"Rosen für den Mörder". Johannes Sachslehner
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Название: "Rosen für den Mörder"

Автор: Johannes Sachslehner

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783990404669

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СКАЧАТЬ Franz Murer, der mit seiner Truppe noch immer in Nordfrankreich stationiert ist, wird am 2. Juli zur „A. u. E.-Stelle“ des Luftgaukommandos III versetzt, soll also für „Ausbildung und Ersatz“ tätig sein. Die neue Dienststelle ist jedoch nach wenigen Tagen bereits wieder Vergangenheit: Ein Telegramm aus Berlin trifft für den Gefreiten ein. Lakonisch heißt es da: „Auf Befehl des Führers haben Sie sich in Berlin beim Sonderstab R. zu melden …“ Sonderstab R.? Murer hat keine Ahnung, was sich dahinter verbergen mag, offenbar hat man aber in der Hauptstadt eine besondere Aufgabe für ihn vorgesehen. Die Adresse, an der er sich melden soll, klingt ziemlich kryptisch: „Institut für kontinental-europäische Forschung“ in der Rauchstraße 17/18. Geht es um Russland, um einen Einsatz im Osten? Was er nicht weiß: Telegramme wie dieses haben auch zahlreiche andere „Ordensburger“ erhalten. Pflichtbewusst meldet sich Murer am 8. Juli 1941 bei seiner Einheit ab und reist am nächsten Tag nach Berlin, wo sich das Dunkel etwas lichtet: Der „Sonderstab R.“ entpuppt sich als „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ (ERR), offenbar verbindet sich damit tatsächlich eine Funktion in den eben von der Wehrmacht eroberten Gebieten. Murer muss für das geheimnisvolle Institut für kontinental-europäische Forschung eine „Notdienstverpflichtung“ unterschreiben und gleichzeitig seinen Dienst als Soldat quittieren: Aufgrund der „Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938“, so der Text dieser wortkargen „Polizeilichen Verfügung“, werde er nun zu einem „langfristigen Notdienst“ herangezogen. Was Murer zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht weiß: Er ist jetzt Mitarbeiter von Alfred Rosenbergs „Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete“, das sich unter dem genannten Tarnnamen im beschlagnahmten Gebäude der ehemaligen jugoslawischen Botschaft in der Rauchstraße angesiedelt hat. Erst am 18. November 1941 wird die Existenz dieses Ministeriums von der NS-Presse offiziell verlautbart werden, sein vorrangiges Ziel erläutert Rosenberg am Tag zuvor in einer geheimen Rede, die bereits unverblümt den Massenmord an den Juden ankündigt: Der Osten sei „berufen, eine Frage zu lösen, die den Völkern Europas gestellt ist: das ist die Judenfrage. Im Osten leben noch etwa sechs Millionen Juden, und diese Frage kann nur gelöst werden in einer biologischen Ausmerzung des gesamten Judentums in Europa.“

      Murer erhält Befehl, sich auf der Ordensburg in Krössinsee zu melden, wo die für den „Osteinsatz“ vorgesehenen Absolventen unter dem Titel Führerkorps Ost zusammengezogen werden. In Schulungsvorträgen bereitet man hier die hoffnungsvollen „Nachwuchsführer“ auf ihre Aufgabe vor, Robert Ley und Rosenberg selbst, inzwischen von Hitler als „Reichsminister für die besetzten Ostgebiete“ inthronisiert, geben sich die Ehre, um die „weltanschaulich festen Männer“ (Burggemeinschaft 5/6, 1943) auf den „entscheidenden Anfangsaufbau“ einzuschwören. Das unverhüllte langfristige Ziel: Durch „Eindeutschung rassisch möglicher Elemente, durch Kolonisierung germanischer Völker und durch Aussiedlung nicht erwünschter Elemente“ soll das gesamte Gebiet des „Reichskommissariats Ostland“ zu einem Teil des Großdeutschen Reiches werden. („Instruktion für einen Reichskommissar Ostland“, zitiert nach Franz Albert Heinen, Gottlos, schamlos, gewissenlos.) Ein Erlass Hitlers vom 17. Juli 1941 schafft die noch improvisiert klingende juristische Grundlage für Rosenbergs Männer: „Um die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben in den neu besetzten Ostgebieten wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, ordne ich an: § 1 Sobald und soweit die militärischen Kampfhandlungen in den neu besetzten Ostgebieten beendet sind, geht die Verwaltung dieser Gebiete von den militärischen Dienststellen auf die Dienststellen der Zivilverwaltung über. Die Gebiete, die hiernach in die Zivilverwaltung zu überführen sind, und den Zeitpunkt, in dem dies zu geschehen hat, werde ich jeweils durch besonderen Erlass bestimmen.“

      Die ausgewählten „Ost-Kämpfer“ (Franz Albert Heinen) werden gesundheitlich untersucht, eingekleidet und mit Ausrüstung und Papieren versehen, dann geht es an die Einteilung der Stäbe und die Zuweisung der zukünftigen Aufgabenfelder. Murer wird dem aus Schleswig-Holstein stammenden SA-Führer Hans Christian Hingst (1895–1955) zugeteilt, der als Gebietskommissar von Wilna-Stadt vorgesehen ist. Murers Funktion als „Stabsleiter“: Als „ständiger Vertreter des Gebietskommissars“ wird er nach seinem Chef der wichtigste Beamte der neu geschaffenen Dienststelle und als Leiter der „Abteilung Politik“ auch für „Judenfragen“ zuständig sein.

      Zum „Reichskommissar für das Ostland“ mit Sitz in Riga wird Hinrich (auch Heinrich) Lohse (1896–1964), der Gauleiter von Schleswig-Holstein, ernannt. Lohse, ehemals Bankangestellter in Altona, ist ein alter Bekannter Rosenbergs aus der „Kampfzeit“, der ihn bereits im April 1941 bei Hitler für dieses Amt vorgeschlagen und durchgesetzt hat. Nun sorgt Lohse dafür, dass seine Gesinnungsfreunde aus Schleswig-Holstein mit Posten im „Ostland“ versorgt werden – zu ihnen zählt auch Murers neuer Chef Hans Christian Hingst, bislang Kreisleiter in Neumünster. Generalkommissar im „Generalbezirk Litauen“ und damit unmittelbarer Vorgesetzter von Hingst und Murer wird Reichshauptamtsleiter Dr. Theodor Adrian von Renteln (1897–1946) aus München, ehemals Reichsführer der Hitlerjugend und seit 1940 „Hauptamtsleiter Handel und Handwerk in der Reichsleitung der NSDAP“. (1946 soll von Renteln, der baltendeutscher Herkunft ist, in der Sowjetunion hingerichtet worden sein, wie jedoch Christoph Dieckmann vermutet, könnte ihm möglicherweise auch die Flucht nach Südamerika geglückt sein.)

      Für die Angehörigen der Zivilverwaltung in den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine hat man eigene Uniformen aus goldbraunem Stoff geschaffen, die ihren Trägern von Seiten der Wehrmacht den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Goldfasane“ einbringen werden, häufig verbunden mit dem Vorurteil, dass es sich um „Schieber“ und „Drückeberger“ handle. Rosenberg hat ursprünglich für seine Mannen feldgraue Uniformen verlangt, da sie ja „zivilen Frontdienst“ leisten würden – ein Überschuss an goldbraunem Stoff gibt jedoch den Ausschlag für eine Einkleidung mit diesem Material.

      Ergänzt wird die goldbraune Montur durch eine rote Hakenkreuzschleife am rechten Arm, die die Aufschrift „Krössinsee“ trägt. Dieser Uniform wird später noch große Bedeutung zukommen: Sie unterscheidet ihre Träger eindeutig von Angehörigen der SS und des SD, Zeugen, die später ein Auftreten Murers in dieser goldbraunen Uniform bezeugen können, gewinnen an Glaubwürdigkeit. Wie Murer in seiner autobiografischen Skizze schreibt, bekommt er in Krössinsee auch eine Pistole ausgehändigt, verbunden „mit der ausdrücklichen Belehrung, davon nur zum Zwecke der Selbstverteidigung Gebrauch machen zu dürfen“. Daran habe er sich auch gehalten: „Ich habe auch nie von der Schußwaffe Gebrauch gemacht, ich kam weder durch einen Befehl oder durch Notwehr oder sonst einen Grund in eine solche Lage. Es war ja niemals so, daß jeder nach Belieben herumschießen konnte, da hätte er sich genau so straffällig gemacht wie heute.“ Was Murer allerdings verschweigt: Er erhält in Krössinsee auch eine Schießausbildung an dieser Waffe, der Umgang mit ihr ist ihm durchaus vertraut.

      Franz Murer ist im Übrigen nicht der einzige „Ostmärker“, der in Krössinsee auf den „Osteinsatz“ vorbereitet wird: Da ist etwa der SA-Sturmbannführer Leopold Windisch, geboren am 15. April 1913 im niederösterreichischen Senftenberg, auch er ein Absolvent der pommerschen NS-Ordensburg. Windisch, 1928 bis 1931 stellvertretender „Gauführer“ der Hitlerjugend in Niederösterreich und später „Verbindungsführer“ der österreichischen SA-Landesleitung, wird Stabsleiter beim Gebietskommissariat in der weißrussischen Stadt Lida, 40 km von der litauischen Grenze entfernt. Geleitet wird die Dienststelle vom „alten Kämpfer“ Hermann Hanweg (1907–1944), einem „Kameradschaftsführer“ aus Krössinsee. Vom 8. bis zum 12. Mai 1942 ermorden die Nazis und ihre litauischen und lettischen Helfer im Distrikt Lida mindestens 12.874 Juden, Windisch, für den die Opfer nur „Abschaum“ und „syphilitisches Pack“ sind, ist an den Massentötungen wesentlich beteiligt. Unter den Ermordeten sind auch Juden aus Wilna, die hier Zuflucht suchten. Unter dem Vorwurf, die Wilnaer Juden mit Papieren ausgestattet zu haben, lässt Windisch im Frühjahr 1942 sieben Mitglieder des Judenrates von Wilna schwer misshandeln und hinrichten. Nach umfangreichen Ermittlungen – die Akten und Dokumente zu seinem Fall im Bundesarchiv Ludwigsburg umfassen 46 Bände – wird er 1969 in einem Prozess vor dem Landgericht Mainz wegen „gemeinschaftlichen Mordes“ zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Leopold Windisch, der bis an sein Lebensende überzeugter Nationalsozialist und Judenhasser СКАЧАТЬ