Название: Der junge Häuptling
Автор: Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство: Автор
Жанр: Исторические приключения
isbn: 9783957840080
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»Tschapa, werden wir in diesem Sommer damit beginnen können, ernsthafter über zahme Büffel nachzudenken?«
»Nein, in diesem Sommer sprechen die Waffen, das sehe ich kommen. Aber was soll dann aus uns werden?«
»Auf der Reservation?«, fragte der Indianer. Seine Stimme klang verändert; der Hass durchbrach die Kruste der Beherrschung.
»Auf diesen Reservationen, die uns der Große Vater anweist, könnten wir auch als Farmer nicht selbständig leben. Sie sind zu klein, und es ist zu viel schlechtes Land dabei. Aber wir können auch nicht ewig Büffel jagen. In den letzten beiden Sommern sind die Büffel schon um die Hälfte weniger geworden.«
Der Indianer beantwortete diese Feststellung mit Schweigen.
»Was also dann?«, fragte Kraushaar.
»Wir müssen frei bleiben und etwas lernen. Nur ein freier Mann lernt gut. Ich habe jetzt unter unseren Männern genug Ansehen gewonnen, um für dich und deine Pläne zu sprechen, sobald der große Kampf beendet ist.«
Kraushaar legte seine Hand auf die seines Gefährten. »Gut, du hast das Rechte gesagt. Ich war als Kind ein Sklave. Mein Vater ist mit mir zu euch geflohen. Ich will nicht mit euch zusammen wieder ein Sklave werden.«
»Noch hindert dich niemand, hinzugehen, wohin es dir beliebt.«
»Mein Bruder, das könntest du von dir selbst auch sagen. Du hast zehn Sommer und Winter fern von deinem Stamm gelebt. Du bist vor zwei Sommern zurückgekommen, um den schwersten Teil des Kampfes mit uns zusammen zu kämpfen und das schwere Ende unseres Weges mit uns zusammen zu gehen. Meinst du, ich will fortlaufen und euch vergessen? Selbst wenn ich es wollte, ich könnte es nicht. Ich liebe unsere Zelte, unsere Weiber und Kinder, ich liebe meine Freunde und Kampfgefährten mehr als mein Leben.« Tschapa Kraushaar hatte das alles sehr leise gesagt. Er richtete den Blick auf ein Brett der Stallwand und verbarg den Ausdruck seines weichen und starken Gefühls.
Die Gefährten saßen fast eine Stunde wortlos beisammen.
Als es dämmerte, gingen sie vor das Tor hinaus, denn sie wollten die Nacht außerhalb des Forts in dem Indianerlager verbringen und mit den Männern ihrer Spielmannschaften noch einmal zusammen sein.
Zur selben Stunde saß Henry Henry auf seiner Stube und überprüfte den Inhalt seiner Geldtasche. Der Abend, der vor ihm lag, erschien ihm leer und endlos. Wie sollte er die Zeit verbringen? Er musste feststellen, dass das Geld in seiner Tasche für einen Abschiedsabend nicht mehr reichte, falls er den Willkommensabend auf dem Fort Niobrara mit einkalkulierte. Aber wer zwang ihn zu einer solchen Kalkulation? Heute war heut’! Henry ging hinunter in den Hof, schlenderte umher und lud diesen und jenen ein. Bei der tödlichen Langeweile, die die Offiziere quälte, hatte der Ingenieur sehr bald genügend Zusagen gesammelt.
Das kleine Trinkgelage begann nach dem Abendessen, und es endete erst kurz vor Sonnenaufgang.
Für Henry lohnte es sich nun nicht mehr, sich noch schlafen zu legen. Er packte seine Sachen zusammen. Grau im Gesicht, fröstelnd, verkatert schaute er durch das Fenster seiner Kammer hinaus auf den Hof. Wo der Nigger sich wohl herumtrieb?! Aha, Hufgeklapper! Diesem Kerl, den er sich noch erziehen wollte, hatte also doch das Gewissen geschlagen, und er brachte Henrys Pferd.
Der junge Ingenieur, Kurier und Presseberichterstatter, begab sich hinaus und schwang sich auf. Er ritt in schnellem Trab über den Hof zum Tor, das sich für ihn öffnete. Nordwind fauchte, aber die Sonne schien klar, und blau wölbte sich der Himmel über der hügeligen Prärie. Henry durchritt das Tor. Vom Pfosten löste sich eine lange Gestalt ab, in Baumwollhemd, Samthose und Poncho gekleidet. Das schwarze gescheitelte Haar war in Zöpfe geflochten, das hagere Gesicht bis zur Unkenntlichkeit bemalt.
Mit einer ähnlichen Geste wie Roach wies Henry die beiden Läufer mit der Reitpeitsche an, ihm voranzulaufen. Er setzte sein Pferd in Galopp, und es war ihm in seinem Zustand eine unsinnige, grausame Freude, dass die Läufer schnell wie ein galoppierendes Pferd laufen mussten.
Mühe schien ihnen das jedoch nicht zu machen.
Henry im Sattel war ausgelaugter als die beiden.
Gegen Mittag wechselte die Landschaft. Der Boden wurde sandiger, das Gras kurz. Fort Randall war längst aus dem Gesichtskreis entschwunden. Henry legte eine Rast ein und aß. Die Läufer warteten stumm und nüchtern.
Nachmittags nahmen der Indianer und der Neger ihre Aufgabe ernst. Oft spähten sie von Anhöhen aus in die Runde. Mehr als einmal wählten sie verschlungene Wege durch die Täler der Grassteppe, um mit dem Reiter zusammen unsichtbar zu bleiben. Als die Dämmerung hereinbrach, geleiteten sie ihn zum Ufer des Niobrara und gaben ihm den Rat, hier zu lagern.
Henry war einverstanden. »Mach Feuer!«, befahl er Jack.
Der Mann im Poncho setzte sich dem Weißen gegenüber. »Wir machen kein Feuer.«
»Willst du frech werden? Tonart wie einst der Harry! Aber diese Zeiten sind für euch Indsmen vorbei. Such Holz und mach Feuer. Wofür wirst du bezahlt?«
Der Fluss rauschte leise, der Wind pfiff. Aus einem Erdloch spähte ein hungriger Hamster und verschwand wieder.
Henry klopfte mit dem Knopf seiner Reitpeitsche auf den Boden. »Wird’s bald?!«
»Nein.«
Henry schwankte. Seine aufsteigende Wut stachelte ihn, dem Indianer mit der Peitsche über das Gesicht zu schlagen. Aber er befand sich in der Wildnis, es wurde Nacht, und dieser Indsman bewahrte nicht nur eine unheimliche Ruhe, sondern besaß auch einen Revolver. Henry hätte, so dachte er jetzt, lieber dem Bobby Kraushaar befehlen sollen, Feuer zu machen, doch hatte es ihn gereizt, den hochmütig wirkenden Indianer gehorchen zu sehen, und nun konnte er nicht mehr zurück.
Aber er konnte noch zur Seite ausweichen.
»Du schmutzige Rothaut mit deinem verschmierten Gesicht! Wann hast du dich wohl zum letzten Mal gewaschen? Kratz dir die Farbe von deiner Visage!«
Der Indianer gab keine gereizte Antwort, wie Henry erwartet hatte. Er widersprach überhaupt nicht, sondern holte eine kleine Dose und ein Lederläppchen hervor und begann die Bemalung mit Fett und Lappen sorgfältig abzureiben. Er nahm sich Zeit.
Henry war zufrieden, dass sein zweiter Befehl unverzüglich ausgeführt wurde. Er sah interessiert zu, wie aus der Farbenmaske ein menschliches Gesicht hervorkam. Der Indianer entfernte mit Sorgfalt auch den letzten Farbrest. Der Mond ging auf; sein Licht blinkte auf dem Wasser des Flusses und beschien den Indianer. Von Strapazen und Leiden ausgezehrte und verhärtete Züge wurden sichtbar; sie wirkten verwegen und ganz unzugänglich; durch das Spiel von Mondlicht und Schatten verstärkte sich dieser Eindruck.
Henry starrte auf den Menschen, der seine Maske abgelegt hatte, und erkannte ihn. Der Unterkiefer sank Henry herab, seine Mundwinkel zitterten. Er riss den Revolver aus dem Gürtel. Ehe er abdrücken konnte, sank er um.
Es war kein Schuss gefallen. Der Indianer stand auf und holte den Dolch wieder, mit dem er im Wurf seinen Gegner getötet hatte. Der Griff des spitzen, zweischneidig geschliffenen Messers war in Form eines Vogelkopfes kunstvoll geschnitzt. Der Dakota reinigte das Messer, indem er es in die Erde stieß, und ließ die Klinge in die Scheide gleiten. Henrys Revolver gab er Bob Kraushaar. Dann nahm er Henrys Brieftasche mit dem Schreiben an Major Smith an sich.
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