Bube, Dame, König. Fabian Vogt
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Название: Bube, Dame, König

Автор: Fabian Vogt

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783865064486

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СКАЧАТЬ Baron war blass geworden und hielt sich mit letzter Kraft an dem rauen Baumstamm fest. Er zog voller Ekel das Kreuz aus seiner Weste und warf es mit einem gequälten Laut auf den mit Steinen abgegrenzten Weg, wo es in mehrere Stücke zerbrach. Zart glänzten die Teile zwischen den Kieseln, als sprächen sie einen leisen Vorwurf aus. Sein Kommilitone schaute erst zu Theodor hoch, dann erhob er sich und sammelte die Stücke auf: »Was soll das denn? Warum hast du das gemacht?«

      Der Baron lachte höhnisch auf: »Was meinst du, was Mariana denkt, wenn ich damit ankomme? Dieser Hundsfott schenkt ihr einen Diamanten und ich, ich bringe ihr eine banale Holzschnitzerei mit, ein bisschen Gekratze mit dem Messer. Meinst du, ich habe Lust, mich zum Gespött der Leute zu machen?« Er imitierte die hohe Stimme des Grafen:

      »›O Theodor, was für ein großzügiges Geschenk, ein Stück Holz! Komm, wir legen es mal neben den Dia manten.‹ Ich könnte kotzen.«

      Der Freund fügte die Bruchstücke in seiner Hand zusammen: »Das Kreuz ist einfach wunderschön. Theodor, du bist ein Narr.«

      »Genau, ein Narr, der geglaubt hat, Mariana könne sich in den Spross eines enterbten Barons verlieben. Du hast Recht: So ist nun mal das Leben.«

      Hilflos hielt Ludwig dem Verbitterten das Kreuz hin:

      »Theodor, komm! Na los! Sie hat schon mehrfach nach dir gefragt.«

      Der Baron legte demonstrativ die Arme übereinander und sagte mit einem Kratzen in der Stimme: »Gib mir bitte mein Buch, ich werde nicht gehen.«

      Ludwig ließ die Überreste des Kreuzes in seine Hosentasche gleiten, hob eilig den Plutarch auf und trat damit ans Flussufer. Mit ausgestreckter Hand hielt er den Band über das Wasser:

      »So! Du kommst jetzt runter und gehst mit mir zum Fest. Oder ich lasse deinen Lieblingsautor ins Wasser gehen.«

      »Das wagst du nicht!«

      Der Freund drehte sich einmal um sich selbst: »Hör mal zu, Theodor. Deine Mutter versucht alles, um dir diese Ausbildung zu ermöglichen. Ich weiß: In Münster ist der Herr Baron für seine rhetorische Begabung und seine Übersetzungen ausgezeichnet wor den – aber hier in Köln musst du die Spielregeln erst noch lernen. Und die lauten: Wenn ein Professor zum Namenstag seines Töchterleins ein Gartenfest ausrichtet, dann erscheinen die Studenten. Ist das klar?«

      »Ich habe dir gesagt: Ich mache mich nicht lächerlich.«

      Ludwig blätterte belustigt in dem Buch: »Mit welchem Helden soll ich anfangen? Welcher große Mann ist dir am wichtigsten? Wer soll zuerst in unserem herrlichen deutschen Rhein baden gehen? Wie wäre es mit Demosthenes?«

      Er riss genüsslich eine Seite aus dem Buch und ließ sie in den Fluss fallen, wo sie, sich langsam im Kreise drehend, nach Norden gezogen wurde. Theodor schrie zornig auf, kletterte von seinem Ast und rannte hinter Ludwig her, der bereits lachend die Flucht ergriffen hatte.

      Als die beiden jungen Männer um Atem ringend die lang gezogene Hecke des Gartens erreichten, war Theodors Wut verflogen. Neugierig sah er sich um. Die Festgesellschaft hatte sich schon im Garten verteilt. Die Älteren saßen unter den Bäumen an einem Tisch, der unter dem Aufgebot an Speisen fast zusammenzubrechen drohte, und die Jüngeren tollten auf der blumenbedeckten Wiese umher. Einige Dienstboten entzündeten gerade klobige Fackeln, die rundherum im Boden steckten.

      Als Ludwig und Theodor näher kamen, hielt Eva, die jüngere Tochter des Professors, kichernd den Finger vor den Mund und hieß die beiden Neuankömmlinge, stille zu sein. In der Mitte der freien Fläche stand Mariana mit verbundenen Augen und versuchte, einen der Mitspieler zu erhaschen. Sie trug ein schlichtes Gewand mit Pagodenärmeln, das hinten wallend den Po bedeckte. Darunter konnte man wegen ihrer vielen Bewegungen die beiden am Mie der befestigten Röcke fliegen sehen. Der Saum des Manteaus aber hatte das gleiche Muster wie die Haube, unter der das dichte dunkelbraune Haar hervorschaute. Eva nahm Theodor an der Hand, und ehe er sich sträuben konnte, hatte sie ihn so in die Nähe Marianas geschoben, dass diese ihn mit ihren suchenden Händen ergreifen konnte. Siegessicher rief die junge Frau: »Ah. Ich habe jemanden. Nun, wer seid Ihr? Ich werde es gleich herausfinden.«

      Theodor spürte, dass er über und über rot wurde, als ihre kleinen Hände geschickt sein Gesicht abtasteten und er sich der Blicke bewusst wurde, die ihn von allen Seiten musterten. Ihren eigenen Vater nachahmend, rezitierte Mariana mit dunkler, professoraler Stimme: »Mmh, weit auseinander liegende Augen, dichte Brauen, eine lange vorwitzige Nase, ein Schnurrbart ...« Die anderen Mädchen pressten feixend die Lippen aufeinander. »... wenn ich nicht wüsste, dass er mich versetzt hat, würde ich sagen: Ich habe Theodor von Neuhoff gefangen. Obwohl ...« Sie zog demonstrativ die Nase hoch: »Derjenige, den ich hier erwischt habe, riecht ein wenig nach, mmh ..., nach frischem Schweiß. Sehr interessant. Er muss es wohl sehr eilig gehabt haben, zu mir zu kommen.«

      Siegesgewiss streifte sie die Binde ab und blitzte den Baron mit tiefgrünen Augen an, bevor sie ihm die Hand darbot. Eine zu laute Stimme schallte über die Schulter des Studenten: »Na, na, na! Frischer Schweiß. Ihr seid mir ja ein wilder Kavalier, von Neuhoff. Könnt es nicht erwarten und eilt herbei. Obwohl: Vielleicht ist ja auch ein wenig alter Schweiß dabei. Der Herr Baron liebt sein samtenes Jäckchen ja so sehr, dass er sich nie von ihm trennt.«

      Ein belustigtes Prusten zog durch die Gruppe und erzeugte in Theodors Eingeweiden einen verheerenden Sog. Mariana dagegen reichte die Stoffbahn sanft lächelnd ihrer Schwester und sah den jungen Mann fragend an. Doch ehe sich die Blicke der beiden begegnen konnten, hatte sich der spanische Graf schon zwischen sie geschoben und den Arm des Mädchens ergriffen: »Liebste Mariana! Ihr habt mir den ersten Tanz versprochen. Ihr erlaubt doch, Baron von Neuhoff?«

      Er gab den auf einer Bank sitzenden Musikanten ein Zeichen, zog die schlanke Frau an sich und drehte sie leidenschaftlich im Kreis.

      Theodor begab sich mit Ludwig zur Festtafel, begrüßte seinen Professor und die übrigen Gäste und setzte sich mit einem Glas Rotwein in die Nähe der kleinen Streichergruppe, die gerade ein Menuett anstimmte. Wortlos stippte er ein Stück Brot in den Wein und steckte es gedankenverloren in den Mund. Ludwig hatte inzwischen Blick kontakt mit Eva aufgenommen und beachtete den Freund erst, als der anfing, mit dem Absatz Löcher in die Wiese zu bohren: »Was ist?«

      Theodor druckste: »Guck sie dir doch an: Ich weiß, wie gern sie tanzt. Sie hat es mehrmals erwähnt. Und dieser Dummschwätzer von Graf kann es einfach zu gut. Guck doch, wie er sich bewegt. Kein Wunder, dass sie strahlt. Frauen lieben gute Tänzer.«

      Ludwig stieß ihm aufmunternd in die Seite: »Dann fordere sie doch auf!«

      »Ich? Mein Gott, ich kann überhaupt nicht tanzen. Jedenfalls nicht so.« Theodor zupfte nervös an seiner Jacke: »Ich kann gerade mal den Takt halten. Aber er, er kennt Tausende von Figuren. Ich weiß nicht, wie man richtig führt, und ich weiß nicht, wann und warum man den Grundschritt variiert. Wahrscheinlich verliere ich ohnehin alle Kraft, wenn ich ihr so nah bin.« Ein verächtliches Keuchen kroch aus seinem Mund: »Außerdem hast du ja gehört, was sie gesagt hat. Ich stinke. Ich stinke! Kann eine Frau einem Mann etwas Schlimmeres sagen? Es ist identisch mit ›unattraktiv, abstoßend, eklig, billig, ungepflegt, viehisch und ärmlich‹. Sie hat mir vor dem Grafen gezeigt, wo mein Platz ist: beim Pöbel. Und er, er darf ihre Wange mit der seinen berühren, ihren Rücken spüren und ihre Hand halten. Warum?«

      Ludwig schnitt Eva eine Grimasse, die diese mit gebleckten Zähnen und rollenden Augen erwiderte. Dann nickte sie kurz mit dem Kopf Richtung Tanzfläche. Ludwig wollte aufstehen, aber Theodor hielt ihn am Rock fest. Er flüsterte: »Da! Siehst du! Guck es dir an: Jetzt tuscheln СКАЧАТЬ