Название: Warum wir das schaffen müssen
Автор: Группа авторов
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865068873
isbn:
Mandy erhält aber auch Anfeindungen. Im Internet liest sie immer wieder hässliche Botschaften von Menschen, die ihr unterstellen, mit den Flüchtlingen auch den IS in ihr Haus zu holen. Dies tut ihrer Hilfsbereitschaft allerdings keinen Abbruch. Sie hat eine weitere Idee, wie man helfen kann. Im Internet können Schlafsäcke und Isomatten bestellt werden. Viele Gleichgesinnte beteiligten sich schon an dieser Idee, und so lieferten ihr die Postboten mehrere Wagenladungen. Diese verteilte Mandy Abend für Abend vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales. An jedem Schlafsack steckte ein Zettel, auf dem in verschiedenen Sprachen zu lesen ist, dass dies ein Geschenk von mitfühlenden Menschen ist.
„Viele dieser Leute sind Christen und glauben, dass Gott dich unendlich liebt. Wir hoffen, dass der Sack dich warm hält und dir ein wenig hilft, durch diese kalte, harte Zeit zu kommen“, steht beispielsweise darauf. Wer seinen Schlafsack nicht mehr benötigt, kann ihn an andere Menschen weitergeben, die noch keinen Schlafplatz im Warmen erhalten haben. Eine weitere Aktion, an der sich jeder ganz praktisch und leicht beteiligen kann.
Wie nah lasse ich die Flüchtlinge nun tatsächlich an mich heran? Die Nächte auf dem Sofa kommen für mich nicht infrage. Es klingt toll, was Mandy und ihr Mann erleben, und es sind sicherlich viele bereichernde Begegnungen. Aber ich wohne alleine, und da halte ich das Einquartieren von Männern bei mir zu Hause für wenig klug.
Ich habe in den letzten Monaten auch immer mal mit dem Gedanken gespielt, hauptamtlich mit Flüchtlingen zu arbeiten. Ich könnte meinen Arbeitsplatz aufgeben, um in einem Massenquartier als Sozialarbeiterin tätig zu sein. Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, weil ich auf Dauer mit der Belastung und den Geschichten und Schicksalen der Menschen emotional wahrscheinlich nicht umgehen könnte.
Manche Familien haben es auf dem Herzen, Kinder, die alleine gekommen sind, aufzunehmen. Für andere kommt das nicht infrage. Für manche bedeutet Flüchtlingshilfe, im Café der Gemeinde zu helfen, Kleidung zu spenden oder Deutsch zu unterrichten. Vielleicht laden meine Freundinnen und ich ja irgendwann mal eine junge Frau zum Essen ein. Wie nah wir die Flüchtlinge in unser Leben lassen, muss letztendlich jeder für sich selbst entscheiden. Wer sich allerdings in der Bibel mit den Themen „Fremdlinge“, „Hilfsbereitschaft“ und „Gastfreundschaft“ auseinandersetzt, weiß, dass es nicht allein meine menschliche Entscheidung sein kann, die darüber bestimmt, wie ich den Flüchtlingen in meinem Umfeld begegne.
Mein Freund Thorsten und die Flüchtlinge
Frank Bonkowski
Mein Freund Thorsten tickt politisch deutlich weiter rechts und hat eine ganz andere Einstellung als ich, was die derzeitige Flüchtlingspolitik angeht.
Ich kann mich noch gut an ein Gespräch erinnern, das wir vor knapp zwölf Jahren in einer Kneipe in unserer gemeinsamen Heimatstadt in Norddeutschland geführt haben.
Ich lebte damals an der Westküste Kanadas, während mein Freund unsere Heimat nie verlassen hatte.
„Du hast gar keine Ahnung, wie das jetzt hier läuft in Deutschland. Wohin du auch siehst, überall laufen Ausländer rum.“
„Ist doch schön, ich mag Multikulti! Das bereichert euch doch nur!“
„Das ist gar nicht schön. Diese Ausländer kriegen vom Staat UNSER Geld nur so nachgeschmissen, sie nehmen sich unsere Frauen und unsere Arbeit. Landunter, sag ich nur! Ich hab bald die Schnauze voll.“
„Du weißt schon, Thorsten, dass ich mit einer Ausländerin verheiratet bin und drei wunderschöne ausländische Kinder habe, die alle einen kanadischen Pass besitzen?“
„Bei euch ist das ja auch ganz anders, ihr habt ja noch nicht mal vor, nach Deutschland zu ziehen.“
Womit er damals noch recht hatte, obwohl wir zwei Jahre später dann doch wieder hierhergezogen sind.
„Ihr seid ja auch ganz anders als die Ausländer, von denen ich rede!“
Bevor ich meinen Freund bitten konnte, mir zu erklären, woran er unser „anders als die anderen Ausländer“ denn nun genau festmachen würde, kam die Bedienung, um unsere Bestellungen aufzunehmen.
„Ich hätte gerne ein Fladenbrot mit türkischer Wurst“, sagte Thorsten der Kellnerin. „Die musst du auch mal probieren, Frank, die türkische Wurst ist voll lecker!“
Ich glaube, den Humor in diesem Statement hat mein Freund bis heute nie so richtig erkannt.
Meine Familie lebt seit zehn Jahren wieder in Deutschland und nimmt meinem Kumpel seitdem erfolgreich zwei Arbeitsplätze weg, aber er ist tolerant genug und immer noch ein richtig guter Freund.
Und wir führen weiter ähnliche Diskussionen wie damals in der Kneipe und sind, was die derzeitige Flüchtlingsdebatte angeht, komplett unterschiedlicher Meinung.
Ich habe am eigenen Leib zu spüren bekommen, wie schwer es für Ausländer sein kann, hier in Deutschland anzukommen. Meine Kinder konnten damals nur Englisch, und obwohl Kanada ein westliches Land ist und ich Deutscher war, war die Umstellung wesentlich härter und langwieriger, als ich es jemals für möglich gehalten hatte.
Ich bin dankbar für jeden, der damals einfach nur freundlich und verständnisvoll mit meiner Familie umgegangen ist. Das hat mich zutiefst geprägt.
Ich bin durch meine Arbeit als Pastor etlichen Flüchtlingen persönlich begegnet. Meine eigenen Erfahrungen haben mir diese Kontakte leichter gemacht. Ich habe Gastfreundschaft, Kultur und fantastisches orientalisches Essen kennengelernt, und ich bedanke mich oft bei meinen neuen Freunden Habib, Rachel, Shivaa, Hussain, Samir, Farid und wie sie alle heißen, dass sie mein Herz weich werden lassen.
Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass mir all die Nachrichten über den Syrienkrieg wahrscheinlich heute egal wären, wenn ich die Menschen nicht kennen würde, die dort Freunde und Verwandte haben. Mein weicheres Herz führt dazu, dass mir die „Tagesschau“ jetzt regelmäßig richtig wehtut.
Das Interessante ist, dass diese Begegnungen und Geschichten auch meinen Kumpel Thorsten verändern. Wenn ich ihn einlade, mit Habib und Rachel syrisches Essen auszuprobieren, oder wenn ich ihm von Farids abenteuerlicher Flucht über die Berge in den Iran erzähle, dann passiert etwas Wunderschönes: Mein Freund wird neugierig und möchte diese Menschen mit ihren traurigen, spannenden Hintergründen kennenlernen.
Und wenn wir uns kennenlernen, ist schon so unglaublich viel gewonnen.
Und so ist mein Freund Thorsten, der so ganz anders tickt als ich, der Grund geworden, warum ich diese Begegnungen und Geschichten, die persönlichen Schicksale, aufschreiben und erzählen möchte, weil ich mir wünsche, dass sie uns alle weicher machen und verständnisvoller.
Es begann mit einem „Shereve!“
Frank Bonkowski
Wie lernt man eigentlich einen Flüchtling kennen?
Seit ein paar Jahren kommen bei uns Syrer in den Gottesdienst. Seitdem wird bei uns viel gelächelt. Das ist gleichzeitig nett, hat aber auch immer so etwas leicht peinlich Berührtes.
Manchmal СКАЧАТЬ