gelobt. Unangenehmerweise war der Mann bald darauf als ehemaliger SS-Oberscharführer entlarvt und durch einen Nachfolger ersetzt worden, dessen Eignung zum Kriminalinspektor jemand irgendwo in den Weiten Russlands oder in Karlshorst festgelegt hatte. In Karlshorst, dem «Berliner Kreml», residierte die sowjetische Militäradministration.

      Anscheinend genügte es, an den momentanen Chef namens Schneidereit auch nur zu denken, um ihn herbeizurufen. Forschen Schrittes stürmte er in den mangelhaft beleuchteten Büroraum, einen jungen Burschen im Schlepptau, den er munter als den vielversprechenden Kriminalanwärter Holtefret präsentierte. Der sei Kappe und Schieck mit sofortiger Wirkung zugeordnet.

      So hatte sich Kappe die seit langem geforderte Verstärkung der Mannschaft nicht vorgestellt. Er wurde ohnehin den Eindruck nicht los, dass man ihm vorwiegend die hoffnungslosen Fälle zu

      teilte und ihn allenfalls zu Rate zog, wenn es um Kriminelle der alten Garde und ihr Umfeld ging.

      Schneidereit, ein Hektiker vor dem Herrn, wollte umgehend wieder verschwinden, allein schon um der Frage nach einem zusätzlichen Schreibmöbel und einer Sitzgelegenheit für den Neuen zu entgehen. Er wurde jedoch im Abgehen von einem Mitarbeiter aufgehalten, der kurz und knapp den Fund einer weiblichen Leiche in Buch meldete.

      «Na bitte, meine Herren!», sagte Schneidereit zuversichtlich.

      Kappe und Schieck erhoben sich. Das Platzierungsproblem für Holtefret hatte sich vorläufig erledigt.

      «Komm Se!», forderte Kappe den strohblonden Jüngling auf, der ein wenig verwirrt schien. «Könn Se gleich mal erfahren, was bei uns so los ist.»

      Befriedigt schaute Schneidereit seinen abrückenden Mannen hinterdrein.

      SO ÜBELRIECHEND hatte Eddie Holtefret sich die Polizeiarbeit nicht vorgestellt. Die Frau – oder das, was von ihr übrig war – musste schon etliche Tage, wenn nicht Wochen in dieser Grube im Berliner Stadtforst gelegen haben, die einem eilig gegrabenen Schützenloch verteufelt ähnlich sah. Dafür hatte Eddie Holtefret einen Blick, seit er bei der Ausbildung zum Infanteristen selber mehrere Tonnen märkischen Sandes geschippt hatte, um seinen Körper anschließend in die mit einer Zeltbahn überdeckte Kuhle zu werfen und schussbereit den Feind zu erwarten. Als der dann wirklich kam, ließ er Eddie allerdings nicht die Zeit, ein Loch in den steinigen und zusätzlich gefrorenen Untergrund der Eifel zu buddeln, sondern fuhr mit einem Jeep so scharf auf ihn zu, dass nur ein armstarker Baum Eddie daran hinderte, sein junges Leben auf wenig heldenhafte Weise zu beschließen.

      So war er als Zwanzigjähriger in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten, in der ihm seine spärlichen Englischkenntnisse ein einigermaßen erträgliches Los verschafften. Nur sein Vorname Adolf bot den Kameraden wie den Wachmannschaften hin und wieder Anlass zu Späßen und Schikanen, weshalb er sich bald nur noch Addi nannte, woraus die Amerikaner schnell Eddie machten. Eddies Lagerleben gipfelte schließlich in einem Schreibstubenjob, der es ihm im August 1945 gestattete, sich selbst unter Missbrauch von zwei mangelhaft gesicherten Dienstsiegeln aus dem Lager zu entlassen und den Weg ins heimatliche Berlin anzutreten.

      Einen Beruf hatte Eddie Holtefret, Jahrgang 1924, wie so viele seiner Generation nicht erlernt. Dafür hatte die Zeit zwischen mittlerer Notreife, Einsatz als Flakhelfer und anschließender Einberufung einfach nicht gereicht. Dabei hatte Eddie, damals noch Adolf, einmal weitreichende berufliche Pläne verfolgt, war doch sein Onkel Ewald als Chemigraf und Klischeeätzer bei einer Tageszeitung tätig gewesen – ein gesuchter Fachmann, wie es hieß, und der Einzige in der Familie, der Adolfs Zeichentalent erkannte und förderte. Richtig Feuer gefangen aber hatte Adolf erst, als er aus heimlich belauschten Gesprächen der Erwachsenen erfuhr, dass hinter besagtem Ewald eine kurze Karriere als Banknotenfälscher lag, die dem begabten Onkel zwei Jahre Zuchthaus eingebracht hatte. Viel später, als Onkel Ewald ihn in die ersten Geheimnisse der schwarzen Kunst einzuweihen begann, hatte der ihm nebenbei eine wichtige Erkenntnis mitgeteilt: «Bestraft wird man nicht, weil man etwas Verbotenes getan hat, sondern weil man so dämlich ist, sich erwischen zu lassen.»

      Nach der Gefangenschaft auf Um- und Schleichwegen endlich in Berlin gelandet, hatte sich der fehlende Beruf bei der Suche nach Arbeit als ein gewisser Mangel erwiesen. Eddie war nicht auf den Kopf gefallen und nach all den Jahren in der HJ, hinter dem bellenden MG in den Bergen des italienischen Apennin, nach dem verlustreichen Rückzug aus Frankreich und der Gefangenschaft wahrlich kein heuriger Hase mehr. Nordöstlich vom Alex in der Gegend des Georgenkirchplatzes aufgewachsen – ein Kiez, der kaum zu den bevorzugten Wohnadressen ehrbarer Bürger gehörte –, kannte und beherrschte er so manche, nicht immer gesetzeskonforme Überlebensstrategie kleiner Leute. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, in das zwischen den Ruinen seines einstigen Wohnviertels erblühende Geschäftsleben einzusteigen, zumal ihm alte Bekannte wohlwollend dazu rieten.

      Eddie war ein vielseitiger und lernfähiger junger Mensch, der sich nicht mehr als nötig vor körperlicher Arbeit drückte. Zu einem aber taugte er nicht: zum Händler. Im Kaufmannsladen seiner älteren Schwester hatte er lieber den eiligen Kunden als den Verkäufer gespielt, und an den Schachergeschäften im Lager hatte er nur als Zuschauer teilgenommen. An die gängige Zigarettenwährung war er allerdings gewöhnt.

      Die Wohnung seiner Eltern lag in Schutt und Asche, bei einer Tante in Tempelhof fand er eine notdürftige Unterkunft. Deren Schwippschwager Jochen wiederum betrieb ein erfolgreiches und vorerst zukunftssicheres Unternehmen, das sich vornehmlich unter Wasser abspielte. Jochen, hinter dem eine undurchsichtige Vergangenheit bei der Marine lag, betätigte sich nämlich als Taucher und suchte dringend Mitarbeiter. Er stellte Eddie sofort als Anlernling ein, was dessen Abenteuerlust entgegenkam und ihm anfangs ganz gut gefiel. Der bezog die Schwerarbeiterkarte und eine zusätzliche Milchration, mit der er bei der Tante die Miete beglich. Allmählich begann er, sich in der Spree und den flachen Berliner Kanälen heimisch zu fühlen, als ein Ereignis eintrat, das ihn zur jähen Aufgabe des Tauchgewerbes nötigte. Die zunehmende Kälte in den winterlichen Gewässern war zwar unangenehm, doch nicht der eigentliche Anstoß. Vor dem Kraftwerk Klingenberg strömte ohnehin das warme Wasser der Turbinenkühlung in den Fluss. Zusammen mit einem weiteren Taucher, der über ebenso viel Praxis verfügte wie Eddie, СКАЧАТЬ