Название: Loverboy
Автор: Astrid Seehaus
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783940002396
isbn:
Und jetzt war der Vogel ausgeflogen.
Carel stand im Schatten eines Hauseingangs und beobachtete die gegenüberliegenden Fenster, hinter denen er Zaschas Wohnung vermutete. Er tätigte mehrere Anrufe, die ergebnislos blieben. Niemand aus der Szene konnte oder wollte ihm sagen, wo Zascha steckte. Es half nichts, er musste über die aktuelle Situation Meldung machen. Einen Moment lang starrte er auf das Smartphone in seiner Hand und verfluchte sich. Er wollte nicht anrufen und tat es doch. Auf keinen Fall würde er zugeben, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Während es auf der anderen Seite klingelte, rang er mit sich, spielte Möglichkeiten durch, überlegte, ob er auflegen sollte. Das Gespräch nicht zu führen bedeutete, nicht zugeben zu müssen, dass ihm Zascha entwischt war. Am liebsten hätte er die Augen davor verschlossen und so getan, als ob nichts passiert wäre. Aber es ließ sich nicht leugnen. Zascha musste ihm auf die Schliche gekommen sein.
Auf der anderen Seite meldete sich eine Stimme. Ungeduldig und kurz angebunden. Carel hasste es, wenn sie kurz angebunden klang. Diese Situation zementierte geradezu sein Gefühl der Unzulänglichkeit.
„Ich habe ihn verloren“, hörte er sich verzweifelt flüstern.
Zu verzweifelt, wie er fand, sodass der anschließende Satz auf seinen Lippen erstarb und er es vorzog, schweigend zuzuhören. Das Gespräch endete mit einem knappen Befehl.
Genervt kehrte Carel zum Auto zurück, einer älteren Studentenkarre mit diversen Aufklebern: „Sponsored By Papa“. Dass er nicht lachte. Den Mercedes hatte er kurzfristig gegen diese „Leihgabe“ eingetauscht.
„Bleib dran! Bleib dran!“, wiederholte er die letzten Worte des Telefonats. Wussten sie überhaupt, dass er seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen hatte.
Carel stieg ein und deckte sich mit seiner Jacke zu. Zaschas Haus im Blick. Den Abstecher zu seiner Unterkunft – ein armseliges Zimmer, das ihm Zascha besorgt hatte, nicht ohne Miete für dieses Loch zu kassieren – konnte er vergessen. Dort hätte er zwar mal wieder richtig ausschlafen können, aber der Befehl lautete: auf Zascha zu warten und dann an ihm dran zu bleiben.
Er legte sein Telefon in greifbare Nähe – vielleicht würde dieser elende Mistkerl von unterwegs aus anrufen – und ging verschiedene Möglichkeiten durch: Was hatte Zascha vor? Wo könnte er sein? Hatte er etwas eingeworfen?
Überwältigt von schier unglaublicher Müdigkeit schlief Carel ein, noch ehe er über eine Antwort auf diese Fragen auch nur nachdenken konnte.
„Ach du Scheiße!“
Er war doch tatsächlich eingenickt. Verdammt!
Fluchend starrte Carel auf die Uhr am Armaturenbrett und versuchte abzuschätzen, wie lange er geschlafen hatte.
Sein Blick streifte den Eingang des Hauses, das er eigentlich hätte beobachten müssen. Er reckte den Hals, um zu überprüfen, ob irgendwo auf einer Etage Licht brannte, und rieb sich mit den Händen hart über die Wangen. Hinter den Fenstern war es dunkel. War Zascha in der Zwischenzeit überhaupt zurückgekommen? Und wenn ja, sollte er das überprüfen, indem er die Wohnungen durchklingelte? Würde Zascha ihm überhaupt öffnen oder es vorziehen, die Klingel zu ignorieren?
Carel verwarf seine Idee gleich wieder und überlegte, was zu tun übrig blieb. Wenn nirgendwo Licht brannte, war Zascha vielleicht noch nicht zurückgekommen. Oder er war da gewesen und schon wieder weg? Oh Mann! Das ließe sich dann wirklich nicht mehr erklären, wenn ihm der Kerl in derselben Nacht ein zweites Mal entwischt wäre.
Er kurbelte das Fenster herunter. Die nächtliche Kälte vertrieb die letzten Reste von Müdigkeit. Als er aussteigen wollte, um sich die eingeschlafenen Beine zu vertreten, sah er Zaschas Subaru am Ende der Straße einbiegen. Er konnte sein Glück kaum fassen. Regungslos blieb Carel im Auto und beobachtete, wie Zascha ausstieg und das Haus betrat. Befriedigt sah er, wie im dritten Stock rechts das Licht anging. Es dauerte keine Minute, bis Zascha mit einem Stück weißem Stoff in der Hand zurückkehrte und in den Subaru sprang. Ganz eindeutig hatte er etwas vor.
Mit Aufheulen wurde der Motor gestartet, und Zascha brauste davon. Mit wohldosiertem Abstand, so dass Zascha ihn nicht bemerkte, er ihn aber umgekehrt nicht aus den Augen verlor, folgte Carel ihm in die Krämpfervorstadt. Vor einem leer stehenden Mietshaus, nicht weit vom Güterbahnhof, hielt der Subaru, und das gleiche Spielchen begann von vorn: Carel wartete von Neuem, während Zascha in einem dunklen Hauseingang verschwand. Dieses Mal kehrte er mit einer jungen Frau zurück, die wie eine Puppe in seinen Armen lag. Das dunkle Haar hob sich von ihrem weißen Kleid ab und fiel in glänzenden Kaskaden herab. Carel konnte aus dieser Entfernung nicht einschätzen, ob das Mädchen schlief oder womöglich bewusstlos war. Um das herauszufinden, verließ er den Wagen und schlich zwischen den parkenden Autos näher heran. Dabei hoffte er, dass Zascha ihn nicht entdecken würde. Doch der war mit dem Mädchen beschäftigt, das er umständlich auf den Beifahrersitz setzte.
Ehe Carel jedoch irgendetwas ausmachen konnte, saß Zascha schon wieder hinter dem Lenkrad und rauschte davon.
„So eine Scheißnacht“, presste Carel durch die Zähne hervor und hieb wütend auf das Dach des Fahrzeugs ein, hinter dem er sich vor Zascha versteckt hatte. „Was hat dieses Arschloch denn jetzt schon wieder angestellt?“
Carel stürzte zurück zu seinem Wagen und folgte Zascha. Zwei Querstraßen weiter hatte er ihn eingeholt und fingerte nach seinem Smartphone. Blind tippte er auf dem Display herum und wartete, bis sich am anderen Ende jemand meldete.
„Ich bin dran. Er nimmt die Schnellstraße Richtung Norden. Will vermutlich auf die Autobahn … Mit einem Mädchen … Nein“, stieß Carel atemlos hervor. Er lauschte, wiederholte, gab eine Adresse durch und sagte: „Wenn ich das wüsste. Ich kann jetzt nicht, das musst du tun.“
Er beendete das Gespräch und trat das Gaspedal durch. Der Subaru drehte auf und erst kurz vor dem Abzweig auf die A 71 war er wieder näher an ihm dran. Zascha fuhr, als ob der Teufel hinter ihm her wäre, und wieder hegte Carel die Befürchtung, dass dieser Mistbock etwas ahnte.
Als Carel auf die Ausfahrt Mittelhausen zusteuerte, sah er links die Lichter der Stadt. Er verließ die Autobahn und glaubte, es ginge zurück zur Innenstadt, er wäre wieder einer von Zaschas Launen ausgesetzt, stundenlang herumzufahren, auf der Suche nach dem nächsten Kick. Aber dieses Mal wohl kaum mit einem Mädchen, das bewusstlos war.
Carel vergrößerte den Abstand, um zu vermeiden, erkannt zu werden. Und verlor den СКАЧАТЬ