Denk ich an Bagdad in der Nacht. Walter Laufenberg
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Название: Denk ich an Bagdad in der Nacht

Автор: Walter Laufenberg

Издательство: Автор

Жанр: Книги о Путешествиях

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isbn: 9783937881973

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СКАЧАТЬ Lauter berühmte Bagdader

      Vorwort

       Der Autor hat sich im März des Jahres 2003, in den letzten beiden Wochen vor dem bewaffneten Überfall durch die Amerikaner und Briten, im Irak umgesehen. Als völlig unabhängiger Internet-Publizist zusammen mit einigen Zeitungsjournalisten von Saddam Hussein eingeladen, der auf diese Weise der Welt zeigen wollte, wie man im Irak lebt. Diese letzte Gruppe von Beobachtern aus dem Westen hat zwar keinen persönlichen Kontakt zu Saddam Hussein mehr aufnehmen können, weil der Staatschef sich wegen der Invasionsdrohung bereits versteckt halten musste. Dafür aber gab es auf unterschiedlichen Ebenen Besuche und Gespräche, die vielfältige Eindrücke von Land und Leuten boten. Durch den Krieg und die anschließenden bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die zu erwarten waren und bis heute andauern, hat der Autor zwar den direkten Gesprächskontakt zu den Menschen verloren, die er dort getroffen hatte, nicht aber die starke emotionale Verbindung mit ihnen. Um den Menschen im Irak eine Wiederaufnahme des Kontakts mit dem Westen zu erleichtern, schildert der Autor im Folgenden anhand seiner Tagebuchnotizen seine Begegnungen mit ihnen, und das ohne alle Beschönigungen oder Verzerrungen. Ein Reisebericht und zugleich eine Momentaufnahme vom Zustand des Irak unmittelbar vor seiner weitgehenden Zerstörung.

       Walter Laufenberg, Mannheim im Juli 2012

      Salam Aleikum

      DER STRASSENKEHRER

      Den ersten Iraker, der in mein Leben trat, habe ich nie gesehen. Er war nur mein Korrespondenzpartner. Als ich ihm einen Brief geschrieben habe, musste ich ihn mit Exzellenz anreden. Denn er war der Botschafter seines Landes und gerade erst mit seinem Tross von Bonn nach Berlin, in unsere neue Bundeshauptstadt, umgezogen. Ich hatte ihm zu danken für die persönliche Einladung zum Besuch seines Landes, die er mir zugeschickt hatte, als Schmuckblatt, unterschrieben von Staatschef Saddam Hussein. Mit dabei das erforderliche Einreisevisum. Da war ich sehr gespannt auf die Begegnung mit dem großen Diktator. Und alle Warnungen und das Unverständnis meiner Freunde und Bekannten ließen mich kalt.

      „Du spinnst ja wohl“, kriegte ich zu hören.

      „Die Amis können jeden Tag losschlagen“, wurde ich belehrt. Dabei wusste ich das schon aus der Tageszeitung, in der die Behauptung des amerikanischen Präsidenten stand, der Irak produziere Massenvernichtungswaffen.

      „Das grenzt an Selbstmord“, hieß es kopfschüttelnd.

      Doch ich hatte zugesagt. Für mich war das ein Akt der Solidarität mit den unter schrecklichen Entbehrungen leidenden Menschen im Irak. Ich wollte zumindest ein klein wenig mit dafür sorgen, dass der Krieg nicht als einzige Lösung des Irakproblems akzeptiert werden muss. Ich wollte mich gerade für dieses Land einsetzen, das als Wiege unserer Kultur und Brücke zur Antike galt. Wo die Schrift entstand, das Rad und die Pflugschar erfunden wurden, aber auch die Sechzig-Minuten-Stunde sowie der 360-Grad-Winkel, der Scheckverkehr und das Gesetzbuch. Es ging mir nicht um ein Abenteuer. Ich wollte mich für die Erhaltung aller noch vorhandenen Zeugnisse der ältesten Stadtkulturen der Erde einsetzen. Dafür war ich bereit, ungewöhnliche Gefahren auf mich zu nehmen.

      Nur meine Frau bestärkte mich in der Absicht, an die Front zu fahren, die sich gerade aufbaute. „Welchem Schriftsteller wird schon die Chance geboten dabei zu sein, wenn die Guten über die Bösen herfallen, um im Namen einer höheren Verantwortung für die Ordnung auf der Welt zu sorgen. Das ist die Gelegenheit, dir selbst ein Bild davon zu machen, ob die Guten wirklich die Guten und die Bösen wirklich die Bösen sind.“

      Also fuhr ich los, allerdings mit einem eingeschränkten Auf-Wiedersehen für meine Frau: „Vielleicht ja schon bald, vielleicht auch erst nach langer Wartezeit, vielleicht nie mehr.“

      Den Namen des Botschafters habe ich vergessen, wie ich auch vergessen habe, mich danach zu erkundigen, was er heute macht. Zu viele Zeitungsjahrgänge voller Neuigkeiten haben ihn zuverlässig unter sich begraben.

      Und an die freundlichen irakischen Beamten an der jordanisch-irakischen Grenze, die mir am 3. März des Jahres 2003 bei der zeitraubenden Prüfung meines Reisepasses in ihrem nüchtern grauen Bürohaus die Sitzecke mit Bürosesseln und Couchtisch anboten und einen heißen Tee einschenkten, habe ich nie mehr gedacht. Um sie habe ich mir keine Sorgen gemacht. Wozu auch? Grenzer wie Diplomaten werden immer gebraucht, selbst wenn die großen Bilder des Staatschefs verschwinden. Vor allem das überlebensgroße Foto Saddam Husseins auf dem Hof der irakischen Grenzstation, wo die Leute bei starkem Andrang geduldig auszuharren hatten, unter den Augen des Allmächtigen. Ein Diplomat und Grenzer, das waren meine ersten Iraker. Funktionäre nur. Die lassen mich kalt.

      Nicht so der erste Iraker von Fleisch und Blut, den ich getroffen habe. Die Begegnung mit ihm vergesse ich wohl nie. Es war kurz vor Mitternacht. Da hatte ich schon einen sehr langen Weg zu ihm hinter mich gebracht. Die Maschine der Royal Jordanian Airlines hatte bereits mit Verspätung in Frankfurt am Main abgehoben, weil zu viele Passagiere gebucht hatten. Verständlich, war das doch die einzige Fluggesellschaft, die sich nicht an das allgemeine Embargo hielt, das der Westen gegen den Irak ausgesprochen hatte. Also die einzige Flugmöglichkeit.

      Nach der Zwischenlandung in der jordanischen Hauptstadt Amman die lapidare Auskunft, dass die Anschlussmaschine nach Bagdad bereits abgeflogen sei. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, kam mir völlig unpassend die Gorbatschowsche Philosophie in den Sinn. Aber dann als Strafverschärfung die Mitteilung, der nächste Flug nach Bagdad starte in drei Tagen. Das war nicht akzeptabel. Wir waren zu sechst. Drei von uns fuhren noch am Abend mit einem Taxi weiter. Wir anderen drei beschlossen, im Flughafenhotel zu übernachten und erst am frühen nächsten Morgen per Taxi in den Irak zu fahren, also bei Tageslicht, um sehen zu können, durch welche Landschaften wir fuhren. Immerhin eine Strecke von gut eintausend Kilometern von der einen Hauptstadt zur anderen, von Amman nach Bagdad. Zu dritt in einem großen Chevrolet-Geländewagen, für 220 US-Dollar pro Person. Dem jordanischen Taxifahrer in bar auf die Hand geblättert, denn wo niemand weiß, was der nächste Tag bringen würde, gelten natürlich keine Schecks und keine Kreditkarten mehr.

      Eine Wüstenpiste, wie von Napoleon auf den Globus gezeichnet, so glatt und zielsicher. Schnurgerades Grau mit wießer Mittelmarkierung auf das braunbröckelige Nichts der Landschaft gelegt. Stunde um Stunde kaum einmal etwas anderes zu sehen als volle Tankwagen, alt, älter, am ältesten, die uns schweratmend entgegenkamen, und leere Tankwagen, die uns ölgierig überholten. Alle Marken, aber hauptsächlich Mercedes. Schätzungsweise die letzten fünfzig Jahrgänge in allen Stadien der Verrottung, die das offizielle Exportembargo unterliefen. Doch nicht nur gegen diesen Ölstrom fuhren wir an. Neben uns eine Hochspannungsleitung, durch die auf Ölbasis erzeugter Strom aus dem Irak kam.

      Immer wieder sperrige Reifenstücke neben der Trasse wie vom Fahrtwind verstreute Gerippe verendeter Lasttiere. Aha, Runderneuerung statt neuer Pneus. Und ebenso schwarzes Geflatter an Steinen und Zäunen. Kolkraben der Wüste, die sich erst allmählich als Plastikfetzen entpuppten. Am Morgen, am Mittag und am Abend immer das gleiche Bild. Selten aufgelockert durch eine kleine Schafherde mit Schäfer. Die Wollknäuel mit den Ewigkeitsblicken knabberten am Geröll, wo für die Vorbeifahrenden nichts Grünes zu entdecken war. Weiter abseits der Piste auch einmal ein langgestrecktes graubraunes Nomadenzelt. Daneben ein Pferch aus aufgeschichteten Steinen und ein geparkter Uralt-Lastwagen mit Schutzgatter um die Ladefläche. Modernes Nomaden-Transportmittel. Unmittelbar vor der Grenze zum Irak sahen wir Vorbereitungen zum Bau von Flüchtlingslagern.

      Dann endlich die Grenze mit den freundlich Tee spendierenden Zöllnern. Hinter der irakischen Grenze eine Tankpause. Die halbe Distanz geschafft.

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