Die Geschichte der Zukunft. Erik Händeler
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Geschichte der Zukunft - Erik Händeler страница 6

Название: Die Geschichte der Zukunft

Автор: Erik Händeler

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия:

isbn: 9783865064356

isbn:

СКАЧАТЬ langfristig zu senken, ist nicht mehr, eine bessere Maschine zu kaufen oder Leute zu entlassen, sondern dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter produktiver mit Information umgehen ( Management-Kapitel, S. 248).

      Denn Informationsgesellschaft ist weit mehr als eine Fortsetzung der alten Industriegesellschaft mit Computern. In den Generationen unserer Eltern und Großeltern standen die meisten Menschen noch in der Fabrik und haben geschraubt, gefräst, montiert, haben mit ihren Händen die reale materielle Welt bearbeitet; nur ganz wenige haben geplant, organisiert, vermarktet. Dieses Verhältnis hat sich umgedreht: In einer Welt, die ihre Wissensmenge alle drei Jahre verdoppelt, geht es nicht mehr in erster Linie um ein Mehr an Information, sondern darum, sie effizient zu verwalten, um schnell an jene Infos zu kommen, die man braucht, um ein aktuelles Problem zu lösen. Nur dort, wo Menschen Informationen sammeln, recherchieren, aufbereiten, präsentieren, vermitteln, nur noch dort entstehen neue Arbeitsplätze: der quartäre Arbeitsmarktsektor nach Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung.

      Wettbewerb findet nicht mehr vor allem über den Preis, sondern über Qualität und Zeitvorsprung statt, also über den Umgang mit Information statt. Produktlebenszyklen haben sich dramatisch verkürzt. Geld verdient häufig nur noch, wer als Erster auf den Markt kommt. Während es im Industriezeitalter darum ging, mit Rohstoffen und Energie effizient umzugehen und die Produktivität von Maschinen zu steigern, hängen Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung erstmals vom effizienten Umgang mit Information ab: von Informationsflüssen zwischen Menschen und im Menschen, von Fortschritten im Menschlichen13: Firmen, in denen derjenige als starker Mitarbeiter gilt, der sich auf Kosten anderer profiliert, werden am Markt nicht bestehen. Wo Informationsströme gestört sind – wo Platzhirsche regieren, Meinungsverschiedenheiten zu Machtkämpfen ausarten, wo Mobbing das Klima bestimmt – stagniert die Produktivität. Keine noch so verbesserte »Hardware« wird diesen Verlust künftig noch ausgleichen können.

      Das ist der Grund, warum die Standortdebatte so lahm und langweilig geführt wird: Die Akteure spüren selber, dass sie an den Ursachen vorbeireden. Denn wodurch unterscheiden sich die Regionen der Welt in Zukunft noch voneinander? Kapital kann man überall auf der Welt aufnehmen, eine Maschine weltweit einkaufen, das Wissen der Menschheit ist weltweit über das Internet zu beziehen, jeder kann seine Produkte weltweit vermarkten. Der einzige Standortfaktor, durch den sich die Regionen der Welt künftig noch voneinander unterscheiden, ist die Fähigkeit der Menschen vor Ort, mit Information umzugehen.14 Und das ist nicht nur eine intellektuelle, sondern eine soziale Fähigkeit; hier geht es um die Frage, wie gehe ich mit mir selbst und anderen um. In den Kulturen wird sie beantwortet durch die vorherrschende religiöse Ethik und das letzte Ziel, das sie dem Leben setzt. Huntington hatte also Recht mit seinem Buch, dass es zu einem »Clash of Civilizations«15 kommen werde, aber dieser Kampf der Kulturen wird nicht gegeneinander, sondern vor allem im wirtschaftlichen Wettbewerb darum ausgetragen, wie produktiv die Mitglieder einer Gesellschaft mit Informationen umgehen (→ Kapitel über die Weltmächte von morgen, S. 389). Sie werden sich darin übertreffen müssen, wer am kooperativsten ist. Die Art, wie Menschen miteinander umgehen, wie sie sich organisieren, das wird zum Kernproblem wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in der Informationsgesellschaft.

      Wir stehen daher als ganze Gesellschaft vor der immer drängender werdenden Aufgabe, Innenwelt-Probleme zu verringern. Doch bei dem Wort »Seele« reißt der Gesprächsfaden sofort ab: Zu viele unseriöse Seminarveranstalter bieten fragwürdige Methoden an, zu Selbstwertgefühl, Motivation und Gelassenheit zu kommen und mit Stress oder belastenden Gefühlen umzugehen – meist drehen sich diese Techniken sowieso nur um die eigene Person. Es fehlen Kriterien, »gesunde« von »ungesunden« Praktiken und Verhaltensweisen zu unterscheiden, und Personen, die damit umgehen können.

      Techniken und Therapien allein können jedoch weder Sinn noch Liebe »produzieren«. Sie stoßen an ihre Grenzen. Da rücken ausgerechnet die veränderten ökonomischen Anforderungen religiöse Fragen wieder in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten: Wie sollen wir uns in der Firma verhalten? Was ist seelische Gesundheit? Wie finde ich wieder zu meiner Ausgeglichenheit zurück (früher nannte man das »Frieden«)? Die Themen, die jetzt aufbrechen, gehören zum Erfahrungsschatz der christlichen Kirchen. Sie wurden arg gebeutelt von sozioökonomischen Paradigmen wie Materialismus und Individualismus während der vergangenen Kondratieffzyklen. Jetzt stehen die Kirchen vor einer optionsreichen Reorganisation, die sich an den Erfolgsmustern des nächsten Strukturzyklus orientiert: Die Wirtschaft benötigt nicht mehr das gehorsame und austauschbare Schäfchen der Fabrikmaschine, nicht mehr den egoistischen Selbstverwirklicher der automobilen Gesellschaft (der sich seine Glaubenswelt individuell zusammenbastelt), sondern den verantwortlichen und kooperativen Informationsarbeiter ( Kirchenkapitel, S. 438), der ein neues gruppenübergreifendes Zusammenleben verwirklicht. Das sorgt auch innerhalb der Kirchen für Zündstoff – zwischen einer früher häufigen unkooperativen Gruppenethik und einer kooperativen Spiritualität, die der Theorie der Universalethik (Liebe deinen Nächsten wie dich selbst) entspricht.

      Angeschoben wird diese Entwicklung von den ökonomischen Notwendigkeiten. Wir leben in der Informationsgesellschaft nicht nur von der Arbeit anderer, sondern auch von ihren Ideen. Wir stehen jeden Tag vor so vielen Problemen, dass wir davon abhängig sind, dass andere darüber nachgedacht und sie gelöst haben. Knapp sind jetzt nicht mehr Arbeit, Maschinen oder Rohstoffe, sondern kooperative, umfassend gesunde Wissensarbeiter, ihre Fähigkeiten und Ideen, um Probleme zu angemessenen Kosten zu lösen. Vorausschauende Investoren werden daher in den Knappheitsfaktor Mensch investieren ( S. Börsenkapitel, S. 346). Denn wir haben zuwenig Kinder und wir bilden sie nicht gut genug für den anbrechenden Strukturzyklus aus ( Bildungskapitel, S. 362). Unsere Beziehungen in der Arbeitswelt, im Gesundheitswesen und in unseren Schulen sind nicht produktiv genug, die Familienqualität ist im Durchschnitt nicht ausreichend. Wir verschwenden zu viele Ressourcen für Destruktives16 (→ Produktivitätsreserven, S. 277). Die öffentlichen Auseinandersetzungen schlagen im Kern noch immer die Schlachten der alten Industriegesellschaft, anstatt ein Gesundheitswesen aufzubauen, in dem die Akteure das Geld der Krankenkassen mit Gesunderhaltung statt mit Krankheitsreparatur verdienen und so die produktive Lebensarbeitszeit verlängern (→ Gesundheitskapitel S. 299).

      Noch scheuen sich die Politiker, diese Themen anzugehen. Das liegt nicht an ihnen, sondern an den Leuten, die sie wählen. Denn die meisten Menschen wollen keine echten Änderungen und keine Politiker, die ihnen reinen Wein einschenken. Deutschland braucht aber in der unruhigen Zeit während des Wechsels zweier Kondratieff-Strukturzyklen keine Stimmungs-Surfer, sondern Politiker mit festen Positionen; Denker, Redner und Motivierer in einer Person, ausgestattet mit einem weiten Blick, der über die eigene Lebensspanne mit ihrem Nutzenkalkül hinausreicht. Denn diese Welt wird sich noch drehen, wenn wir längst von ihrer Bühne abgetreten sind. Aber die Verantwortung dafür, dass das nächste Paradigma in der Gesellschaft umgesetzt wird und die Ressourcen zur Verfügung stehen, die neuen Bedürfnisse zu erschließen – die Verantwortung tragen wir heute. Auch wenn wir im Abschwung unter Konsumverzicht und erschwerten Bedingungen werden investieren müssen. Je mehr wir uns vor der Lösung der Probleme drücken und sie in die Zukunft schieben, um so schlimmer werden sie die Gesellschaft einholen.

      Wie die langen Wellen in den vergangenen 200 Jahren alle Lebensbereiche – Wirtschaft, Kunst, Politik, Kriege und Technik – durchdrungen haben, das umfasst ein Drittel dieses Buches. Dennoch sollten Sie das nächste Kapitel nicht wie ein Geschichtsbuch lesen. Denn es beschreibt nur vordergründig die Vergangenheit: Zusammen mit der Gegenwart wird sie in der Zukunft präsent sein. Nach dem Höhepunkt der Industriegesellschaft wird die Wirtschaft entweder umkehren zu den Prinzipien des Lebens – oder sie wird stagnieren.17 СКАЧАТЬ