Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk. Tino Hemmann
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Название: Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk

Автор: Tino Hemmann

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783954888559

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СКАЧАТЬ Mutter. Dann verließen die beiden Damen die Bildfläche. Das Lächeln verschwand aus Sorokins Gesicht.

      Russen. Ja! Russen aus Magnitogorsk. »Magnitogorsk? Davon habe ich ja noch nie gehört.« Redeten Amerikaner von bleihaltiger Luft, dann lächelte Sorokin bedauernd. Ausschließlich in Magnitogorsk war die Luft tatsächlich bleihaltig. Nicht nur mit Blei, auch mit Schwefeldioxid und vielen Schwermetallen war sie geschwängert, ebenso das Wasser. Die meisten Kinder wurden krank geboren. Doch in Moskau stießen die Hinweise der verantwortungsbewussten Leute auf ein höchst überschaubares Interesse. Solange die riesigen Magnitogorsker Werke Stahl, Erze und Metalle im geplanten Umfang lieferten, waren Umweltprobleme für die Regierung ohne ernstzunehmende Bedeutung. Die Stadt am Ufer des Ural war mit inzwischen über vierhunderttausend Bewohnern fast genauso groß wie die mitteldeutsche Stadt Leipzig, in deren Nähe Sorokin seit zwölf Jahren mit seinem Söhnchen Fedor lebte. Eben dieses, sein Söhnchen, das bei der Umsiedlung gerade mal ein winziges Häufchen Mensch gewesen war, wurde heute von einer äußerst attraktiven dreizehnjährigen Blondine aufs Ärgste umgarnt! Und das, ohne dass sie den Vater des Söhnchens um Erlaubnis gebeten hätte.

      »Alles okay?«, fragte Sorokin und legte eine Hand um die Schultern des Jungen, um ihn zum Auto zu führen.

      Fedor nickte.

      »Und?«

      »Was und?«

      »Findest du sie nett?«

      »Wen?«

      »Wen schon? Diese Laura natürlich.«

      »Papa!« Fedor kniff dem Vater in den linken Oberschenkel. »Laura ist ein Mädchen!«

      »Gerade deshalb frage ich dich. Sie ist ein wunderschönes Mädchen. Und du bist ein halbwegs nett anzuschauender Junge. Ich glaube, dass ihr ganz gut harmonieren würdet.«

      Fedors Gesicht machte einen äußerst ernsten Eindruck. Und es schwieg.

      Sorokin hielt den Jungen fest, denn sie waren am Fahrzeug angekommen. Er öffnete den grauen Sportwagen, dann die Seitentür und schob den Jungen auf den Beifahrersitz.

      »Sag mir ein Mädchen, das einen blinden Jungen will«, flüsterte Fedor, als er saß.

      Rasch warf Sorokin die Tür zu, lief um den BMW Z4 herum und stieg auf der Fahrerseite ein. Für den Sportsitz wirkte Sorokins Figur zu voluminös. Die Kniescheiben berührten fast das Lenkrad. Während er Fedor anschnallte, sah er Tränen, die über dessen Wangen rollten. Er startete den Wagen, fuhr sanft an und schwieg. Was hätte er zu diesem leidigen Thema auch sagen sollen?

      »Ist sie wirklich so schön?«, flüsterte Fedor.

      »Wenn sie bloß nicht so jung wäre. Leider ist sie viel zu jung für mich.«

      Fedor lachte übertrieben heftig. »Kannst du dir das vorstellen, Papa? Sie hat mich ständig geküsst. Bei allen Proben. Manchmal wollte sie die Szene zwanzig Mal hintereinander wiederholen«, flüsterte er. Und nach einer Weile: »Schade nur, dass ich sie niemals sehen werde.«

      Sorokin atmete tief durch. »Wenn du alt genug bist, wirst du sie sehen. Mit deinen Fingern. Du wirst ihr Gesicht berühren. Und alles andere auch.«

      »Papa!«

      »Was ist? Das macht man, wenn man sich liebt. Egal ob blind oder nicht. Und außerdem: Die Deutschen behaupten, Liebe würde blind machen. In dieser Beziehung hast du einen großen Vorteil. Du bist es dann längst gewohnt, blind zu sein.«

      Der Junge schwieg und achtete auf die Bewegungen des Fahrzeuges.

      »Ich bin stolz auf dich, Fedor. Und Mama wäre es ganz sicher auch.«

      »Ich wünschte, Mama hätte das heute erleben können.«

      »Ja.« Sorokin nickte, was der Junge nicht sehen konnte. »Das wünschte ich auch, mein Schatz. Aber leider ...« Das zweite leidige Thema.

      Sekundenlang fuhr er unkonzentriert.

      *

      Sorokin sah ein Erinnerungsbild der gigantischen Plattenbaustadt Magnitogorsk, jener Stadt am magnetischen Berg im Ural. Erst Ende der zwanziger Jahre gegründet, wurde die Arbeiterstadt schon bald das Monument der sowjetischen Wirtschaftsmacht, entwickelte sich zum Standort der wohl weltweit größten Eisen- und Stahlproduktion, Grundstock russischer Militärkraft im Zweiten Weltkrieg, heute brachialer Profitlieferant der Stahlgiganten Russlands.

      Wen bitte interessierte das Schicksal des unbedeutenden Kindes Fedor, das bereits blind geboren worden war, blind deshalb, weil die bleihaltige Luft das Erbgut der Eltern zerstört hatte? Ein Schicksal, das den Polizisten Anatolij Sorokin, Angehöriger der Polizei-Spezialeinheit OMON, die in Magnitogorsk für die Sicherheit der Großanlagen und eines Nuklearrestlagers zuständig war, und dessen Frau erwachen ließ. Fortan nahm Sorokin Kontakt mit Green Cross und kurz darauf mit einem Institut in New York auf, um die Gesellschaften für die ohnehin bekannten Umweltprobleme in Magnitogorsk aktiv zu sensibilisieren.

      Zwei Tage vor Galina Sorokinas Einladungsreise zu einem Kongress in die Schweiz kam die fünfundzwanzigjährige Frau auf mysteriöse Weise ums Leben. Sie war eine einfache junge Mutter, die bis dahin in der Datenauswertungsstation einer halbstaatlichen Firma beschäftigt gewesen war, in der im Anschluss an Testbohrungen für den Erzabbau im Ural die Bohrkerne untersucht, ausgewertet und neue Bohrungen geplant wurden. Die Firmenleitung der Russisch Montanindustriellen Gesellschaft Magnitogorsk – im Russischen Russkoye Gorno-Promyshlennaya Kompaniya (RGPK) genannt – ließ den Vorfall zwar untersuchen, doch Galinas Tod wurde von der Magnitogorsker Kriminalpolizei sehr schnell als Unfall abgetan. Galina Andrejewna Sorokina quetschte ein Container zu Tode, ausgerechnet in einer Abteilung, in der sie sich normalerweise nie aufhielt.

      Ihr Mann, der plötzlich mit seinem blinden, drei Monate alten Sohn allein war, bildete sich ein, die in Magnitogorsk ansässigen Stahlfirmen hätten seine geliebte Frau Galina umbringen lassen, weil sie Sanktionen der Umweltbehörden befürchteten. Er wandte sich an Alexander Komsomolzev vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB, der einst einer von Sorokins liebsten Schulfreunden in Magnitogorsk gewesen war und nun meist in Moskau arbeitete. Sascha – Komsomolzevs Rufname – versprach, sich der Sache anzunehmen.

      Nur wenige Tage später erhielt Sorokin überraschend ein offizielles Schreiben der Vormundschaftsbehörde, in dem geschrieben stand, dass er seinen Sohn unverzüglich in staatliche Vormundschaft abzugeben habe. Das hätte für Fedor die grauenvollste Form einer Zukunft bedeutet, denn die Heime, wo auch immer sie in der russischen Föderation angesiedelt waren, in denen blinde Kinder aufbewahrt wurden, zählten zu den unerträglichsten in der Welt. Hinzu kamen überbezahlte Adoptionen zum Teil aus dem Ausland, so dass Kinder auf Nimmerwiedersehen verschwanden. All dessen war sich der junge Vater durchaus bewusst.

      Hals über Kopf flüchtete Sorokin mit seinem kleinen Fedor zunächst in die Ukraine, von dort aus in die Schweiz, wo man den jungen Vater und sein blindes Kind jedoch nicht behalten wollte. Die Deutsche Botschaft versprach Hilfe, doch auch hier griffen die Gesetze zur Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Erst als die Behörden von Sorokins OMON-Zugehörigkeit in Russland und dessen guter und auch deutschsprachiger Ausbildung erfuhren, ebnete sich ganz plötzlich ein Weg durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, auf dem Sorokin die Asylanträge nicht ausfüllen, sondern nur noch unterschreiben musste. Blitzartig fand er sich in einem Büro des Bundesnachrichtendienstes wieder, eine nette Dame – perfekt auch in Russisch – sprach mit ihm die Möglichkeiten СКАЧАТЬ