Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk. Tino Hemmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk - Tino Hemmann страница 4

Название: Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk

Автор: Tino Hemmann

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783954888559

isbn:

СКАЧАТЬ und Wissen für seinen Einsatz in einer SEK-Einheit, wo er im Allgemeinen nur zu präventiven Maßnahmen wie dem Schutz hoher Persönlichkeiten bei öffentlichen Auftritten eingesetzt wurde. Er arbeitete aber auch eng mit den Leuten der Leipziger Kripo zusammen, verdiente gutes Geld und wohnte unweit einer Stadt, von der ihn nur wenige im Sozialismus entstandene Stadtteile an Magnitogorsk erinnerten, in einem netten Häuschen in dörflicher Idylle im Freistaat Sachsen.

      Galina würde er niemals vergessen können. Praktisch jede Nacht brach die tiefe, schmerzende Wunde der Erinnerung in ihm auf. Denn sah Sorokin seinen Sohn, dann sah er auch sein Mädchen, Fedor wurde seiner Mutter unübersehbar ähnlich. Die fast schwarzen, strahlenden, wenngleich nutzlosen Kulleraugen, die Grübchen neben dem Kinn, die dunklen, dichten Haare und vor allem die Mundpartie mit den prallen herzförmigen Lippen – all das war Galina. Oft kniete Sorokin am Bett des schlafenden Sohnes, beobachtete ihn lange und heulte plötzlich los. Irgendwann schlich er zum Kühlschrank, nahm eine Flasche Wodka, trank, bis sie leer war, und fiel – egal wo er sich gerade aufhielt – ins Koma.

      Sorokin bereute es nicht, die Heimat verlassen zu haben. Nirgends in der Welt hätte man seinem Sohn mehr Aufmerksamkeit und Förderung geboten, außer eben in diesem Land, in dem zweifellos auch nicht alles Gold war, was glänzte. Doch ging man hier auf den blinden Jungen ein, hier entwickelte er sich, als gäbe es seine Blindheit nicht.

      Fedor bewegte sich mit Hilfe der Echoortung fast ungehindert auch in völlig unbekannten Gegenden. Durch das ständige Schnalzen mit der Zunge erkannte er fast alle Hindernisse. Er benutzte zudem einen hochmodernen Blindenstock, verließ sich auf Ohren und Nase, arbeitete und spielte am Rechner ebenso wie andere, sehende Kinder, besaß auf seiner Seite im sozialen Netzwerk Tausende Freunde, lernte fleißig oder weniger fleißig und beschäftigte sich oft mit seinem Handy.

      Doch die größte innere Freude stieg in Sorokin stets dann auf, wenn er seinen Sohn herzlich lachen hörte.

      *

      »Es wird keine weiteren Aufführungen geben«, flüsterte Fedor voller Leid.

      Im steilen Winkel blickte Sorokin hinauf zur roten Ampel. Sein rechter Fuß berührte sanft das Gaspedal. »Das ist schade, aber nicht zu ändern. – Hast du Kontakt zu Laura?«

      »Nein«, raunte Fedor und errötete. »Und außerdem habe ich ihr Gesicht schon berührt.«

      Sorokin lächelte zwar, sagte jedoch nichts. Dumme Frage.

      Fast gleichzeitig ertönten zwei Klingelmelodien. Sowohl Fedors Handy als auch Sorokins Freisprechanlage meldeten eingehende Anrufe.

      »Ist sie das?«, fragte der Fahrer und startete, denn die Ampellampen sprangen auf Grün.

      »Nur eine SMS.«

      »Dafür, dass ihr keinen Kontakt habt, hat sie dir verdammt schnell geschrieben.« Wieder lächelte Sorokin. Dann berührte er einen Knopf und sagte laut: »Privet!«, während Fedor die Nachricht auf dem eigenen Handy von einer monotonen Frauenstimme vorlesen ließ und dabei lauschte.

      Eine raue, alte Stimme erklang aus den Bordlautsprechern. »Hallo Ameise, hier ist der alte Schnüffler.«

      »Ameise« war das geläufige Pseudonym für Anatolij Sorokin in Kreisen des SEK, was sich bis zur Kripo herumgesprochen hatte. Der Anrufer war kein Geringerer als Hans Rattner, ein ewig stoppliger, alter, erfahrener Hauptkommissar, der nach jedem Mord in der Stadt zugegen war, denn er leitete seit Jahren die Mordkommission. Sorokin war übrigens die seltene Ausnahme, die bei der Aussprache des Namens »Rattner« das »e« betonte.

      »Kommissar Rattner. Was gibt es?«, fragte Sorokin erstaunt. »Um diese Uhrzeit habe ich keinen Anruf mehr erwartet.«

      »Ich brauche Ihre Hilfe. Tut mir leid, wenn ich störe. Es ist dringend.«

      »Kein Problem. Nur ... der Kleine ist dabei.«

      »Ich bin kein Problem, Papa«, flüsterte Fedor dazwischen.

      »Südallee 17. Lass den Jungen im Wagen. Er muss das hier nicht sehen.« Rattner erkannte sofort die Dummheit in seinem eben geäußerten Satz. »‘tschuldigung. Mit ›nicht sehen‹ meine ich selbstverständlich ›nicht mitkriegen‹.«

      Der rechte Zeigefinger Sorokins wollte bereits die Adresse ins Navi eingeben, doch dann zögerte er und ließ es bleiben.

      »Sagten Sie wirklich Südallee 17? In sechs Minuten bin ich da«, sprach er und brach die Verbindung ab.

      *

      »Ich beeile mich. Okay?« Sorokin fuhr dem Jungen über das Haupt. »Alles klar bei dir?«

      »Geht schon.«

      »›Geht schon‹ heißt, dass du mich etwas fragen willst.«

      »Ihre Eltern haben Laura erlaubt, mich einzuladen. Morgen, am Samstag, zum Kaffee.«

      Einen Moment lang zögerte Sorokin. Dann sagte er: »Klar doch. Ich bring dich hin. Okay?«

      Fedor atmete erleichtert auf. »Beeil dich bitte, Papa. Ich bin müde.«

      »Versprochen.« Sorokin stieg aus dem Wagen, der zwischen zwei Polizeifahrzeugen parkte, deren schrecklich blendende Rundumleuchten nach amerikanischer Manier die erweiterte Umgebung in blaues Licht tauchten. Er sah sich flüchtig um und lief zum Portal der wie ein Fußballstadion beleuchteten Gründerzeit-Villa im Stadtteil Leutzsch. Am Eingang nickte ihm ein Polizist zu, ohne ein Wort zu verlieren. Das Untergeschoss hatte die Spurensicherung bereits für sich gepachtet und ganz oben, auf einer breiten Treppe, stand Rattner, wie gewohnt mit altem 20er-Jahre-Mantel und rundem Chicago-Hut bekleidet, und hob grüßend die rechte Hand.

      Mit zwei Stufen pro Schritt eilte Sorokin hinauf.

      »Und, wie hat er sich geschlagen?«, fragte Rattners tiefe, alte Stimme, nicht so, als wenn es ihn nicht interessieren würde. Rattner kannte Fedor seit Jahren und nahm an dessen Entwicklung einen regen und gut gemeinten Anteil.

      »Es hätte nicht besser laufen können. Bombastisch. Die meisten Leute im Publikum haben wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass der Junge blind ist.« Sorokin schaute sich um. »Es gibt allerdings ein neues Problem.«

      Rattner schob einen Beamten zur Seite und zeigte auf eine offen stehende Zimmertür. »Ist es ernst?«

      »Ich glaube, ja. Mein kleiner Fedor ist zum ersten Mal richtig verliebt. Zum allerersten Mal in seinem Leben. – Was ist hier passiert?«

      Sie betraten den Raum, Rattner antwortete nicht auf Sorokins Frage. Vier in sterilen Anzügen steckende, auf dem Boden kniende Mitarbeiter der Spurensicherung schauten gleichzeitig auf.

      »Und, wie ist die Schwiegertochter so?«, fragte Rattner.

      »Süß. Nur ...«

      Einer der Männer von der Spurensicherung zog die weiße Abdeckung von einem der beiden menschlichen Körper, die vor einem Kamin lagen. Auf Boden, Kaminsteinen und der angrenzenden Wand waren Blut und Gewebefetzen zu sehen, als hätte hier ein Massaker stattgefunden.

      »Nur?«, raunte Rattner.

      »Sie kann sehen.« Sorokin ging wortlos in die Knie. Auf dem Boden lag der Körper eines toten Kindes. Ein schmächtiger Junge, etwa zehn Jahre. Sein Kopf ruhte seitlich in einer СКАЧАТЬ