Harka. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Harka

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

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isbn: 9783957840004

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      Schonka hatte das Weidengebüsch erreicht, ohne Harka zu bemerken. Dieser fasste nach Schonkas linkem Fuß und riss ihn aus dem Halt. Schonka, völlig überrumpelt, klatschte bäuchlings ins Wasser. Ein lautes Gebrüll der Knabenhorde belohnte Harkas Erfolg. Harka selbst sprang mit ein paar Sätzen über Steine und einen alten Baumstamm zur Flussmitte, wo das Wasser in einer tiefen Rinne schnell flutete. Mit einem schrillen Ruf verhöhnte er Schonka, der eben triefend wieder auftauchte und sofort auf den Knaben losrannte. Harka ließ ihn bis auf Armlänge herankommen, dann schoss er wie ein Hecht in die Flussrinne und schwamm unter Wasser abwärts.

      Schonka folgte ihm nicht. Er blieb stehen und beobachtete, wo Harka auftauchen würde; einen Stein nahm er als Wurfwaffe zur Hand.

      Harka spürte, dass er fast zu viel gewagt hatte. Das Wasser war, von der Schneeschmelze gespeist, von beißender Kälte, und dem jungen Schwimmer begannen Hände und Füße abzusterben. Er wollte durchaus unter Wasser bleiben, bis er die nächste Biegung gewann und hinter einem großen Felsblock, von Schonka ungesehen, die Flussrinne verlassen konnte. Er fühlte, wie ihm die Kälte ans Herz ging und die gefährliche verführerische Müdigkeit über ihn kam, die die Energie lähmt und den Übergang zur Ohnmacht angenehm wie das Einschlafen erscheinen lässt. Aber die Vorstellung, wie lächerlich es sei, bei einem Spiel umzukommen, spornte ihn von neuem an, und er schwamm mit aller Anstrengung noch ein Stück, bis er wahrnahm, dass er die Biegung gewonnen hatte. Da fasste er Grund, kroch schnell aus dem Wasser und duckte sich, nass und vor Kälte schnatternd, hinter den Felsblock. Er konnte Schonka sehen, der langsam über Sand und Geröllstreifen flussabwärts ging, den Stein noch in der Hand. Oben am Fluss hatte die Horde der Jungen Hunde alle Spiele abgebrochen, um Schonka und seinen Kampf mit Harka zu beobachten. Einige rannten am Ufer abwärts, sie wollten in der Nähe sein.

      Schonka steuerte direkt auf den Felsblock zu, hinter dem Harka hockte. Vielleicht wollte er von diesem Block Ausschau halten. Harka zog den Kopf ein und schmiegte sich dicht am Boden an den Fels. Er konnte Schonka nicht mehr sehen, umso aufmerksamer lauschte er.

      Es wurde rasch dunkel, schon blinkten die ersten Sterne auf.

      Harka bemerkte, wie der andere sich auf den Block schwang. Das war der Augenblick, auf den er gewartet hatte. Er schnellte hoch, sprang auf den Block, warf sich auf den überraschten Schonka und brachte ihn zu Fall. Beide stürzten von dem Felsblock in den Flusssand. Harka riss dem Gegner die Krähenfeder vom Schopf und jagte mit einem lauten Siegesruf in den Wald. Ein verdoppeltes Triumphgebrüll der Jungen Hunde belohnte diesen endgültigen Sieg ihres Anführers über den älteren Burschen.

      Zwischen den Bäumen begegnete Harka seinem Freund Tschetan, der ihn mit den drei jungen »Rabenbrüdern« zusammen laut lachend und sehr lobend begrüßte.

      Unterdessen hatte sich Schonka erhoben. Mit gespielt verächtlicher Haltung gegenüber der Knabenhorde verließ er den Schauplatz seiner Niederlage. In seinem Innern brannte die Wut, dass er unterlegen war. Über den Grund seines Versagens war er sich selbst nicht ganz klar. Er war stark, auch schnell. Wenn er Harka fassen konnte, hatte der Junge nichts zu lachen. Aber immer wieder überlistete ihn der jüngere. Harka war mit seinen Gedanken rascher als Schonka, und darum konnte er auch rascher und überraschender handeln. Er konnte besser kombinieren. Meist erriet er, was Schonka in einer gegebenen Situation tun würde, aber Schonka konnte nie berechnen, wie Harka sich verhalten werde.

      Langsam ging Schonka um das Zeltdorf herum. Er brütete darüber, wie er sein Ansehen wiederherstellen und Harka einen Denkzettel geben könne. Die Vorstellung, dass man eine Scharte auswetzen müsse, war unter der Jugend des Indianerdorfes selbstverständlich.

      Nach langem Nachdenken kam Schonka zu dem Entschluss, an diesem Abend nichts mehr zu unternehmen. Er wollte warten, es musste sich eine Gelegenheit finden, sein Vorhaben auszuführen. Missmutig ging er in das väterliche Zelt.

      Dort fand er noch alles so vor, wie es gewesen war, als Harka vormittags von den Ereignissen in der Höhle berichtet hatte. Weißer Büffel lag fiebernd auf seinem Lager. Die Mutter kam jetzt aus dem Hintergrund herbei und flüsterte mit dem Sohn. Sie war voll Angst, dass Weißer Büffel sterben werde. Sollte sie noch einmal den Zaubermann um Hilfe bitten, der schon in der vergangenen Nacht nicht hatte helfen können? Oder vielleicht war ein Dampfbad im Schwitzzelt gut? Oder sie würde zu Untschida gehen, der Mutter Mattotaupas, die von allen Frauen im Dorf die heilenden Kräuter am besten kannte und als »Geheimnisfrau« selbst bei den Kriegern in hohem Ansehen stand.

      Schonka wollte nichts von Untschida hören, die zu dem Zelte Mattotaupas und Harkas gehörte, gegen den er heute mehr als je eine Abneigung empfand. Der Zauberer im Nachbarzelt war dem Burschen selbst unheimlich. Aber ein Dampfbad konnte dem kranken Vater guttun. Schonka hatte wie die Mutter Angst davor, dass der Vater sterben würde. Schonka war fünfzehn Jahre alt, er wurde schon auf die Büffeljagd mitgenommen, aber ein Krieger war er noch nicht, und vermochte er die Mutter und sich selbst allein zu ernähren? Das würde schwerhalten. Wenn der Vater starb, musste Schonka mit der Mutter in ein anderes Zelt ziehen und einen anderen Vater haben. Vor alldem graute ihm, und weil er vor dem Leben ohne Vater Angst hatte, hatte er Angst um das Leben des Vaters. Ein Dampfbad würde dem Kranken sicher guttun.

      Er wickelte den Kranken in eine Büffelhautdecke, und die Mutter lief schon voraus zum Schwitzzelt. Sie wollte nachsehen, ob die Heizsteine noch warm waren. Vorsorglich legte sie sie nochmals in die Glut. Als sie heiß genug waren, um Wasser darauf verzischen zu lassen, holte sie mit dem Sohn zusammen den Weißen Büffel. Sie setzten den Kranken in das Schwitzzelt, und die Frau goss Wasser auf die Heizsteine, so dass das ganze Zelt mit Dampf erfüllt wurde. Als Weißer Büffel der Schweiß am ganzen Körper ausbrach, wurde er von Schonka und der Frau zum Fluss gebracht, um im kalten Wasser unterzutauchen. Das war die altgewohnte Art, an Rheumatismus oder Fieber Erkrankte zu behandeln. Weißer Büffel schauerte zusammen, und als Schonka und seine Mutter ihn aus dem Wasser hoben, legte sich sein Körper schlaff auf ihre Arme, und mit einem krampfartigen Erschrecken begriff Schonka, dass sein Vater tot war.

      Der Atem stockte dem Burschen noch, als er den Toten mit der Mutter zusammen wieder zum Zelt brachte. Die Frau suchte mit dem Jungen zusammen starke gegabelte Stöcke hervor und rammte sie vor dem Zelt in die Erde. Den Leichnam schnürte sie fest in eine der Lederdecken ein und hing ihn am Kopf- und Fußende an die Stöcke. Es war Sitte, dass ein Toter die Erde nicht mehr berühren sollte.

      Dann stimmte die Frau die Klagegesänge an, die das ganze Dorf aufhorchen ließen und wach hielten. Mit langgezogenem Jaulen stimmten die Hunde in die Wehklagen der Menschen ein.

      Harka lag mit seinem Bruder Harpstennah zusammen auf Decken im väterlichen Tipi. Harpstennah war eingeschlafen, aber Harka war noch wach, und er hörte, wie die Mutter und die Großmutter miteinander flüsterten. Der Vater war noch nicht ins Zelt gekommen; er weilte zur Beratung bei dem Unterhäuptling Sonnenregen.

      Harka war in den letzten Stunden der vergangenen Nacht auf dem Moospolster an der Quelle eingeschlafen, aber jetzt im Zelt schlief er nicht. Er dachte an das Geheimnis der Höhle, das er nicht erfahren hatte, an die Fußspur, an den Aufbruch am kommenden Morgen, und er hörte Stunde um Stunde den Klagegesang, der vom Zelt des Weißen Büffel herüberdrang. Weißer Büffel war tot.

      Auch Harka war darüber erschrocken. Am kommenden Morgen sollten die Tipis zu neuen Jagdgründen aufbrechen. In den neuen Jagdgründen würde man neue feindliche Nachbarn haben. Die Bärenbande aber besaß nun einen tapferen und besonnenen Krieger weniger. Vor dem Zelt des Weißen Büffel erschallte immer noch der langgezogene Klagegesang. Eintönig und schauerlich klang er, wie abgelauscht dem Heulen der wilden Wölfe.

      Harka horchte auf den Schritt, der sich dem eigenen Tipi näherte. Der Vater kam heim. Als er eingetreten war und sein Lager aufgesucht hatte, kam über Harka eine große entspannende Ruhe. Er hörte noch die Atemzüge des Vaters, dann war er selbst fest СКАЧАТЬ