Название: Seidenkinder
Автор: Christina Brudereck
Издательство: Автор
Жанр: Секс и семейная психология
isbn: 9783865064417
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Jaya hielt inne. „Noch heute ist es überaus attraktiv, eine Ausbildung an diesem College zu machen. Auch die Kinder, die wir unterstützen, haben oft den eifrigen Wunsch, hier zu studieren, und sie wissen, dass sie dafür allerbeste Leistungen in der Schule nachweisen müssen. Krankenschwester zu werden oder sogar Ärztin oder Arzt, bedeutet, eine ausgezeichnete Ausbildung zu bekommen, in der man zwei Dinge großartig miteinander vereinbaren kann: ein eigenes Auskommen zu haben und anderen zu helfen.“
Jaya atmete tief durch und wies mit beiden Händen auf seine Umgebung. „So entstanden hier an diesem Ort, wo wir jetzt sitzen, ein Krankenhaus und eine Ausbildungsstätte, das CMC, das Christliche Medizinische College. Es steht allen Menschen offen, sowohl unter dem Personal und erst recht selbstverständlich unter den Patienten sind Angehörige aller Religionen. Und das alles hat mit einem einzelnen Menschen begonnen. Das wollte ich euch an diesem Morgen erzählen.“ Sie nickten. Ob sie verstanden hatten? Ob sie bereit wären, auf ihre Art selbst eine Ida zu werden?
Um seine Geschichte abzuschließen, sagte er: „Eine Frau, die einmal den Staub Indiens von ihren Füßen hatte schütteln wollen, begann, Indien zu lieben. Eine schreckliche Nacht hat ihr Leben verändert. Der Tod von drei Frauen hatte sie tief berührt und bewegt, das zu tun, was sie konnte. Und so entstand etwas Großes. Man ehrte sie, Gandhi besuchte sie, sie kam zu internationalem Ruhm und wir ehren sie bis heute.“ Er blickte in die Runde. „Es ist mir wichtig, meine Freude über einen Menschen wie Ida zu teilen und meine Dankbarkeit, die ich immer empfinde, wenn ich an diesen Ort komme, denn ihre Geschichte inspiriert mich, selbst das zu tun, was ich kann. Ich denke, sie ist eine Herausforderung für uns alle.“
Jaya war glücklich, weil seine Gäste ihm sehr aufmerksam zugehört hatten. Jetzt würden sie mit dem seit einigen Jahren extra dafür angestellten Public-Relations-Manager der Klinik oder mit jemand aus seinem Team eine Führung durch die wichtigsten Bereiche des Krankenhauses machen. Man würde ihnen einen Überblick geben und immer wieder staunten Gäste aus der westlichen Welt über das medizinische Know-how, modernste Operationstechnik, innovative Therapiemethoden. Man würde sie teilhaben lassen an den aktuellen Entwicklungen in der Behandlung Leprakranker. Und auch über die immer noch neue und unkontrollierbare Krankheit, über Aids, würde man sprechen.
Er selbst wollte den Rundgang nicht mitmachen, sondern die Zeit nutzen, um einige Besuche zu machen. Eine seiner Nichten arbeitete hier, er würde sie gerne kurz sehen. Und ein junger Mann, der Bruder eines der älteren Jungen aus dem Kinderheim, lag hier als Patient; auch ihn würde er besuchen.
Sie verließen alle zusammen die Kapelle, zogen ihre Sandalen wieder an und Jaya ging voran zu den Büros der Klinikleitung. Man grüßte einander und eine junge Frau nahm sich auf charmante und zielstrebige Art der Besuchergruppe an.
Jaya sah ihnen einen kleinen Augenblick lang nach und sprach ein kurzes Gebet für seine Gäste. Schon im Weitergehen fügte er dann noch ein kleines Dankgebet für Ida Scudder an und bat seinen Gott um Segen für die Menschen hier in dieser Klinik, Kranke und Gesunde, Patienten und Personal.
Er ging den Gang hinunter, der ihn zum Krankenzimmertrakt bringen würde. Plötzlich kam ihm ein kleiner Junge entgegengerannt. Er wich ihm aus und sah ihm hinterher. Nur einen kurzen Moment später kam eine Frau um die Ecke gelaufen, sie gehörte wohl zum Personal, denn sie trug einen weißen Sari, der sie irgendwie beeindruckend aussehen ließ, sie jetzt aber daran hinderte, schnell laufen zu können.
Als sie Jaya sah, blieb sie stehen, ihr Atem ging schnell. „Langsam“, sagte er freundlich. Allmählich beruhigte sie sich. Sie sah den Gang hinunter und dann zu ihm.
„Dieser kleine Dieb“, seufzte sie tief und schüttelte den Kopf. „Steht neben der Kapelle, sammelt Wachs und verkauft dann die Teelichte.“
Jaya lächelte.
„Was gibt es denn da zu lachen?“, fragte sie, halb entsetzt, halb belustigt - Jaya konnte nicht so recht einschätzen, was sie wirklich dachte und empfand. Er sagte:
„Ich habe ihn am Morgen kurz beobachtet, er ist sehr geschickt.“
Erstaunt fragte sie nach: „Wo? Hier? Sie waren hier in unserer Kapelle?“
Jaya nickte. Und als fühlte er sich von ihren Besitzansprüchen ausgegrenzt oder angegriffen, fügte er hinzu: „Eine Kapelle ist ein öffentlicher Ort des Gebetes und der Andacht. Eine Kirche spricht von Gnade, also von allergrößter göttlicher Zugänglichkeit, da sollte sie doch allen Menschen gehören, jedem offenstehen, meinen Sie nicht?“
Jetzt musste sie lachen. „Sie haben recht. So war es nicht gemeint. Ich habe mich nur gewundert.“
Jaya erklärte: „Ich habe einige Gäste, Amerikaner, zu einer Klinikführung hierhin gebracht.“ Sie verdrehte die Augen. Er ahnte, warum. „Nun“, fuhr er scheinbar streng fort, „auch Ida Scudder war Amerikanerin, nicht wahr? Und noch heute lebt das CMC doch von der Unterstützung aus der ganzen Welt, insbesondere von Spenden aus Amerika und Europa. Man könnte hier sonst wohl nie dem Ideal nachkommen, die ärmsten Patienten unentgeltlich zu behandeln. Aber mit ihrer Unterstützung ist es möglich.“
Sie schaute jetzt interessiert: „Haben Sie noch nie den Wunsch gespürt, unabhängig zu sein? Wäre es nicht wunderbar, das CMC könnte mittlerweile ganz auf eigenen Füßen stehen? Auf indischen Füßen?“ Er nickte. „Weil ausländische Füße manchmal stolzieren, trampeln, treten?“
„Ja, so in etwa“, sagte sie zustimmend, nachdenklich.
Jaya überlegte kurz, ob er sagen sollte, was er wirklich dachte, und weil er das Gespräch zu genießen begann, beschloss er, ehrlich zu sein. Diese Frau - Schwester oder Ärztin? - er sah flüchtig auf ihr Namensschild und las ihren Namen, „Dr. Kala Ranjini“ -, diese Frau machte den Eindruck, als wisse sie Aufrichtigkeit mehr zu schätzen als oberflächliche Zustimmung, und so sagte er: „Ich wünschte, und so habe ich es heute Morgen meinen Gästen gesagt, Familie Mensch fühlte sich insgesamt verantwortlich für ihre Kinder. Unabhängigkeit ist meiner Ansicht nach ein sehr merkwürdiges Konzept. Ich glaube, die Wahrheit liegt genau in der umgekehrten Richtung und es wäre wichtig, die Zusammenhänge zu sehen, das Ganze nicht immer weiter aufzuteilen, sich nicht immer mehr voneinander abzugrenzen und nur an sich zu denken.“
Er stockte, fragte sich, ob er vermitteln könnte, was ihm wichtig war. Sie sagte etwas spöttisch: „Sie sind also ein Globalisierungsbefürworter.“
Er war kurz irritiert, wollte schnell widersprechen, etwas entgegnen, aber da sah er sie lächeln, mit einem ironischen, frechen Schmunzeln, was ihn vollkommen aus dem Konzept brachte.
Mit einer wegwerfenden Handbewegung sagte er: „Ist ja auch egal.“ Er sah ihren Sari, nahm wahr, dass er nicht weiß war, wie er zuerst gedacht hatte, sondern von einem sehr hellen Grün, sah die passenden grünen Perlen in ihren langen schwarzen Haaren, die zu einem Zopf zusammengebunden waren, sah ihre klugen Augen, die ihn anfunkelten, und erinnerte sich nicht mehr daran, was er eigentlich hatte sagen wollen. Sie hatte es СКАЧАТЬ