Название: Schaurige Geschichten aus Berlin
Автор: Jan Eik
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783955521820
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Gut hundert Jahre lang blieb es still um die Weiße Frau, obwohl sie angeblich 1786, vor dem Tod des Alten Fritz, und elf Jahre später, vor dem seines Neffen Friedrich Wilhelm II., aufgetaucht sein soll. In der Franzosenzeit unternahm das patriotische Gespenst angeblich eine Tournee nach Bayreuth, wo es beinahe Napoleon erschreckt hätte. Vielleicht schon auf dem Weg dorthin erschien die Weiße Frau im Schloss von Rudolstadt dem Prinzen Louis Ferdinand am Vorabend der Schlacht von Saalfeld im Oktober 1806, in der er prompt den Tod fand.
In Berlin erinnerte man sich erst 1840, als Friedrich Wilhelm III. in seinem 43. Regierungsjahr erkrankte, des treuen Schlossgeistes und der traurigen Bedeutung des Jahres ’40 in der Geschichte der Hohenzollern: 1440, 1640 und 1740 waren die jeweils regierenden Herrscher gestorben. Nun erwischte es also Friedrich Wilhelm III., den farblos-nüchternen »zweiten Soldatenkönig«, einen mittelmäßigen, eher bürgerlichen Menschen. »Unser Dämel sitzt in Memel«, hatten die Berliner 1806 nach der Flucht des Königspaars vor Napoleon gelästert. Er wurde an der Seite der hochverehrten Königin Luise (gestorben 1819; auch nach ihr heißt ein Stadtteil in Mitte und Kreuzberg) beigesetzt. Dabei war er seit 1824 in morganatischer Ehe mit der katholischen Gräfin Auguste von Harrach verheiratet.
Von der Weißen Frau war nur noch in der Überlieferung die Rede. Bald sank auch das Schloss in Trümmer, und ein Leipziger Tischlergeselle erteilte den Befehl zum endgültigen Abriss. Ob Walter Ulbricht außer seiner Lotte ein weiteres Gespenst begegnet ist, wenn er auf der Tribüne am Spreeufer die Grüße der jubelnden Massen entgegennahm, ist nicht überliefert. In dem bei Tag und Nacht hell erleuchteten Lampenpalast war es wohl endgültig vorbei mit den guten wie den bösen Geistern, spätestens die Asbestsanierung haben sie nicht überlebt.
Die Keller auf dem Schlossplatz wurden ausgegraben, doch man fand weder die vermissten Sarkophage der ersten Hohenzollern noch eine Spur der Weißen Frau. Selbst in den noch vorhandenen Tropfsteingewölben unter dem einstigen Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Spreekanal mag es unheimlich sein – Hohenzollern-Gespenster gehen dort nicht um. Und welcher Geist hinter der Schlossfassaden-Kopie im Humboldtforum herrschen wird, muss sich erst erweisen.
Aufruhr, Brände und andere
Katastrophen
Der Berliner Unwillen
Die Quellenlage über die ersten Jahrhunderte Berliner Geschichte ist schlecht; nicht einmal ihre Gründungsurkunde haben die alten Berliner gerettet. Schuld daran waren vor allem die immer wieder auftretenden Brände im ausgehenden Mittelalter, die selbst die steinernen Kirchen nicht verschonten.
Im Jahre 1376 brannte ein großer Teil von Berlin nebst einem Teil des Rathauses sowie der Nikolai- und der Marienkirche ab. Auch bei dem verheerenden Feuer am 10. August 1380 meinte man, den Brandstifter zu kennen: den Ritter Erich Valke von der Lietzenitz auf Saarmund.
Es war der schwerste Brand in der Stadtgeschichte, und als man Valke zehn Jahre später endlich fing, tötete man ihn sofort. Damit nicht genug, man machte dem Toten formal den Prozess. Sein abgeschlagenes Haupt wurde auf dem Oderberger Tor in der heutigen Rathausstraße ausgestellt.
Zur Zeit der ersten Hohenzollern verschärfte sich der Widerspruch zwischen den die Städte beherrschenden Patriziern, dem »borgermeister und seinen ratmannen«, und den Handwerken, die endlich an der städtischen Selbstverwaltung beteiligt sein wollten. Die Situation gipfelte schließlich im sogenannten Berliner Unwillen von 1447/48.
1442 baten die Handwerker »ihren« Kurfürsten Friedrich Eisenzahn um Hilfe, was dem gerade recht kam. Er wollte die Privilegien der Städte Berlin und Cölln ohnehin beschneiden, löste kurzerhand die Verwaltung auf und ließ sich die Schlüssel der Stadttore aushändigen. Dann setzte er einen neuen Rat ein, in dem die Handwerker wesentlich vertreten waren. Dafür schränkte er die Rechte der Städte ein und forderte einen Bauplatz für die kurfürstliche Burg, zu der er am 31. Juli 1443 an der nördlichen Stadtbefestigung von Cölln den Grundstein legte. Doch während Friedrich in Pommern Krieg führte und ihn verlor, vereinigten sich Berlin und Cölln, zum Widerstand entschlossen. 1447/48 kam es zum bewaffneten Aufstand gegen den Kurfürsten. Die Bürger öffneten im Februar 1448 die Wehre des Mühlendamms und überschwemmten das kurfürstliche Baugelände. Sie entwaffneten Friedrichs Söldner, vertrieben seine Zöllner und Mühlenmeister und plünderten die kurfürstliche Kanzlei im Hohen Haus an der Klosterstraße.
Friedrich Eisenzahn machte seinem Namen alle Ehre. Er zog mit einer fränkischen Streitmacht heran, und 600 Mann zu Pferde besetzten die Stadt. Sodann erhob er Klage gegen die aufrührerischen Städter, insbesondere gegen einzelne Bürger aus der Oberschicht. Es hagelte Verbannungsurteile, Enteignungen und Geldbußen. Aus den freien Stadtbürgern waren unversehens kurfürstliche Untertanen geworden. Zum Zeichen dafür erhielt der Bär im Stadtsiegel, über dem nun der Adler hockte, ein Halsband. Drei Jahre später bezog der siegreiche Kurfürst 1451 seine Residenz zu Cölln.
Ereignisse dieser Art verzeichnet die Berliner Stadtchronik nicht eben häufig. Meist heißt es nur lapidar: »Anno 1484 ist das Rathaus zu Berlin zum andern mahl abgebrannd …«
Der Calvinistentumult in Cölln
Ein gewichtiges Ereignis ist zu Beginn des 17. Jahrhunderts verzeichnet. Im Jahre 1615 brachte der Calvinistentumult ganz Cölln in Aufruhr. Zu Weihnachten 1613 war der Kurfürst Johann Sigismund, der seit 1608 residierte, zum reformierten calvinistischen Glauben übergetreten, während seine Frau Anna von Preußen und Jülich-Cleve-Berg (1576–1625) und ein Teil der Geistlichkeit am Luthertum festhielten, das seit 1525 in Preußen und seit 1539 auch in Brandenburg Staatsreligion war. Die herrschsüchtige Anna war die älteste Tochter des schwachsinnigen Hohenzollern-Herzogs Albrecht Friedrich, der dem von seinem Vater Albrecht I. begründeten Herzogtum fünfzig Jahre lang (1568–1618) vorstand und selbst in offiziellen Dokumenten »unser gnädiger blöder Herr« heißt.
Die Berliner waren offensichtlich nicht so leicht von ihrem neugewonnenen lutherischen Glauben abzubringen. Im März und April 1615 kam es in ganz Cölln zwischen dem Schloss und der Petrikirche zur gewaltsamen Konfrontation zwischen den Lutheranern und den Calvinisten. Der Diakon Stüler hielt eine anticalvinistische und damit gegen den Landesherrn gerichtete Predigt und floh anschließend vorsichtshalber. Am traditionellen blauen Montag, auf dessen Einhaltung die Berliner Handwerksgesellen hartnäckig bestanden, versammelten sie sich zusammen mit etlichen Landsknechten vor der Petrikirche und zogen am Abend bewaffnet in die Brüderstraße. Die ersten Schüsse fielen, und die Glocken läuteten Sturm. Vor dem Schloss wurde der Statthalter des Kurfürsten, der Markgraf von Brandenburg-Jägerndorf, als Hurensohn beschimpft und bei Handgreiflichkeiten verletzt.
Am nächsten Tag waren die Rädelsführer geflohen. Nach langen Verhandlungen akzeptierten die Parteien das vom Leipziger Schöppenstuhl abgesegnete Urteil, das einen Kompromiss darstellte. Den Cöllnern und Berlinern blieb die Religionsfreiheit erhalten.
Der zersprungene Pulverturm
Einen breiten Raum nimmt in Jakob Schmidts Sammlungen Berlinischer Merck- und Denckwürdigkeiten der zersprungene Pulverturm ein, eine Katastrophe von beachtlichen Ausmaßen. Berlin war zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Garnisonstadt mit über 4000 Mann Militär. Obwohl nach dem Dreißigjährigen Krieg ausgedehnte Stadtbefestigungen um Berlin, Cölln und den Friedrichswerder herum errichtet worden waren, deren Spuren sich noch heute im Berliner Stadtbild finden, standen noch immer Teile der ältesten Befestigungsanlagen von Cölln und Berlin. So wurden die beiden Türme der nördlichen Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert in der Burgstraße an der Spree und am Spandauer Tor als Pulvertürme genutzt.
Im Sommer 1720 sollte nun der Pulverturm beim alten СКАЧАТЬ