Inferno Ostpreußen. Fisch Bernhard
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Inferno Ostpreußen - Fisch Bernhard страница 4

Название: Inferno Ostpreußen

Автор: Fisch Bernhard

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783943583779

isbn:

СКАЧАТЬ ab.2 In den Staaten des Warschauer Vertrages wurde diese Thematik damit erstmals in diesem Umfang behandelt.

      Nach der Friedlichen Revolution in der DDR konnte ich mich mit meinem Problem intensiver befassen. Entstanden ist, neben drei Büchern, eine Vielzahl von Vorträgen und Aufsätzen, inhaltlich mehr oder weniger gesteuert durch den Zufall, so wie es die Anforderungen von Seminarleitern oder Herausgebern ergaben, oder auch durch plötzlich ins Blickfeld getretene Situationen, wie z. B. das hier aufgenommene Interview mit einstigen sowjetischen Stadtteilkommandanten in Königsberg.

      Ich gebe zu, dass diese Art der Darstellung eine negative Seite hat: Einzelprobleme sind über das ganze Buch verstreut. So befinden sich z. B. Aussagen zum Verhältnis Rotarmist – deutscher Zivilist in mehreren Aufsätzen. Da setze ich mein Vertrauen in den Leser. Manche Texte wurden gegenüber dem Original gekürzt, ohne den Inhalt zu verändern, oder weil das gleiche Thema an anderer Stelle ausführlicher behandelt wird. Hier und da habe ich Neues eingefügt. Ich durfte ja an aktuellen Erkenntnissen nicht vorübergehen. Der Wortschatz wurde einige Male durch den Verlag im Kontakt mit mir heutigen Lesegewohnheiten angepasst. Bei den Angaben zu sowjetischen Quellen kann ich vielfach die Vornamen der Autoren nicht nennen, da meist nur die Initialen angeführt werden.

      Trotz des großen Umfangs des ausgewerteten Materials können die Ergebnisse nicht befriedigen. Es fehlt die Darstellung weiterer Gebiete, u. a. besonders zu den Ursachen der angeführten Erscheinungen, zu den Motiven der führenden Organe bei ihren Leitungsentscheidungen, bis hin zu den konkreten Maßnahmen, die das Verhältnis zur Zivilbevölkerung regelten u. a. Das muss durch vertiefende Forschung ergänzt werden. Weitere Desiderate finden sich am Schluss der einzelnen Arbeiten.

      Von Ostpreußen und von seinem unglückseligen Verschwinden soll in diesem Buch auf eigene Art gesprochen werden. Auch nach den über sechzig Jahren seit Kriegsende und den 88 Jahren seit meiner Geburt gilt für mich immer noch die Feststellung Ralph Giordanos: „Wie kann man diese Heimat verlassen, ohne dass einem das Herz bricht? – Oh ja, es ist furchtbar, seine Heimat zu verlieren.“3

1. Das Land

      Ostpreußen liegt zwischen den Mündungen von Weichsel und Memel in die Ostsee. An deren Ufer schwingen sich zwei konkave Sandbögen nordwärts: die Frische und die Kurische Nehrung. Dazwischen ragt als Eckpfeiler die sich dem Meer entgegenstemmende Nase der Halbinsel Samland. Die beiden Ströme berühren das Land nur mit ihrem Unterlauf. Sie kommen von weither. Die Weichsel hoch von den Beskiden, die Memel aus den Mooren Weißrusslands. Dort singt ihr der Bauer Lieder. Den Litauern ist sie der größte aller Ströme. Dieses Format trug sie dann in das einstige Gebiet des Deutschen Reiches und prägte das Leben der Deutschen. So bedeutsam galt sie denen, dass sie seinen Namen ihrer ersten Nationalhymne eingefügt haben. Obwohl der Fluss sich völlig multikulturell gibt. Die Weichsel hingegen ist als flüssiges Rückgrat Polens strenge Nationalistin. Spät erst, ab Thorn etwa, nimmt sie Kontakt mit den Deutschen auf. Schicksalhaft fast, denn von diesem Ort aus begann die Eroberung des Landes durch den Deutschen Ritterorden.

      Das geographische Bild haben die Gletscher gezeichnet. Die weiten Flächen der Grundmoräne im Norden und Nordwesten tragen gute Frucht, bieten aber dem Auge nur wenig Anziehendes. Nur dort, wo sich die wenigen Flüsse von den Masurischen Seen her nach Norden verirrt haben, bieten sich tief eingeschnittene und vielfältig geschwungene Engtäler, romantische Einsprengsel in das sonst strenge Einerlei. Hier ist das Gebiet der Schlösser und Herrensitze. Der Adel wusste, welche Böden ihm standesgemäßes Leben ermöglichten.

      Anders dagegen der weitgeschwungene Bogen der Endmoränen. Tausende Seen widerspiegeln das Himmelsblau. Sie können sich lang und schmal dahinziehen, dann sind sie mitunter grundlos tief. Sie können sich aber auch weithin strecken, sodass du das gegenüber liegende Ufer mit Mühe erahnen kannst. Diese Augen des Landes sind in ein grünes Meer eingebettet. Endlose Wälder bedecken Täler wie Höhen. Kilometer- und tagelang kannst du dort laufen, ohne einen Menschen zu treffen, vielleicht einen allwissenden Förster oder eine schweigsame Pilzsammlerin. Siedlungen kannst du ungesehen umgehen, ganz mit dir und der Natur eins. Die Seen senden Flüsse, Fließe, Bäche durch die endlosen Sanderplatten nach Süden, nach Polen hinein.

      So gut wie alle verbinden sich mit dem Beskidenfluss. In ihm strömen sie zur See. Masuren ist das romantische Wald- und Seengebiet. Der Name verrät die Herkunft der Bewohner aus dem polnischen Masowien. Adelssitze findest du hier kaum. Ist der Boden lehmig, dann birgt er Steine en gros, ist er sandig, dann ist er bewaldet und wo die Wässer um sich herum Sümpfe geschaffen haben, da muss er trocken gelegt werden, um wenigstens Rinderhaltung zu ermöglichen. Reich konntest du dort nicht werden. Roggen, Rüben und Kartoffeln waren die Ausbeute.

      In vielen Dörfern standen noch 1945 die geduckten schwarzen Holzbalkenhütten der Bauern aus dem 19. Jahrhundert. Die Menschen redeten noch bis zum größten aller Kriege ihren aus der Heimat mitgebrachten Dialekt, den Deutschen unverständlich. Selbst wenn sie vor Gericht traten, brauchten die Juristen Dolmetscher. Wie auch bei den Litauern am deutschen Teil der Memel.

      Was für eine Mischung: Deutsche, Litauer, Polen, jeder mit seiner eigenen Sprache. Da konnte es geschehen, dass der Autor 1926 in Masuren geboren wurde, aber kein masurisch sprach, wie auch seine Eltern nicht. Die stammten von der Memel, sprachen aber kein litauisch. Welche Sprache die Eltern des Vaters beherrschten, weiß er nicht, deutsch unbedingt, so wie die Eltern der Mutter. Aber deren Mutter, die Großmutter des Autors, sprach bis zur Einschulung nur Litauisch, Deutsch lernte sie im ersten Schuljahr als Fremdsprache hinzu. Deren Mutter wuchs in einer nur litauisch sprechenden Familie auf und ihr unehelicher Vater war Pole aus dem gemischt polnisch-litauischen Gebiet von Vilnius. Der Großvater des Autors stammte aus einer deutschen Familie, beherrschte für den Handel nach Russisch-Litauen etwas von beiden Sprachen. Die Verwandtschaft des Vaters dagegen sprach ausschließlich deutsch. Als der nach Masuren kam, wollte er sich mit seinen Kunden in ihrem Jargon unterhalten können, hat aber das Vorhaben nie realisiert. Die Verkäuferinnen in seinem Laden, alle aus Bauernfamilien, beherrschten die Sprache ihrer slawischen Vorfahren. So ist der Autor im Bewusstsein dieser sprachlichen Vielfalt aufgewachsen, nichts war ihm natürlicher. In welcher Sprache seine Vorfahren auch geredet haben mögen, sie alle fühlten sich als Bürger des Deutschen Reiches. Sie bewiesen das nach 1945. Als der polnische Nachfolgestaat den nach der großen Flucht zurückgebliebenen oder zurückgekehrten Landsleuten den dauernden Aufenthalt anbot, haben die meisten von ihnen das Land verlassen und sind in das deutsche Rest-Reich gefahren.

1.2. Über Herders slawische und preußische Quellen 4

      In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war ein ganz eigentümliches geistiges Gewebe zwischen den Nachbarstädten Weimar und Jena entstanden. Aus der Vielfalt der Beziehungen zwischen Literaten und Wissenschaftlern ragte ein Mann mit umfangreichstem Wissen und entsprechender Produktivität gleichermaßen in Literatur wie in Philosophie hervor: Johann Gottfried Herder (1744 – 1803). Ohne diesen gebürtigen Preußen kann man sich Anfang und Entfaltung der klassischen deutschen Literatur wie der klassischen Philosophie kaum vorstellen. Und wenn beide Gebiete in die Nachbarländer ausstrahlten, dann hat Herder daran wesentlichen Anteil. Im Weimar jener Jahre verfügte er zudem über Spezialkenntnisse zu Osteuropa. Hauptsächlich über ihn oder von ihm veranlasst, erfolgte seit der Mitte der siebziger Jahre eine umfangreiche Aneignung der russischen Aufklärungsbewegung durch die deutsche Literatur.5 Mit ihm schließt eine „Linie deutscher Slawenkunde, die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts“ aufgebaut worden war, ab. Von Herder aus führt der Weg weiter über Jacob Grimm, Wilhelm von Humboldt, Georg Niebuhr und andere zu den Universitätslehrstühlen für Slawistik an deutschen Universitäten.6

      Die grundsätzliche Auseinandersetzung Preußens mit dem slawischen Thema СКАЧАТЬ