Название: Im März färbte sich der Frühling braun
Автор: Manfred Eisner
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783961455188
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»Fahren Sie zufällig heute Abend noch nach Oldenmoor, Frau Kriminalhauptkommissarin?«, fragt KOR Stöver, nachdem sie wieder in Nilis Cross Polo Platz genommen haben.
Nili lächelt ihn an. »Ja, ich setze Sie gern auf dem Weg dorthin in Honigfleth bei Ihrer Schwester ab, wenn Sie das meinten, Herr Kriminaloberrat.«
»Danke, das wäre sehr nett von Ihnen, dann kann mich ja mein Schwager danach wieder nach Hause bringen.« Während sie aus Itzehoe herausfahren, meint Nili: »Also da haben wir jetzt wenigstens die Bestätigung der einen Sportsfreundin erhalten, dass sich die vermeintlich tugendhafte Heide mit einem ›neuen Freund‹ – wer auch immer das gewesen sein mag – eine kleine Auszeit genehmigen wollte.«
»Ja, da haben Sie wohl ganz recht, dass eher besagter DJ Mario anstatt eine nicht existente Marianne als Reisebegleitung infrage kommt. Übrigens, nach Ihrem gestrigen Telefonanruf habe ich unsere diesbezüglichen Unterlagen im Archiv durchsuchen lassen, doch leider wurde Werner Thumanns schwarzes Notizbüchlein nicht aufgefunden.«
»Könnten wir ihn vielleicht danach befragen – wissen Sie überhaupt, was aus Ihrem Vorgänger geworden ist?«
KOR Stöver schüttelt den Kopf. »Leider nicht, ich werde mich aber gleich am Montag darum kümmern. Was ich übrigens zufälligerweise von unserer Kriminaloberkommissarin Dörte Westermann erfahren habe, weil wir nach Ihrem Telefonat über den Fall sprachen, ist, dass ihre jüngste Schwester Doro eine Klassenkameradin von Heide Mertens gewesen ist. Frau Westermann will sie fragen, ob sie uns etwas Nützliches über die Mertens erzählen kann, und dann meldet sie sich bei Ihnen.«
»Danke, Herr Stöver, sehr gut! Je mehr wir erfahren, desto besser! Ich denke auch, dass wir Heides Mutter noch einmal befragen sollten. Die arme Frau tut mir zwar sehr leid, aber wir können ihr das dennoch nicht ersparen. Es ist kaum anzunehmen, dass ihr als Heides Mutter die Liebelei ihrer Tochter ganz verborgen geblieben sein kann. Ich gebe Ihnen jedenfalls rechtzeitig Bescheid für den Fall, dass Sie oder einer Ihrer Kommissare dabei sein möchten. So, wir sind schon da.« Nili hält am schönen, reetgedeckten Haus nahe der historischen Honigflether Schöpfmühle an, um den Kriminaloberrat hinauszulassen. »Schönes Wochenende und wir bleiben im Kontakt«, wünscht sie ihm, hupt noch einmal kurz zum Abschied und fährt dann weiter auf der alten B 5 in Richtung Oldenmoor.
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»Hola, querida Abuelita«, ruft Nili von der Diele aus, während sie sich an der Garderobe ihres Mantels und der pelzgefütterten Stiefeletten entledigt und in ihre Sandaletten steigt. Hocherfreut, auch wieder ihre Mutter zu sehen, die zusammen mit Oma Clarissa aus der Küche auf sie zukommt, um sie zu begrüßen, setzt sie noch ein »Shabat shalom, Ima!« hinzu.3
»Hola, querida Nili. Schön, dass du mal wieder da bist, Liebes! Wir waren gar nicht so sicher, ob du schon heute Abend kommst, aber sicherheitshalber habe ich ein Blech mit Humintas in den Backofen geschoben«, berichtet die Omi.
»Das habe ich bereits beim Hereinkommen bemerkt, Abuelita, die duften ja himmlisch bis auf die Straße hinaus!«
»Gestern brachte mir Oliver zwei Kilo von seinem frischen Kuhmilch-Weißkäse, den sie neuerdings auf dem Holstenhof produzieren und der sehr gut bei der Kundschaft im Hofladen ankommt. Jedenfalls sagt er, dass sich zurzeit dieser von ihm getaufte ›Requesón Andino‹ eher als der Verkauf der Frischmilch an die Meierei rentiert. Sie überlegen ernsthaft, ob sie nicht ein Drittel ihrer siebzig Milchkühe abschaffen und ihre Erzeugnisse lieber nur noch in ihrem Hofladen direkt verkaufen sollen.«
»Ja, Milchbauern durchleben schwere Zeiten«, sagt Nili. »Die Supermärkte drücken derart die Preise, dass viele Bauern aufgeben müssen! Gut, dass Onkel Oliver und Vetter Hans-Peter rechtzeitig mit dem Eigenverkauf ihrer Milch, der Butter und des Käses begonnen haben. Aber woher hast du jetzt im März noch frische Maiskolben, Abuelita?«
»Die kluge Frau baut vor, Nili. Von der letzten Maisernte des Holstenhofes habe ich mir einige Dutzend schöner Kolben eingefroren. Die haben sich prächtig gehalten, du wirst schon sehen!«
»Du, ich hab da ’ne Idee.« Nilis Augen blitzen. »Ich ruf mal schnell meinen Waldi an, der war heute dienstlich in Pinneberg. Vielleicht schafft er es noch, auf dem Rückweg vorbeizukommen!«
Hocherfreut legt sie nach dem Telefonat ihr altertümliches Handy zur Seite – sie kann sich immer noch nicht für ein zeitgemäßes Smartphone entscheiden, weil ihr die ›ewigen Glotzer und Hin- und Herwischer‹, wie sie die Nutzer nennt, ein Dorn im Auge sind. »Hei kümmt!«, verkündet sie strahlend.
»Na, denn is ja dein Wochenende wieder gerettet!« Abuelita schmunzelt.
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Nachdem sie die schmackhaften gebackenen Humintas aus ihren Maisblätterumhüllungen herausgeschält und genüsslich vertilgt haben, gibt es noch einen Martín Fierro zum Nachtisch.
»Ich habe von Olivers Requesón eine Portion zurückbehalten«, erzählt die Omi und stellt einen Teller des in kleinere Scheiben geschnittenen runden Käseklopses auf den Tisch. »Anstatt des traditionell dazugehörenden Bataten-, Quitten- oder Guaven-Zuckerbrots gibt es leider nur einige Löffel meiner letztjährigen dick eingekochten Quittenmarmelade. Ich hoffe, es schmeckt euch trotzdem!«
Waldi bestätigt mit Begeisterung in seiner Stimme: »Und wie, liebe Oma Clarissa, wirklich mal wieder eine gelungene Kombination! Aber wo kommt der seltsame Name her?«
»Eigentlich aus dem Buenos Aires der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts«, berichtet Ima Lissy. »Martín Fierro ist der Name einer epischen Dichtung des Journalisten José Hernández, der dafür den Stil der traditionellen ›Payadas‹ – das sind Stegreif-Reime, mit denen zwei Gauchos im abwechselnden Turnus zur eigenen Gitarre singen und sich damit auf Wettbewerben regelrecht wörtlich bekämpfen – verwendet hat. Allerdings weiß ich nicht, wieso die Nachspeise den Namen dieses berühmten Gauchos trägt.«
»Vielleicht, um seine typisch argentinische Herkunft zu unterstreichen, weil diese Zusammenstellung auch in anderen lateinamerikanischen Ländern sehr beliebt ist«, sinniert Nili. »Wir haben den ›Queso y Dulce‹ auch in Kolumbien gegessen.«
Nachdem Abuelita Clarissa für das gelungene Essen allerseits höchstes Lob bekommen hat, gehen sie gemeinsam ins Wohnzimmer und sitzen alle am gemütlich wärmenden Kaminfeuer. Während des Abendessens hat Nili bereits ausführlich über die beiden wieder aufgewärmten Vermisstenfälle berichtet.
»An das Verschwinden eines jungen Diskjockeys im letzten Jahr kann ich mich erinnern«, bestätigt Abuelita. »Ich habe davon im Courier gelesen, und Oliver erzählte auch noch, dass er sich die Woche vor Ostern bei Wiese eine neue Cordhose gekauft und der junge Verkäufer ihn sehr nett beraten hat.«
»Was kann den beiden nur passiert sein?«, überlegt СКАЧАТЬ