Prothesengötter. Frank Hebben
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Название: Prothesengötter

Автор: Frank Hebben

Издательство: Автор

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783957770820

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СКАЧАТЬ teuer.«

      »Und zu Recht!« Der Händler öffnete die Hände. »Diese Erinnerung stammt aus dem Jahr 1964, Westeuropa, Frankreich vielleicht; sie ist mehr als zweihundert Jahre alt.« Sein Lächeln wurde breiter. »La Bohème, wenn Sie wissen, was ich meine.«

      »La Bohème«, wiederholte das Mädchen nachdenklich. »Gut, okay, tauschen Sie auch schlechte?«

      »Kommt drauf an.«

      »Ich habe ein Erlebnis aus der Schulfabrik, zwei Nächte im Gefängnis und den Mord an meiner Mutter.«

      Der Händler sog Luft durch die Zähne. »Mord? Wir sind ein seriöses Geschäft, so etwas können Sie hier nicht tauschen. Erinnerungen an Bücher, an Filme, die unsere Regierung vernichten ließ, das nehmen wir gerne. Sonnenuntergänge, Erinnerungen an Tiere und Pflanzen. Ein Picknick im Wald. Haben Sie solche Fragmente?«

      »Nein«, antwortete das Mädchen traurig, und ihre Augen schillerten in tausend Farben. »Oh, ich hatte mal einen Hund.«

      »Einen Hund? Dafür gibt es Sammler. Welche Rasse?«

      »Weiß ich nicht. Er hatte ein königsblaues Fell.«

      Der Händler winkte ab. »Keine Schöpfungen, tut mir leid.«

      »Ich überleg es mir noch mal«, flüsterte das Mädchen. Sie stülpte die Kapuze ihres Plastikmantels über den Kopf und zerrte an den Bändern. »Auf Wiedersehen.«

      »Beehren Sie uns, sobald Ihnen etwas Gutes widerfahren ist.« Der Händler nahm die Haftung ab. »Schönen Abend wünsche ich!«

      Tropfen für Tropfen

      Saurer Regen, manchmal Blut

      Rotgefärbt durch Neonlicht

      Ein Club in den Schatten

      Drinnen waren die Stimmen künstlich abgedämpft, nur angenehmes Murmeln drang aus den Sitznischen. Das Mädchen hatte sich ans Schaufenster gesetzt und beobachtete die vorüber drängenden Menschen. Es regnete in Strömen.

      »Was darf ich dir bringen?«, fragte die Kellnerin und stellte das Tablett mit den Tassen ab, um die Hände freizuhaben. Sie zückte Zettel und Stift, wartete.

      »Sunburn ohne Eis.« Das Mädchen schaute sie nicht an. »Doppelt.«

      »Schlechter Tag, was?«

      »Schlechtes Leben.«

      Der Regen fiel.

      Zwei Männer gingen vorüber, eine Frau, ein Mann, ein Polizist. Hastig drehte sich das Mädchen weg.

      »Wie heißt du?«, fragte die Kellnerin.

      »Céline.«

      »Kopf hoch Céline, bloß nicht unterkriegen lassen.«

      »Sunburn ohne Eis, doppelt.«

      »Kommt sofort.«

      Céline streifte ihre Tasche und den Plastikmantel ab, hängte beide am Haken auf. Als die Kellnerin mit dem Drink zurückkam, bezahlte sie direkt und passend, gab kein Trinkgeld und verkroch sich dann im Winkel zwischen Polsterung und Fenster. Ihr Atem beschlug die Scheibe. Vorsichtig setzte sie das Glas an die Lippen und nippte daran. Sie schloss die Augen und dachte an ihre Lieblingserinnerung, die einzig schöne, die sie noch hatte; alle anderen waren verkauft:

      Das Meer

      Blau und weit

      So kalt und klar

      Sein gleichmäßiges Atmen

      Ein und aus

      Oben Vögel und die Sonne

      Der Cocktail zeigte Wirkung, ein warmes Kribbeln im Bauch, wie Liebe, und Céline seufzte lustvoll; jetzt ging es ihr viel besser. Sie bestellte noch ein Glas.

      »Sunburn?«, fragte die Kellnerin.

      »Doppelt.«

      »Kommt sofort.«

      »Warte mal«, sagte Céline. »Ich suche jemanden, einen, der schlechte Memories eintauscht.«

      »Willst sie loswerden, nicht wahr, Kleines? Was ist es, eine unglückliche Liebe? Herzchen, damit plagen wir uns doch alle rum!«

      »Kennst du da jemanden?«, fragte Céline leise.

      »Vielleicht nimmt sie die Nadel. Schlechte Erinnerungen und neue Rauschgifte, das hält sie am Leben, selbst kann sie nichts mehr fühlen. Probier es, biete sie ihr an. Sie lungert am Hafen, auf dem Flohmarkt der Träume.«

      »Ich weiß, wo das ist.«

      »Such hinter den Ständen. So, ich bring dir mal den Cocktail.«

      »Danke.«

      Als die Kellnerin zurück an den Tisch kam, kippte Céline das Getränk hinunter, bezahlte und stand auf. Sie griff nach ihrem Mantel und zog ihn über, nahm ihre Tasche und verließ die Bar. An der nächsten Ecke bog sie links ab und folgte den Straßen, bis sie den Flohmarkt am Hafen erreichte. Nach kurzem Suchen fand sie die Nadel, müde an eine Laterne gelehnt, eine Frau in den letzten Jahren, ausgemergelter Körper, die Wangen traten hervor.

      »Man nennt dich die Nadel?«

      »Wer will das wissen?« Ihre kristallblauen Augen durchbohrten sie; Neon-Implantate.

      »Schlechte Memories, tauschst du sie?«, fragte Céline.

      »Hast du dein Stofftier verloren?« Die Nadel zog die Lippen breit.

      »Ich rede von Mord, an meiner Mutter.«

      Kurzes Schweigen.

      »Du dummes Ding«, sagte die Nadel. »Blutjung, und schon dein Leben versaut.«

      »Nein, nein, ich war das nicht.«

      »Ach so. Gute Qualität?«

      »Denke schon.«

      »Okay«, sagte die Nadel, »lass mal sehen.« Sie langte hinter die Laterne, wo ihre Habseligkeiten standen, holte einen Kubus hervor und klebte die Haftung an die Stirn. »Komm her, ich schau’s mir an.« Die Nadel winkte; Céline tastete nach ihrer Waffe, zögerte kurz und trat heran. »Ich will etwas Schönes dafür.«

      »Was Schönes willst du? Eine Erinnerung an Schnee?«

      »So etwas hast du?«, fragte Céline verblüfft.

      »Ich?« Ein Lachen schüttelte die Nadel. »Na klar!«

      »Was hast du dann?«

      »Wie wär’s mit Clowns? Ein alter Traum mit Clowns.«

      »Gut, warum nicht.«

      »Komm näher.«

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