Название: Warum wir das schaffen müssen
Автор: Группа авторов
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865068873
isbn:
„Ania, kannst du deiner Mama übersetzen, dass ich es schön finde, euch kennenzulernen?“, bitte ich die 17-Jährige.
Sie übersetzt diesen einfachen Satz für ihre Mutter, und diese antwortet mir auf Albanisch. Ania dolmetscht: „Wir haben Angst, dass wir zurückmüssen. Wir wissen nicht, was mit uns passiert und wie es weitergeht – aber wir haben Angst, dass alles umsonst war und wir nicht bleiben dürfen.“
In diesem Moment fehlen mir die Worte. Denn ich weiß sehr genau, dass nur 0,03 Prozent der Menschen aus diesen „sicheren“ Staaten bleiben dürfen. Die Bleibechancen, um ihren Traum von einem Leben in Deutschland zu verwirklichen, sind verschwindend gering. Umso schwerer ist es, nun die richtigen Worte zu finden. Es ist nicht meine Aufgabe, sie über diese Fakten aufzuklären, und so sitzen wir weiterhin zusammen und sprechen miteinander.
Die Flüchtlingsströme nehmen in einem Ausmaß zu, das sich niemand so vorgestellt hätte. Recht schnell zeigen sich erste große Schwierigkeiten. Die Situation im Land und in der Politik scheint unübersichtlich. Die Neuankömmlinge im Massenquartier wechseln alle drei Wochen und werden auf andere Flüchtlingsquartiere verteilt. Mittlerweile hat sich ein fester Stamm an Helfern entwickelt, die an zwei Nachmittagen in der Woche ins Quartier fahren. Seifenblasen, Springseil, Bälle, Notizblöcke und Bastelmaterialien werden zum ständigen Begleiter. Die Familien sind nach wie vor sehr dankbar über die Abwechslung, die ihnen etwas von ihrer Langeweile nimmt. Aber auch die hauptamtlichen Helfer versuchen, sich Zeit zu nehmen, und üben mit den Bewohnern auf Zeit ein paar Worte Deutsch. Das Gespräch mit der Familie aber, die Angst vor einer Abweisung hat, hängt mir noch lange nach. Erst auf dem Rückweg nach Hause merke ich, wie anstrengend diese Begegnungen waren. Anstrengend, weil so viele neue Reize auf mich eingeströmt sind und weil es schwer ist, eine emotionale Distanz zu halten, wenn die Schicksale der Menschen so real werden.
Die Flüchtlinge in meiner Gemeinde
Im ganzen Land kommen täglich immer neue Flüchtlinge an. Auch bei uns in der Stadt entstehen mehr Wohnräume für sie. Kleine Dörfer aus Containern und Holzhütten werden geplant und aufgebaut. In dieser Zeit passieren viele Dinge parallel. Einige dieser Arbeiten laufen bereits länger, andere entstehen kurzfristig. Schnell zeigt sich, dass auch unsere Gemeinde vor neuen Herausforderungen steht. Es ist klar, dass wir als Christen mit von der Partie sein wollen, wenn es darum geht, den Menschen zu helfen, die hier Zuflucht suchen.
Eines Tages stehen einige junge Männer vor der Tür meines Gemeindehauses und klingeln. Sie suchen nicht speziell Hilfe, sondern möchten Kontakte knüpfen. Sie sind erst seit ein paar Tagen in einem großen Wohnhaus in der Nähe der Gemeinde untergebracht. Hier leben sie immer zu viert in einer Wohnung – wie eine multikulturelle WG.
Mit der Zeit finden immer mehr Menschen den Weg in unsere Gemeinde. Klar, dass die Flüchtlinge Deutsch lernen müssen, um hier leben und sich integrieren zu können. Die Sprachkurse der Volkshochschule und anderer Anbieter sind überfüllt. Es fehlt an Lehrkräften, um den Bedarf komplett abzudecken. Deshalb entscheidet unsere Gemeinde, Deutschkurse anzubieten. Im Internet gibt es hilfreiches Material im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ oder „Deutsch für Migranten“. Im Gemeindehaus können die Flüchtlinge an mehreren Tagen pro Woche an Computern lernen. Immer sind ehrenamtliche Helfer anwesend, die als Lehrer einspringen. Auch Nichtgemeindemitglieder engagieren sich in diesen Kursen. Sie wollen helfen und so Teil dieser Arbeit werden.
Ein paar Monate später melden sich einige der Kursbesucher zur Taufe an. Sie sind gekommen, um Hilfe zu suchen, haben Fragen im Gepäck und wollen mehr über Gott und Jesus wissen. Ihr traditioneller Glaube hat ihnen nicht den Halt in ihrem Leben gegeben, den sie gesucht haben. Teilweise wurden sie sogar ihres Glaubens wegen aus ihrer Heimat vertrieben. Und so entscheiden sich ganze Familien für Gott. Die Freude ist groß, und es wird ein bunter Gottesdienst, in dem sie Zeugnis von dem geben, was sie mit Gott erleben. Ich spüre neben der Freude aber auch meine Zweifel und Ängste. Ich habe von anderen gehört, dass sich viele Menschen aus den arabischen Ländern auch deshalb taufen lassen, weil sie dann als religiös verfolgt gelten und nicht mehr abgeschoben werden können. Sind die Motive dieser Menschen, die sich taufen lassen wollen, echt, oder suchen sie eine Möglichkeit, bleiben zu dürfen?
Ich denke über diese Frage nach und komme schnell zu dem Schluss, dass es nicht in meinem Ermessen liegt, das zu beurteilen. Gott sieht jeden von uns, und er weiß, wie es in unserem Inneren aussieht. Aber manchmal spüre ich auch meine Angst. Wenn Muslime zum Christentum konvertieren, sind sie der Gefahr ausgesetzt, von Freunden oder Familie drangsaliert zu werden. Immer wieder habe ich von Christen gehört, die als ehemalige Muslime ihre Familien und ihr Land verlassen mussten, weil diese ihnen mit dem Tode drohten. Was, wenn die Familien davon hören? Wie werden sie reagieren? Werden wir als Gemeinde eines Tages dadurch Schwierigkeiten haben?
Diese Gedanken gehen mir immer wieder durch den Kopf und werden für mich zur Herausforderung, wenn ich den Gästen und neuen Mitgliedern der Gemeinde offen begegnen will. Gleichzeitig muss ich lernen, mit meiner Skepsis umzugehen. Ich glaube aber auch, dass es ein großes Privileg ist, als Gemeinde auch solche Taufen zu erleben, bei denen sich ehemalige Muslime oder eben anders Glaubende Jesus zuwenden. Das ist es, was ich versuche in meinen Gedanken überwiegen zu lassen.
Gerade in einer großen Gemeinde wie meiner ist es aber leicht, den Menschen aus dem Weg zu gehen. Die Flüchtlinge sind in meiner Gemeinde – aber wie nah lasse ich sie wirklich an mich heran?
Der Fremde auf meinem Sofa
Im Internet lese ich von Mandy. Sie ist Bloggerin und lässt täglich viele Leser über Facebook und auf ihrer Homepage an ihren Erlebnissen und Gedanken teilhaben. So erfahre ich, dass sie und ihr Mann Flüchtlinge bei sich aufnehmen und ihnen für ein oder zwei Nächte einen Schlafplatz anbieten. Das finde ich spannend, und so stelle ich ihr meine Fragen, weil mich nun doch interessiert, wie das so ist!
In Berlin, vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, stehen die Neuankömmlinge mitunter mehrere Wochen Tag für Tag an, um sich registrieren zu lassen. Zwar werden viele von ihnen in Bussen zu anderen Quartieren gebracht, aber einige finden keinen Platz mehr im Bus. Sie müssen bis zum nächsten Tag warten – immer in der Hoffnung, dass dieser Tag eine Registrierung und somit auch eine Unterkunft für sie mit sich bringt. Es ist Ende November, und die Nächte sind eisig kalt.
Mandy kommt immer wieder an diesem Ort vorbei, und sie merkt bald, dass es ihr abends auf ihrem Sofa immer schwerer fällt, in Ruhe den Abend zu genießen, während draußen in der Kälte Menschen mit Temperaturen um den Gefrierpunkt zu kämpfen haben. Sie erkundigt sich, wie sie helfen kann, und kommt so über eine Facebook-Gruppe auf eine Webseite, auf der sie ihr Sofa anmeldet. Ein Gästezimmer hat sie nicht, aber das Sofa reicht völlig. Das ist keine Lösung auf Dauer, aber für kurze Zeit ist das in Ordnung. Mandy und ihr Mann sind Christen und versuchen zu helfen, wo sie können. Allerdings sind sie nicht der Meinung, dass es speziell für uns Christen wichtig ist, zu helfen.
„Ich habe als Christ keine besondere Verantwortung. Jeder Mensch hat die Verantwortung für sein Leben und das der Menschen um ihn herum“, sagt Mandy.
Für sie steht dabei die Menschlichkeit im Fokus, aber vielleicht hat sie als Christin, die Gottes Liebe in ihrem Leben erlebt, mehr zu geben?! Dennoch frage ich mich, wie die beiden die Zeit mit den ausländischen Gästen erleben.
„Mit Brahim aus Syrien haben wir einen Apfelkuchen gebacken, Pizza gemacht, mein Mann war mit ihm beim Angeln, ich habe mit ihm Tischtennis gespielt, und wir saßen gemeinsam vor dem Kamin.“ Mit diesen Worten gibt Mandy einen Einblick in diese Begegnungen.
Meist wollen ihre Gäste sich СКАЧАТЬ