Besser fix als fertig. Bernd Hufnagl
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Название: Besser fix als fertig

Автор: Bernd Hufnagl

Издательство: Автор

Жанр: Медицина

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isbn: 9783990403204

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СКАЧАТЬ ist: Meidet die Spitzmausmutter regelmäßig, unter Beobachtung aller anderen Spitzmäuse, diese besondere Waldlichtung, nähert sich aber gleichzeitig anderen Waldlichtungen ganz gelassen, so haben alle Beobachter eine Regel „verstanden“. Und ohne genau wissen zu müssen, warum, ahmen zuerst ein paar sehr nahestehende, dann viele und plötzlich alle Herdenmitglieder das Verhalten nach und meiden künftig diese Waldlichtung. „Kommunikation 1.0“ könnten wir diese Form der Informationsweitergabe nennen, bei der nicht der Sender, sondern der innere Zwang zum Empfangen im Vordergrund steht. Seit dieser Zeit können wir nicht anders: Wir beobachten das Verhalten anderer und versuchen, statistisch relevante Verhaltensmuster abzuleiten. Wir versuchen, die für uns komplex und chaotisch erscheinende Welt also durch die Identifizierung von allgemeinen Regeln vorhersehbarer und damit kontrollierbarer zu machen.

      Dieser Sicherheitstrieb zwingt uns demnach, zu beobachten, ob bei anderen auffälliges, noch nicht vorhersagbares (und dadurch verunsicherndes) Verhalten zu bemerken ist. Ist das der Fall, steigt sofort unsere Aufmerksamkeit: Wir beobachten noch genauer und versuchen, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Ab einer gewissen Regelmäßigkeit des Wiederauftretens eines Ereignisses neigen wir nun dazu, an eine fixe Gesetzmäßigkeit zu glauben. Glauben wir, die Regeln erkannt zu haben, passen wir auch unser eigenes Verhalten entsprechend an. Wir kopieren in der Folge die Verhaltensmuster wichtiger Bezugspersonen. Daher ist beispielsweise Jammern so wunderbar ansteckend, weil wir aufgrund der Logik unseres Sicherheitstriebs dazu neigen, mit anderen „mit-zu-glauben“.

      Zusammenhänge müssen dabei zumindest sieben Mal beobachtbar sein, damit wir beginnen, an eine allgemeine Regel zu glauben. „Monte-Carlo-Syndrom“ nennt man dieses Phänomen. Im Casino ist unser inneres Statistik- und Vorhersageprogramm ganz besonders deutlich erkennbar: Wenn wir an einem Roulette-Tisch stehen, an dem sieben Mal hintereinander Schwarz fällt, neigen die meisten von uns zur Überzeugung, dass die Wahrscheinlichkeit für die Farbe Rot beim achten Mal steigen muss. Das ist zwar mathematisch falsch, aber wir glauben daran, weil wir für die Vorhersage von Wahrscheinlichkeiten in kurzen Betrachtungszeiträumen optimiert wurden. Und in diesen Betrachtungszeiträumen ist es extrem unwahrscheinlich, dass sieben Mal und häufiger dieselbe Farbe fällt. Wir erwarten zu fünfzig Prozent eine Farbe, fällt sie mehrfach, steigt bei jedem Mal die gefühlte Wahrscheinlichkeit für die erwartete Gegenfarbe. Unser Gehirn ist eindeutig nicht für den Roulette-Tisch optimiert, egal ob in Monte Carlo oder Las Vegas …

      Meine Hypothese, warum wir bei siebenmaligem Auftreten eines Ereignisses unlogisch zu interpretieren beginnen, ist, dass unsere Wahrnehmung auf natürlich wahrnehmbare Regelmäßigkeiten in einer kurzen Lebensspanne und damit auf die typische Herdengröße hin entwickelt wurde. Zweiteres wird uns später bei der Diskussion zu unserer Ablenkbarkeit und der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne wieder begegnen. So viel kann man aber verraten: Wir sind extrem empfänglich für Ablenkung: Speziell in Büros mit rund sieben Mitarbeitern, da wir in dieser Gruppengröße Gespräche noch getrennt voneinander wahrnehmen (müssen).

      Das bedeutet zusammengefasst, dass unser Gehirn darauf hin optimiert wurde, Ereignisse vorhersagen zu können: Es bildet ständig Hypothesen. Je besser unsere Hypothese mit dem tatsächlich wahrgenommenen Ereignis übereinstimmt, desto sicherer fühlen wir uns. Einerseits sind unsere Hypothesen und Wahrnehmungen davon abhängig, wie wir die Welt gestern erlebt haben, und andererseits davon, wie unsere direkten Mitmenschen das getan haben. Mit ihnen sind wir nämlich emotional verbunden und in unserer eigenen Wahrnehmung von ihnen abhängig.

      Neugierde

      Wenn die zwei „Froschprogramme“ Nahrungs- und Sexualtrieb und die „Spitzmausprogramme“ Bindung und Sicherheit befriedigt sind, dann fühlen wir uns wohl. Wohlfühlen ist biologisch gleichbedeutend mit der Aktivierung des „Energiesparprogramms“, das uns sinnvollerweise nur dann zur Energieinvestition motiviert, wenn es absolut notwendig ist. Es scheint nun aber so zu sein, dass wir von jenen primitiven Säugetieren abstammen, die – auch ohne ersichtlichen äußeren Grund – begonnen haben, Energie zu investieren, um die Welt nach Neuem und Interessantem zu durchforsten. Programm Nummer 3 war geboren: der Neugiertrieb, der in diesem Zusammenhang als innerer Antrieb zum Risiko zu verstehen ist.

      Es ist keineswegs selbstverständlich, dass uns langweilig wird, wenn alle primären Bedürfnisse befriedigt sind. Es hatte aber offensichtlich einen entscheidenden biologischen Vorteil, den einen oder anderen Neugierigen in einer Herde zu haben; einen, an dem man beobachten konnte, welches neue Verhalten sich lohnt und welches man lieber bleiben lässt. Und das ist auch der Sinn der unzähligen selbst produzierten Action-Filmchen auf You Tube: Beim Ansehen erfahren wir, was wir garantiert nie ausprobieren werden. Zumindest gilt das für die meisten von uns. Genetische Diversität in einem Kollektiv hat sich immer ausgezahlt. Und so finden wir auch heute Menschen mit hohem oder niedrigem Blutdruck, mit schnellem oder langsamem Stoffwechsel, mit viel und wenig Muskelmasse; wir finden stressresistente und eher empfindliche und wir finden detailbesessene und fehleranfällige Mitarbeiter.

      Beispielsweise waren jene Vorfahren mit genetisch bedingt erhöhtem Blutdruck wohl jene Exemplare, die bei einem Überraschungsangriff wesentlich schneller in die Gänge gekommen sind, alle anderen warnen konnten und dadurch die Überlebenschancen für alle erhöhten. (Das soll jetzt aber keine Jubelstimmung bei Bluthochdruck-Patienten auslösen, die durch chronischen Bewegungsmangel und Fehlernährung nicht selten selbst zum Problem beitragen: Zum Gesundheitsproblem wird Bluthochdruck erst, seitdem wir so alt werden. Sie haben also zwei Möglichkeiten, um nicht mit den negativen Folgen von Bluthochdruck konfrontiert zu werden: Eine davon ist, auf Bewegung und Ernährung zu achten. Die andere, möglichst nicht alt zu werden. Aber das ist für die meisten wohl keine erstrebenswerte Option).

      Neugierde nun in Abhängigkeit von Bindung und Sicherheit zu verstehen, halte ich für sehr wichtig und schlage folgende Formel für das bessere Verständnis unseres Spitzmausgehirns vor:

      Bindung + Sicherheit = Neugierde

      Das bedeutet logischerweise, dass Neugierde – und damit die innere Bereitschaft zur Energieinvestition – gering sein wird, wenn Bindung und Sicherheit nicht in gewissem Umfang gegeben sind. Es wäre biologisch zu riskant, in Phasen der Unsicherheit neue, unbekannte Verhaltensweisen auszuprobieren. In diesen Phasen verlassen wir uns auf bewährte Verhaltensmuster, von denen wir wissen, dass sie funktionieren. Umgekehrt kann ein Zuviel an Sicherheit langfristig nachteilig sein, da – wie beim Sicherheitstrieb dargestellt – die „Spitzmaus“ nur dann passende Hypothesen bilden kann, wenn sie etwas riskiert und Neues über die Welt lernt. In einer Art Rückkoppelung aktiviert ein Zuviel an Sicherheit den Neugiertrieb: Uns wird langweilig und wir beginnen, etwas Neues zu suchen und auszuprobieren. Wir riskieren etwas und verunsichern uns dabei selbst, was ab einem gewissen Grad wiederum zur Hemmung der Neugierde führt.

      Wendet man diese Logik in der Berufswelt an, ahnt man, warum Führungskräfte gut beraten sind, in Bindung und Sicherheit zu investieren, wenn Innovation und Anpassungsbereitschaft gefordert sind. Sie sollten auch verstehen, dass sie nicht dem Reflex nachgeben sollten, ausschließlich rational zu erklären, was zu tun ist. Der Mitarbeiterreflex, zu sagen: „Ich mach’ es so wie in den letzten fünfzehn Jahren, weil das besser ist“, resultiert also meist nicht aus fehlenden Erklärungen und Begründungen der Führungskräfte, sondern folgt auf einen Verlust an Sicherheit und Bindung. Kreativität kann sich unter Druck nicht entwickeln. Mehr dazu finden Sie in Kapitel 5 („Hirngerechte Mitarbeiterführung“).

      Für unsere Lerninstitutionen, ob für Kinder oder Erwachsene, gilt übrigens dasselbe: Begeisterung zum Mitdenken und Ausprobieren entwickelt sich nur, wenn auch die Beziehung zum Coach oder Lehrer stimmt. Kommt zu einer gestörten Beziehung dann auch noch ein fehlendes Problembewusstsein des Schülers dazu („Wozu brauche ich das?“), ist der Mix „perfekt“: Gelerntes wird in einem Hirnbereich abgespeichert, der bei der Lösung neuer Probleme gar nicht aktiviert wird. Das bedeutet, dass diese Information nicht zum aktiven Lösen neuer Probleme verwendet werden kann. Es wurde einfach nur kontextabhängig СКАЧАТЬ