Von Blüten und Blättern. Elisabeth Göbel
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Название: Von Blüten und Blättern

Автор: Elisabeth Göbel

Издательство: Автор

Жанр: Сад и Огород

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isbn: 9783937881645

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СКАЧАТЬ Die Amsel ruft trillernd »sri« und »tränk«, beim Anblick von etwas Verdächtigem aber schallend und gellend »dix dix«, worauf, falls Flucht nötig wird, ein hastiges »Gri gich gich« folgt. Der Amselgesang steht dem der Singdrossel kaum nach, hat mehrere Strophen von ausgezeichneter Schönheit, klingt aber nicht so fröhlich, sondern feierlicher oder trauriger … Hier versagt auch Brehm, eine phonetische Umschrift des Amsellieds bietet er nicht an. Wie aber singt die Drossel?

      Alfred Brehm. Die Lockstimme der Drossel ist ein heiser pfeifendes, nicht weit hörbares »Zip«, an das häufig »tack« oder »töck« gehängt wird. Bei Erregung »styx styx«… Das Lied ist inhaltsreich, wohl- und weittönend. Mit flötenden Lauten wechseln auch schrillende, minder laute und nicht sehr angenehme Töne ab. Trotzdem ist das Drossellied fast so schön wie das der Nachtigall.

      Das Lied der Nachtigall ist mir vertraut und auch dem Kuckuck sowie dem Zilpzalp –»zilpzalp«– muss ich nichts nachlesen. Sogar die Goldammer werde ich erkennen, denn Beethoven hat in der 5. Symphonie das »Schicksalsmotiv« G-G-G-Es ihrem Ruf nachempfunden. Leider war bisher noch keine Schicksals-Ammer in unseren Garten zu hören.

      Hier noch ein Versuch des Diplombiologen Uwe Westphal über die Nachtigall; man lese es laut:

      Ih ih ih ih ih watiwatiwatih!

      hih titagirarrrrrrrrrr itz,

      lü lü lü lü lü lü lü lü lü watitititi

      Dadada jetjetjetjetjetjetjetjetjet

      tütütütütütütü zatnzatnzatnzi,

      zezezezezezzäzäzäzäzazazazi,

      ji jih güh güh güh güh güh dalidowitz.

      8. Februar, Dienstag

      Die ersten Schneeglöckchen blühen und die Sonne scheint. Hier und da strecken schon Tulpen und Hyazinthen ihre Spitzen aus dem Erdreich heraus. Auch die Hamamelis verhält sich frühlingsgemäß. Wir reisen in die Türkei.

       17. Februar, Donnerstag

      Eine Woche lang blauer Himmel und der leise Atem der Brandung in der Nacht. Das Mittelmeer in schönstem Blau. Nun stehen ein paar Rosmarinzweige, ein Stiel rosa Pfeffer und ein Ölzweig mit schwarz glänzenden Oliven in einer Glasvase auf unserem Küchentisch. Im Garten hat sich nichts verändert, es blühen wie gehabt am Haus die Schneeglöckchen, während sie hinten unterm Pflaumenbaum erst ihre weißen Knöspchen ans Licht strecken, der Hamamelisstrauch leuchtet. Auch die Kornelkirsche, die Frühblüherin, zeigt gelbe Knospenbüschel, die sich bald öffnen werden. Überall auf dem Rasen liegen kleine und große Äste vom Baumschnitt herum, und die Unordnung in den Beeten ist auch noch lange nicht beseitigt. Wir frieren selbst im Haus und mögen nicht hinaus ins Freie gehen.

      19. Februar, Samstag

      Wie ein Gedicht entsteht. Günter Kunert erzählt in seinen Aufzeichnungen Die Botschaft des Hotelzimmers an den Gast, wie ihm bei einem Gang durch den Garten plötzlich ein Satz erscheint, der eine Gedichtzeile werden kann, ein Satz, der nicht »gedacht« wird, sondern irgendwoher aufsteigt: Die Toten hängen in den Bäumen. Eine Blase »aus dem Sumpf des Unbewussten«. Es folgt eine Assoziationskette – und vielleicht wird daraus, in winzigen Schritten, ein Gedicht.

      Wenn ich im Garten umherschaue, fällt mein Blick auf die Fruchtmumien an den Zweigen der Apfelbäume, diese kranken, toten, schwarzen Schrumpfköpfe, und ich weiß, wie wichtig es ist, sie rasch zu beseitigen, ehe ihre Sporen Schaden bei der nächsten Ernte anrichten können. An ein neues Gedicht denke ich nicht, Kunerts Gedichtzeile geht mir trotzdem durch den Sinn. Zu dem mir fremden Satz des geschätzten Dichters gesellen sich die Bilder meiner Wahrnehmung: die Schneeglöckchenknospen unter dem noch kahlen Pflaumenbaum, die stahlblaue Kälte, die seit Tagen herrscht, die zarten Blütenfäden der Zaubernuss, die sich strecken und winden vor den jetzt rot gestrichenen Brettern vom alten Hühnerstall, und, wie gesagt, die toten Früchte im Apfelbaum. Meine Bilder – ich suche, was sie verbindet, denn erst, wenn etwas auftaucht, was eine innere Verbindung des scheinbar Unverbundenen schafft, entsteht das Surplus, der »Mehrwert«, den jede Geschichte, jedes Gedicht braucht.

      Der Haken, der sich unversehens in mir festmacht und schwer wieder lösen lässt, ist die Farbe Schwarz, es ist die Angst. Die weißen Knospen der Frühlingsblüher kommen aus der schwarzen Erde Angst. Vater in Russland, Vater im Krieg. Das zaghafte Blühen der Hamamelis und die staubtrüben kleinen Fenster in der Hühnerstalltür verbinden sich mit dem Verdunkelungsgebot. Ich wuchs als Kriegskind auf. Ich galt als schwieriges Kind, das man einsperrte ins Dunkle, in eine licht- und fensterlose Kammer.

      Morgen schreibe ich ein Erlebnis auf. Was ich erzählen will, wird kein Gedicht. »Gedichteschreiben ist keine Fähigkeit, die man erwirbt und die einem zur Verfügung steht, wenn man will, wenn man seinen Willen dressiert und fleißig ist. Ach nein …«, notiert Eva Strittmatter 1988 in einem Brief.

      Eine Geschichte von unserem Hühnerstall. Er ist im Sommer kitschigschön mit Rose und Passiflora berankt, doch was ich erzählen möchte, ist eine Geschichte von Dunkelheit und Angst. Und der Mehrwert im Garten – gewinnt ein Garten durch den Erwerb besonderer, womöglich exotischer Pflanzen, schwarzer Tulpen vielleicht? Gewinnt er durch Zuwendung und Pflege? Ich muss darüber nachdenken. Vielleicht ist es das Arrangement, die Gruppierung von Bäumen, Sträuchern, Blumen, was den Mehrwert erzeugt. In einer Baumschule oder einem Gartencenter gibt es die zweite Ebene der Poesie wohl kaum.

      20. Februar, Sonntag

      Der Hühnerstall, in dem schon lange keine Hühner mehr sind, wurde 1941 gebaut. Gemäß den Vorschriften der Nazizeit hatten Stallgebäude aus Holz zu sein. Andere Baumaterialien waren »kriegswichtig« und deshalb anderweitig zu verwenden. Trotz des Gebots, »aus luftschutztechnischen Gründen dunkle, gegen Fliegersicht schützende Farben« zu wählen, wurde das Häuschen in hellem Gelb gestrichen. Es gab einen Scharrraum mit Ausschlupf in den Hühnerhof, der Boden unter den Sitzstangen war aus gestampftem Lehm. Unter einer Holzbank mit aufklappbaren Sitzen hatten die Hühner ihre Gelegeplätze. Ich war Kind und sah den Hennen beim Eierlegen und beim Brüten zu. Das rote Giebeldach bot Platz für eine große Menge Heu, das durch eine Klappe in der Holzdecke zum Dachboden hinaufgeschoben wurde.

      Zehn Quadratmeter Hühnerstall und eine Bauzeichnung auf durchscheinendem Pergamentpapier, angefertigt von dem bekannten Kleinmachnower Architekten Friedrich Blume, der im Ort die Eigenherd- und die Weinbergschule baute.

      Aber es ist Sommer fünfundvierzig. Der Krieg ist aus, aber noch nicht zu Ende. Die Russen sind da, die Russen sind irgendwie überall. Sie machen Musik und schnitzen Vögel aus Holz, die sie bunt bemalen. Die Frauen haben Angst, und ich bin noch kein schwieriges Kind. Die Frauen tun sich nachts zusammen, schlafen zu viert im Ehebett, Hedwig, schon sechzehn, versteckt sich im Kinderbett und zieht sich die Decke bis über die Ohren. Immer die Angst, immer das Horchen, der angespannte Schlaf. Einmal schleppen die Frauen Decken und Matratzen auf den Heuboden überm Hühnerstall. Sie warten, bis es dunkel ist, dann tappen sie aus dem Haus, ich an der Hand meiner Mutter, gehen nicht auf dem Weg, sondern leise übers Gras, legen im Stall die Leiter an die Bodenklappe, eine nach der anderen tastet sich im Dunkeln hinauf. Aber es hat uns einer gesehen. Als die Letzte den Fuß auf die Leiter setzt, packt sie von hinten der Russe. Sie will noch hinauf und die Frauen ziehen sie hoch, halten sie fest an den Armen, den Händen, unten packt sie der fremde Soldat. Er reißt sie weg, drückt sie auf den Lehmboden. Jemand macht die Klappe СКАЧАТЬ