Bube, Dame, König. Fabian Vogt
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Название: Bube, Dame, König

Автор: Fabian Vogt

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783865064486

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СКАЧАТЬ Körper zu entlasten. Es half nichts. Die Druckstellen blieben. Er warf einen halb flehenden, halb verärgerten Blick Richtung Himmel und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Das Rauschen des Windes nahm zu. Nach kurzem Zögern knüllte er das halb beschriebene Blatt auf seinen Knien zusammen und zog ein neues aus der Tasche, die an seiner Seite hing. Er legte es sorgsam auf das Buch, das ihm als Unterlage diente, und schrieb zum wiederholten Male: »8. September 1708«. Weiter kam er nicht. Süßlich poetische Zeilen schossen ihm wie Kometen durch den Kopf, beglückten seine Seele für einen kurzen Moment und ließen tief vergrabene Wünsche aus ihm hervorbrechen – bis sie in einem Akt freudloser Zensur verglühten. Nicht eine der Ideen genügte seinen Sehnsüchten. Diesmal wollte er endlich Worte finden, in denen sein Hoffen wahrhaftig gegenwärtig wäre, Worte, in denen er irgendwie das Unendliche, das ihn zu sprengen drohte, einfangen konnte, Worte, die wie ein Zauberspruch den Bann lösen und eine veränderte Welt hervortreten lassen würden.

      Das Blatt blieb leer. Falls es solche Zeilen gab, hielten sie sich zumindest in diesem Moment verborgen und verwehrten dem jungen Mann ihre Kraft. Theodor, dessen blonde Locken ihm vom lauen Wind, der das Rheintal heraufzog, immer wieder ins Gesicht geweht wurden, biss so heftig auf seine Schreibfeder, dass sie zerbrach.

      Kraftlos steckte der junge Mann die zerfransten Überreste in die zerklüftete Rinde des Baumes und griff dann mit zitternden Fingern in seine Tasche. Fast zärtlich zog er ein eingewickeltes Kreuz hervor und legte es frei. Es glänzte wie Elfenbein, als es die Sonnenstrahlen einfing. Seine Finger fühlten lange die Formen der Holzschnitzarbeit nach, in die er mit feinen, geschwungenen Buchstaben den Namen »Mariana« geritzt hatte. Die Enden des Kreuzes waren mit metallenen Beschlägen versehen, deren winzige Nägel über die glatte Oberfläche des Holzes zu wachen schienen. Ein Lächeln flog über das Gesicht Theodors; so verträumt war er, dass seine Augen bald nur noch in die Unendlichkeit starrten.

      »Theodor! Bist du hier?«

      Der Gerufene steckte das Kreuz blitzschnell in seine Weste, verbarg das Blatt mit den vergeblichen Liebesmühen zwischen den Seiten seines Buches und öffnete es an einer beliebigen Stelle.

      »Theodor. Was machst du denn da oben? Wir warten auf dich!«

      Es war, als klettere die Antwort erst mühsam den Baum herunter, ehe sie sich dem Frager zuwandte. Sie klang wie ein Seufzen: »Hallo, Ludwig. Ich lese.«

      Der leicht schielende, schwarzhaarige Junge, der mit Theodor am Kölner Jesuitenkolleg studierte, zog seine Jacke aus, warf sie gewollt lässig über die Schulter und blickte hinaus auf das Wasser: »Was hältst du davon, runterzukommen und anständig mit uns zu feiern? Es ist nicht gerade höflich, was du hier tust. Du bist offiziell eingeladen.«

      »Ich will nicht.« In der Stimme Theodors schwang Trotz mit: »Außerdem ist Plutarch viel zu aufregend.«

      Ludwig hob langsam den Kopf: »Wie bitte? Du liest lieber antike Heldengeschichten, statt selbst welche zu erleben?« Er fing an, heftig zu winken: »He, es gibt ein Fest. Gute Laune, guter Wein, fantastisches Essen. Wann bekommen wir das schon? Und du Dickschädel beschäftigst dich mit den großen Taten heroischer Männer.« Er lehnte sich zurück, um hoch in den Baum schauen zu können, und schirmte dabei seine Augen gegen die Sonne ab: »Los, genug jetzt von Alexander dem Großen, Cäsar und Cicero. Vergiss die Toten und komm runter!«

      Theodor schaute unverwandt in das Buch. Dozierend sagte er: »Du weiß selbst, dass Plutarch überhaupt keine Heldensagen verfasst hat. Er schreibt ganz klar: ›Ich erzähle keine Geschichten, sondern Lebensbilder, weil sich der Wert eines Menschen nicht in seinen großen Taten ausdrückt. Oft wirft eine unbedeutende Handlung, ein einzelnes Wort oder ein Scherz ein schärferes Licht auf den Charakter als Schlachten mit Tausenden von Toten, Zusammenstöße der mächtigsten Heere oder Belagerungskriege um einflussreiche Städte.‹« Endlich erbarmte er sich und schaute nach unten: »Ludwig, es geht um Vorbilder, um die wesentlichen Charakterzüge großer Persönlichkeiten. Bei Plutarch kann man lernen, was bedeutende Männer auszeichnet. Du siehst: Gerade du könntest von dem Priester aus Delphi einige Nachhilfe gebrauchen.«

      Ludwig setzte sich mit dem Rücken gegen den Baum und streckte genüsslich die Beine aus, weil ihm die Streitgespräche mit Theodor allzu vertraut waren. Den Tonfall Theodors nachahmend, sagte er: »Bravo, du weiser Mann. Du kannst es ja sogar auswendig. Was für ein gelehriger Schüler. Aber vergiss nicht: Plutarch war nur sehr kurz in Delphi. Die meiste Zeit hing er in dem kleinen, elendigen Dorf Chaironeia in Boiotien herum. Offensichtlich haben ihm all seine Einblicke in das Wesen großer Heroen nicht besonders viel gebracht. Mann, Theodor, du bist ein Träumer.« Er unterdrückte ein hämisches Lächeln: »Ich hätte übrigens noch einen Anreiz für dich. Vielleicht möchtest du ja wissen, was der liebe Graf und Mariana gerade treiben.«

      Bevor ihn das Buch schmerzhaft im Rücken traf, hatte sich Ludwig schon zusammengekrümmt und seinen Nacken schützend mit den Händen bedeckt. Er stand auf und sprang feixend um den Baum: »Na bitte! Du bist gar nicht im Gelehrtenhimmel verschollen. Es ist noch ein Stück Leben in dir. Sieh an! Der schlaue Theodor hat Gefühle. Ach, und was ist denn das hier?« Ludwig hob das Blatt auf, das beim Wurf aus dem Buch gerutscht war: »Du wolltest ihr einen Brief zu ihrem Namenstag schreiben. Vielleicht eine Liebeserklärung. Möchtest du es endlich wagen, dein Herz zu öffnen?«

      »Hör auf!« Theodor erschrak über seinen eigenen Schrei. Verschämt sagte er: »Es hat doch alles keinen Sinn.«

      Ludwig bog den Kopf in den Nacken: »Warum? Seit Wochen grämst du dich, dabei weißt du noch gar nicht, was sie für dich empfindet.«

      »Das muss ich auch nicht. Ich weiß, was ich sehe. Sie liebäugelt mit diesem widerwärtigen spanischen Grafen, lacht über seine schäbigen Witze und ... kannst du mir erklären, warum er jetzt am Tisch an ihrer Seite sitzen darf?«

      Ludwig hob das Buch auf und strich die Seiten glatt: »Warum? Weil er ein Graf ist. Und weil sein Vater dem Professor etwa dreimal so viel für die Unterkunft bezahlt wie unsere Eltern. Was willst du? Du bist eben nur ein kleiner Baron. So ist das Leben.«

      Mit verkniffenem Gesicht beugte sich Theodor nach unten: »Nein, so ist das Leben nicht. Und wenn doch, dann darf es nicht so sein. Begreifst du? Es darf nicht sein, dass einem dahergelaufenen Grafen, dessen Intelligenz die eines ungepolsterten Stuhls nicht übersteigt, wegen seines dämlichen Titels die Gunst der Frauen zufällt. Der Kerl ist doch beschränkt.«

      Der junge Mann wandte den Kopf in Richtung des Flusses, damit sein Freund die zurückkehrenden Tränen nicht bemerkte. Der aber hörte, wie brüchig die Stimme des Barons geworden war: »Du bist ja wirklich eifersüchtig. Ich dachte, dass das alles nur ein Spaß wäre.«

      »Ein Spaß! Haha! Wenn das ein Spaß ist, dann habe ich nicht viel zu lachen. An meiner Eifersucht erkenne ich erst, wie heftig ich liebe. Ich vergesse Essen und Trinken, ich bringe die Nacht ohne Schlaf zu – und dieses Liebesfeuer, das mich verzehrt, bringt mich bald um. Verdammt noch mal, wäre ich als Prinz geboren, würde sie nur mich sehen.«

      Ludwig schnipste eine vorwitzige Ameise von seinem Bein und sagte aufmunternd: »Wenn du ein Prinz wärst, dann hättest du sie wahrscheinlich gar nicht kennen gelernt. Und wenn eine Frau dich nur wegen deines Titels liebt, dann vergiss sie lieber gleich. So eine weiß gar nicht, was Gefühle sind.« Der Schalk überkam ihn wieder: »Übrigens: Hast du schon gehört, was der Graf Mariana geschenkt hat? Nein? Pass auf! Einen riesigen Blumenstrauß, Rosen in allen Farben, bunt, prall und mit einem betörenden Duft. Und weil die Rose ein Sinnbild Mariens ist, konnte er dieses, sagen wir mal, äußerst delikate Zeichen sogar in Anwesenheit ihres Vaters überreichen.«

      Theodor stöhnte leise auf. Doch Ludwig bemerkte es nicht. Er genoss seine Schilderung: »Das Beste kommt erst noch. In der Blüte der schönsten СКАЧАТЬ